Kommentar: Schluss mit dem Hinrichtungsmarathon

Wenn das Hinrichtungsgift ausgeht, wird gehandelt: dann müssen so viele Häftlinge wie möglich schnell hingerichtet werden. In Arkansas wurden acht Exekutionen für elf Tage geplant. Seit 2005 wurden hier keine Hinrichtungen mehr durchgeführt. Warum dann jetzt? Das gelagerte Betäubungsmittel Midazolam läuft ab und Pharmafirmen weigern sich, Nachschub zu liefern. Nun wandert ein Todeskandidat nach dem anderen auf die Liege – Hauptsache schnell. Dass die Betäubung nicht stark genug ist, um dem Verurteilten die Schmerzen zu ersparen, wird dabei gekonnt ignoriert. Ein Kommentar zur derzeitigen Fließbandhinrichtung in Arkansas.

Seit 17 Jahren wurde in Arkansas nie mehr als ein Todesurteil an einem Tag vollstreckt. Montagabend (24. April) starben mit Marcel Williams und Jack Jones erstmals wieder zwei Häftlinge am selben Tag durch die Giftspritze. Nicht etwa, weil ihre Verbrechen besonders schlimm waren, mit ihrem Prozess hat das Urteil wenig zu tun. Der Grund ist rein pragmatischer Natur: Das Betäubungsmittel für die Hinrichtungen läuft Ende April ab. Und der Nachschub bleibt aus. Europäische sowie amerikanische Firmen wollen verhindern, dass ihre Medikamente für Hinrichtungen von Menschen missbraucht werden.
Deshalb muss jetzt wenigstens der vorhandene Rest der Mittel noch ein paar Menschen den Tod bringen. Die Hinrichtungswelle umfasst acht Hinrichtungen in elf Tagen. Die letzte Exekution soll am 27. April durchgeführt werden. Sobald ein Häftling für tot erklärt wurde, ist der nächste in der Reihe dran. Und das bitte schnell, denn es gilt keine Zeit zu verlieren.

Damit das klappt, hilft das Gefängnispersonal dann auch gerne mal schieben. Jack Jones, dem in Folge seiner Zuckerkrankheit ein Bein amputiert wurde, musste laut der Associated Press und dem Guardian im Rollstuhl in den Exekutionsraum geschoben werden.

In den USA wird häufig, wie hier in Seattle, gegen die Todesstrafe protestiert. Bild: flickr.com/javacolleen mit CC-Lizenz

Die Verteidiger der beiden Männer, die am Montag starben, hatten zuvor versucht, die Vollstreckung der Urteile aufzuhalten. Bei Williams und Jones könne die Giftinjektion nicht wie beabsichtigt wirken, da sie gesundheitlich nicht in der Verfassung dafür wären. Die Hinrichtungsprozedur könnte für sie somit schmerzhafter verlaufen als sie sollte, meinten die Verteidiger. Die Einwände wurden jedoch überhört und die Urteile vollstreckt.

Hinrichtungen mit einem Mittel, das ohnehin schon umstritten ist

Dass die Verurteilten in Arkansas gerade wie am Fließband aus diesem banalen Grund exekutiert werden, ist schon paradox genug. Ihnen dann noch nicht einmal das Recht auf eine schmerzfreie Exekution zu geben, ist unmenschlich.
Midazolam soll die Verurteilten eigentlich betäuben, bevor zwei weitere Mittel den Herztod auslösen. Der Wirkstoff wird jedoch schon seit Langem kritisiert. Die Wirkung solle nicht ausreichen, um eine zuverlässige Bewusstlosigkeit herbeizuführen und den Häftlingen Schmerzen zu ersparen, berichten unter anderem Deutschlandfunk und ARD.
Das belegen auch zahlreiche Fälle, wie der von Clayton Lockett im April 2014. Er wand sich 43 Minuten vor Schmerzen, bis er an einem Herzinfarkt starb – nicht ausgelöst durch die Medikamente, sondern als Folge des Stresses bei der Hinrichtungsprozedur. Auch der Tod von Marcel Williams, dessen Hinrichtung am Montagabend stattfand, soll nicht reibungslos abgelaufen sein. Jacob Rosenberg, Autor des Guardians, war ein Augenzeuge bei der Exekution. Er erinnert sich, dass sie Williams zweimal Midazolam verabreichen mussten und er sich weiterhin bewegt hatte, obwohl das nicht hätte sein dürfen.

Die Fälle beweisen, dass das Betäubungsmittel schon längst nicht mehr für Hinrichtungen verwendet werden dürfte. Die US-Verfassung verbietet Grausamkeiten und das Zufügen starker Schmerzen bei Hinrichtungen. Aber Midazolam kann das nicht garantieren.

Seit im Juli 2014 der Gefangene Joseph R.Wood bei seiner Hinrichtung über zwei Stunden qualvoll erstickte, klagen Verurteilte im Todestrakt gegen das unmenschliche Vorgehen. Im Jahr 2015 hatte das höchste US-Gericht die Klage abgewehrt und die Anwendung weiter erlaubt. Die Begründung für die weitere Zulassung: Das Mittel verstoße angeblich nicht gegen die Verfassung.
Angesichts der häufig auftretenden Qualen scheint das Urteil des höchsten US-Gerichts paradox und gleicht einer Farce. Mit seiner Reaktion verhöhnt der Staat die bereits Hingerichteten sowie die Kläger.

Auch in Deutschland finden Demonstrationen für die Abschaffung der Todesstrafe statt. Bild: flickr.com/Amnesty International FU Berlin mit CC-Lizenz 

Pharmafirmen wollen keine Medikamente für die Giftspritze liefern

Statt die Abschaffung der Todesstrafe in Erwägung zu ziehen, wird weiterhin nach alternativen Medikamenten für die Giftspritze gesucht.
US-amerikanische und europäische Pharmafirmen verweigerten ab 2011 die Lieferungen von Thiopental, dem bis dahin geltenden Standardbetäubungsmittel bei Hinrichtungen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht den erschwerten Zugang zu den Mitteln als Grund dafür, dass die USA erstmals seit 2006 nicht unter den fünf Staaten mit den meisten Hinrichtungen zu finden sind. Sie stehen auf Platz sieben. Die Schattenseite der Lieferungsverweigerung: Die US-Bundesstaaten experimentierten infolge mit neuen und kaum erprobten Mitteln wie Midazolam.
Mit den unzuverlässigen Alternativen muten die US-Staaten den Verurteilten eine Tortur vor ihrem Tod zu. Hauptsache es klappt und der Häftling stirbt. Das hat nichts mehr mit Menschenwürde zu tun, der sich die USA eigentlich durch die UN-Menschenrechtscharta verpflichtet haben.
Die Rechtfertigung für den derzeitigen Hinrichtungsmarathon in den USA – das ablaufende Haltbarkeitsdatum – ist eine abartige Begründung. Genauso gut könnte sich das Gefängnispersonal beschweren, dass sie ausgelastet seien und daher die Insassen beseitigen müssten.
Ermordungen aus Kapazitäts- oder Ressourcengründen haben nichts Menschliches mehr an sich.

Titelbild: flickr.com/Dennis Skley unter Verwendung der CreativeCommons-Lizenz 

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