Aus dem Leben eines Lokführers

So wie dieser Lokführer steht auch Mark jeden Tag im Cockpit. flickr.com/Coal Miki

Marc Averbeck ist erst 20 Jahre alt und hat seinen Traumberuf längst gefunden. Schon als kleines Kind hatte er nur eines im Kopf – Lokführer werden. Vor vier Jahren ist er in die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) eingetreten und hat den Arbeitskampf zwischen der Deutschen Bahn und seiner Gewerkschaft hautnah miterlebt. Hat sich sein Bild vom Lokführer-Dasein seitdem verändert?

Marc ist ein sehr ruhiger Mensch. Es wäre kein Problem, ihm stundenlang zuzuhören, wenn er über seinen Beruf spricht und erklärt, warum er ihn auch heute nicht missen möchte. „Die Faszination Eisenbahn hat mich schon früh gepackt. Schon als kleines Kind hab ich mit Eisenbahnen gespielt und bin gerne Zug gefahren. Das hat sich irgendwie so gehalten. Ich hätte mir auch keinen anderen Beruf vorstellen können“, erzählt Marc Averbeck. Er ist seit 2012 Ortsgruppenleiter der GDL-Jugend in Köln, ist seit Abschluss seiner Ausbildung im vergangenen Jahr bei der DB Regio in Köln angestellt. Seit dem Jahr, in dem die GDL vor allem negative Schlagzeilen machte. Der Beginn der Bahnstreiks, an den sich die tausenden Bahnreisenden und Pendler ungern zurückerinnern. „Das habe ich noch ganz gut im Kopf. Das waren Wochen, die ich so schnell nicht vergessen werde. Da wurden Sachen geschrieben, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann“, sagt Marc.

Kritik an der Berichterstattung

Im Interview erzählt Mark vom Tarifstreit bei der Bahn. Foto: privat

Im Interview erzählt Marc vom Tarifstreit bei der Bahn. Foto: privat

Marc weiß genau, wovon er redet. Die vergangenen Monate – die Zeit des Arbeitskampfes – haben bei ihm, wie bei vielen Bahn-Angestellten, deutliche Spuren hinterlassen.  Während er darüber spricht, ist für Außenstehende nur zu erahnen, wie schwer die Situation für ihn als Gewerkschaftsmitglied tatsächlich war. Bei diesem Thema wird sein Blick sehr ernst: „Teilweise haben da gewisse Medien Sachen gebracht, wo ich mir denke: Moment mal, das stimmt doch so überhaupt nicht. Schlecht recherchiert, absoluter Müll.“ Voreingenommen sei die Berichterstattung oft gewesen. „Ist doch klar, dass man als GDL-Mitglied bei Erklärungsversuchen auf taube Ohren stößt“, sagt Marc. Kritik an der Berichterstattung, die wahrscheinlich sogar berechtigt ist. Die meisten Menschen würden das, was die Medien liefern, nicht hinterfragen.

 

Die Wenigsten haben sich wahrscheinlich Gedanken darüber gemacht, wie die GDL-Basis sich rechtfertigen muss. Mit den Konsequenzen musste auch Marc leben. „Ich habe letztlich in meinem privaten Umfeld viel Zustimmung bekommen. Klar gibt es immer und überall Leute mit eigenen Standpunkten, die man schlecht überzeugen kann und irgendwann auch nicht mehr will. Der Großteil akzeptiert die Situation aber.“

Keine Gewerkschaftspflicht

Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, einer Gewerkschaft anzugehören. Allerdings ist es ratsam, da die Gewerkschaft im Konfliktfall die Meinung der Arbeitnehmer vertritt. Zu Beginn der Ausbildung macht sich jeder angehende Lokführer seine Gedanken, welche Gewerkschaft die Richtige sein könnte. So auch Marc: „Ich habe mich über die verschiedenen Möglichkeiten informiert. Als ich mich schon fast für die GDL entschieden hatte, wurde ich von der EVG bedrängt, doch in ihre Gewerkschaft zu wechseln. Letztlich bin ich aber objektiv geblieben und habe mich nicht beirren lassen.“

Zu diesem Großteil gehört auch seine Familie, die ihn auf seinem Weg schon immer unterstützt hat. Auch wenn seine Eltern mit Eisenbahnen nicht viel am Hut haben, bringen sie das nötige Verständnis auf. „Anfangs waren sie auch skeptisch und dachten ‚Naja, ob er sich damit einen Gefallen tut?‘. Doch die haben mittlerweile auch geblickt, dass die Realität anders aussieht, als in den Medien dargestellt.“ Auch wenn Marc die ganze Debatte und Kritik an den Lokführern und ihrem Streik nicht passt, negativ beeinflusst haben die Diskussionen in den Medien ihn nicht. Er spricht von Medien wie der Bild-Zeitung, die beispielsweise über das private Umfeld und die Vergangenheit des GDL-Chefs Klaus Weselsky berichteten, anstatt sich auf die Fakten des Arbeitskampfes zu konzentrieren. „Wen interessiert denn, wo der Herr Weselsky einen Bauernhof hat und wo nicht?“

