Student simuliert Krankheiten zu Forschungszwecken

Die Schweinegrippe war das große Thema im vergangenen Jahr. Man sprach von Epidemien und Pandemie. Täglich gab es während der Sommerrückreisewelle neue Infiziertenzahlen und etliche Experten gaben Prognosen zur Ausbreitung der Krankheit ab. Was kaum einer weiß: Es gibt ein Programm, mit dem man simulieren kann, wie sich Infektionskrankheiten ausbreiten. Thorsten Riechers ist Student an der RWTH Aachen und hat das Programm optimiert. Maria Latos hat für pflichtlektüre mit ihm gesprochen.

Thorsten Riechers auf dem Dach des "Fusionopolis"

Thorsten Riechers auf dem Dach des "Fusionopolis"


pflichtlektüre: Wie kam es dazu, dass du an dem Projekt mitgewirkt hast?

Thorsten Riechers: Ich hab damals ein Praktikum gesucht, weil ich vom Studium aus ein sechsmonatiges Pflichtpraxissemester absolvieren musste. Auf einer Kontaktmesse wurde Werbung für ein Austauschprogramm von der Stadt Singapur gemacht. Ich habe mich für ein Stipendium beworben und konnte dann sechs Monate lang ein Praktikum an einem staatlichen Institut machen. Nämlich am Institute of High Performance Computing in Singapur, dem Institut, das eben auch an dem Programm mitarbeitet, das die Ausbreitung von Infektionskrankheiten simulieren kann.

Was hast du an dem Institut gemacht?

Der ganz weite Rahmen ist, dass es im Moment in Sachen Computerentwicklung Veränderungen gibt. Früher hat man daran gearbeitet, die Computer schneller zu machen. Aber da man jetzt an natürliche Grenzen gestoßen ist, wird versucht, die ganze Rechnerleistung auszunutzen. Dafür muss man die Computerprogramme speziell optimieren. Im Allgemeinen war es das Ziel des Projekts, zu erforschen, wie man Programme generell für solche Prozessoren schneller machen kann. Als ich in Singapur angekommen war, war gerade die Schweinegrippe das große Thema. Ich sollte ein so genanntes „Programm für Epidemieschutz“ nehmen und für einen der neueren Prozessoren optimieren.

Und dieses Programm simuliert die Ausbreitung von Infektionskrankheiten?

Genau. Bei dem „Simulator für Infektionskrankheiten“ („Infectious Diseases Simulator“) geht es darum, zu simulieren, wie sich eine Infektionskrankheit, zum Beispiel die Schweinegrippe oder andere Viruserkrankungen in einer Stadt, einem Land oder sogar einem Kontinent ausbreiten.

Das "Fusionopolis", Foto: Thorsten Riechers

Das "Fusionopolis", Foto: Thorsten Riechers

Wie funktioniert das Programm denn genau?

Zuerst braucht man die Parameter der Viruserkrankung. Man muss also herausfinden, nach wie vielen Tagen der Infektion sich Symptome entwickeln, nach wie vielen Tagen man die Krankheit weiter übertragen kann und so weiter. Wichtig ist zudem der Faktor, wie leicht es ist, die Krankheit zu übertragen. Wenn man einmal die Parameter der Krankheit hat, wird für die Population, die man betrachtet, ein so genanntes Netzwerk erstellt. Das Netzwerk beschreibt, wie einzelne Menschen in der Population, zum Beispiel einer Stadt, zusammenhängen. Das heißt, man erstellt Verbindungen zu Familienmitgliedern, Verbindungen zwischen Schülern einer Klasse, oder Kontakt von Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Wie sieht der Ablauf dieser Simulation aus?

Die gesammelten Parameter werden in das Computerprogramm eingetragen und gespeichert. Dann werden Menschen aus dem Netzwerk rausgesucht, die mit der Krankheit infiziert sind. Über diese Menschen breitet sich die Krankheit zum Beispiel über Familienmitglieder aus. Dadurch werden also weitere Menschen infiziert und nach ein paar Tagen können diese ebenfalls weitere Menschen infizieren. Und somit kann die Simulation jeden Tag berechnen, wer wie Kontakt hat und wie sich die Krankheit dann weiter ausbreiten kann.

Was ist das Ziel dieser Simulation?

Das Gesamtziel der Simulation ist, herauszufinden, wie man verhindern kann, dass sich eine Epidemie in der Bevölkerung ausbreitet. Es soll ja nicht passieren, dass zum Beispiel ein gesamtes Land stirbt, wenn eine neue Epedimie ausbricht. Man kann also in diese Simulation verschiedene Maßnahmen einbauen, um zu sehen, was passiert, wenn man bestimmte Faktoren beeinflusst. Das tut man, indem man in der Simulation zum Beispiel Leute impft, Schulen schließt, oder indem man einfach alle öffentlichen Verkehrsmittel aussetzt. Dann kann man anhand der Berechnungen des Programms sehen, ob sich die Krankheit immer noch wie vorhergesagt ausbreitet. Ziel des Simulators ist also, zu erkennen, ob es bei einer Erkrankung Sinn macht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen – wie eben Schulen zu schließen. Man will herausfinden, ob Maßnahmen Wirkung auf die Ausbreitung haben.

Und wie hast Du das Programm dann optimiert?

Ich musste das Programm komplett neu programmieren.

Die Skyline von Singapur bei Nacht, Foto: Thorsten Riechers

Die Skyline von Singapur bei Nacht, Foto: Thorsten Riechers

Aha, und wie bist Du dabei vorgegangen?

Das Programm habe ich vorgesetzt bekommen, so wie es damals entwickelt worden war. Ich bin das Programm durchgegangen und habe mir überlegt, an welchen Stellen es generell nicht effizient programmiert worden war. Dann hab ich angefangen, meine eigene Strategie zu erarbeiten, wie man generell Simulationen, also wissenschaftliche Applikationen, besser schreiben kann. Ich habe also ein Konzept entwickelt, wie sich Simulationen im Allgemeinen besser programmieren lassen, so dass der Computer schneller arbeiten kann. Dafür habe ich circa vier bis sechs Wochen gebraucht. Am Ende haben wir vom Institut ein Team gebildet und zusammen an der Veröffentlichung der Ergebnisse gearbeitet.

Wo wurden die Ergebnisse veröffentlicht?

Die Ergebnisse sind auf der Supercomputing 2009 Konferenz in Portland, Oregon, im Workshop on Component-Based High Performance Computing veröffentlicht worden.

Wie schnell arbeitet das Programm jetzt?

Für eine Bevölkerung von fünf Millionen Menschen (wie z.B. Singapur) braucht eine Simulation etwa drei Minuten, falls die Epidemie wirklich ausbricht und nicht gestoppt wird. Für jedes Szenario, zum Beispiel wenn man den H1N1 Virus bei fünf Millionen Menschen nimmt mit keinen eingestellten Gegenmaßnahmen, wird die Situation bis zu 1000 Mal simuliert, damit man eine sichere Aussage über die Verbreitung der Epidemie heraus bekommt. Das Einlesen des Kontaktnetzwerkes dauert um die 18 Minuten. Das heißt: Jeder Test dauert circa zwei Tage. Die ursprüngliche Simulation hat für den gleichen Testfall circa fünf Minuten pro Simulation benötigt. In besonders großen Kontaktnetzwerken ist meine neue Umsetzung bis zu viermal schneller. Für die Überprüfung einer Gegenmaßnahme muss die Simulation auf einem Computer mit neuester Hardware also zwei Tage laufen, damit eine sichere Aussage darüber getroffen werden kann, ob sich die Epidemie damit eindämmen lässt.

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