Kein Geben und Nehmen

Seine Vorstellungen vom Beruf Lokführer waren zwar andere, doch kann sich Marc gut mit dem Gegebenheiten arrangieren. „Als ich angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals auch abwertend über meinen Beruf rede. Am Anfang ist aber natürlich immer alles ‚toll, super, schön‘. Aber es ist eben längst nicht so, wie in der Broschüre beschrieben.“ Abwertend vor allem, da auch er als Teil der GDL-Jugend den Tarif als ungerecht ansieht. Marc steht voll und ganz hinter seinem Arbeitgeber. Es solle nicht falsch rüberkommen, er mache seinen Beruf sehr gerne. „Aber man muss schon klar sagen, dass es bei der Arbeit zwischen Arbeitgeber und -nehmer immer ein Geben und Nehmen sein sollte. Ich habe momentan eher das Gefühl, dass man nur noch gibt und nichts zurückbekommt.“ Das gehe zu Lasten des sicheren Betriebs bei der Bahn.

 

Das hat Marc sich als Eisenbahn-Fan natürlich anders vorgestellt. Marc wirkt verärgert, macht daraus aber auch kein Geheimnis. Es passt ihm nicht, wie mit ihm als Arbeitnehmer-Partei umgegangen wird. Von Ausbeutung der Freizeit könnte die Rede sein. Dabei sieht er seine Situation noch recht komfortabel. „Ich bin jung und alleinstehend, habe noch keine Familie und Kinder. Mich stören die Überstunden nicht großartig. Teilweise esse und schlafe ich und arbeite dann fast ohne Pause direkt weiter – vier, fünf Tage hintereinander.“ Bei solchen Bedingungen denkt Marc vor allem an seine Kollegen mit Familie: „Die trifft der Arbeitskampf noch viel schlimmer.“ Vor allem wenn das Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung gekommen wäre und sich nichts an den Arbeitsbedingungen geändert hätte.

„Beruf trotzdem weiterempfehlen“

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Im Regionalverkehr fährt Marc auf allen Strecken in NRW. Foto: flickr.com/InterCityImpress

Worte, die ein mitunter eher freizeitfeindliches Bild seines Berufs abgeben. Doch wie ist es so überhaupt möglich, junge Leute für Marcs so geliebten Beruf hinzu zu gewinnen? „Ich würde den Beruf trotzdem weiterempfehlen. Es ist ja nicht so, als gäbe es nur schlechte Seiten – ganz im Gegenteil.“ Die Ausbildung sei super, bekräftigt Marc: „Und bis die jungen Leute dann die Ausbildung fertig haben, haben wir ja hoffentlich auch schon etwas verbessert.“ Marc gibt die Hoffnung nicht auf, neue Auszubildende zu generieren. Er will es den Jungen möglichst schmackhaft machen. „Man kommt schon gut rum. Im Fernverkehr natürlich noch ein bisschen weiter weg. Am besten gefällt mir, dass du dein eigener Chef bist. Du hast nicht die ganze Zeit jemanden, der dir über die Finger schaut.“

Klingt auf den ersten Blick verlockend. Und das erfolgreiche Schlichtungsverfahren zwischen GDL und Deutscher Bahn bringt zumindest erstmal wieder etwas mehr Ruhe für Marc und seine Kollegen. Er sieht seine Zukunft nach wie vor als Lokführer, seinen Traumberuf. „Ich arbeite sehr gerne mit Azubis zusammen. Es würde mich freuen, wenn ich helfen könnte, neuen Nachwuchs heranzuführen. Da gibt es bei uns in Köln die Möglichkeit als Teilzeit-Ausbilder tätig zu sein. Das wäre so ein Schritt den ich gerne gehen würde. Aber das Lokführer-Dasein würde ich niemals aufgeben.“

Die Serie
Lokführer, Piloten, Ghostwriter oder Erzieher – es gibt einige Jobs, die wegen Streiks oder Krisen zum Medienthema werden. Die Serie “Aus dem Leben” wirft einen genauen Blick auf diese Arbeit, ihre Problem und die Menschen dahinter.

Teil 2: Aus dem Leben eines Ghostwriters

Teil 3: Aus dem Leben eines Floglotsen

Teil 4: Aus dem Leben eines Erziehers

 Teaserfoto: flickr.com/Coal Miki

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