Schneebälle auf Schalke

Das Ruhrgebiet ist nicht gerade als Wintersport-Standort bekannt. Aber wenn Schnee aus der Skihalle Neuss nach Gelsenkirchen gefahren und rund um das Fußballstadion verteilt wird, sind Jahr für Jahr die besten Biathleten am Start. Dort tragen sie seit 2002 die „World Team Challenge“ aus. Diese Gelegenheit nutzen auch andere Sportler: Das Dortmunder Team „Die Schneekanonen“ war bei der Schneeballschlacht-Weltmeisterschaft dabei.

Der Spieler der „Schneekanonen“ duckt sich, nutzt die Tanne als Schutz. Er wühlt mit seinen Händen im lockeren Schnee und formt ein neues Geschoss. Dabei sind seine Augen aber nie nach unten, sondern immer wachsam nach vorne gerichtet. Gut so, denn eine Kugel seines Gegners fliegt durch die Zweige auf ihn zu. Er lässt sich schnell zur Seite fallen – sie zischt knapp an seinem Ohr vorbei. Dann holt er zum Gegenangriff aus. Zwei schnelle Schritte zur Seite, antäuschen, abziehen, Treffer! Der Schnee zerstäubt am Arm seines Gegners, einem Spieler der Mannschaft „Balls of Ice“.

Peter Vogt ist der Teamkapitän der „Schneekanonen“ aus Dortmund.

Alle drei Sekunden ein Treffer

Der Teamkapitän Peter Vogt steht am Spielfeldrand und beobachtet aufmerksam die Aktionen seiner Kollegen. Mit zufriedenem Blick sieht er, dass der Treffer auf der Anzeigetafel gutgeschrieben wird. Am Ende der Spielzeit steht dort, dass die „Schneekanonen“ 122 mal getroffen haben – aber sie haben auch 136 Treffer kassiert. Als die Spieler das Feld in Richtung von Peter Vogt verlassen, sieht er nicht mehr ganz so zufrieden aus. „Das Spiel haben wir ein bisschen unglücklich verloren. Es kann sein, dass es das jetzt schon für uns war“, befürchtet er. Es sei schwierig, weiterzukommen. Denn nur die beste der vier Mannschaften in einer Gruppe rückt in das Viertelfinale vor.

Schneeballschlacht-Weltmeisterschaft
Eine „richtige“ Weltmeisterschaft ist die Schneeballschlacht-WM nicht. Jeder kann sich ohne Qualifikation anmelden und es nehmen hauptsächlich Mannschaften aus dem Ruhrgebiet und NRW teil. Die WM wurde erstmals im Jahr 2007  in Winterberg ausgerichtet, wie auch in den drei folgenden Jahren. Seit 2014 gehört der Wettkampf zum Rahmenprogramm des Biathlon-Rennens auf Schalke.

Jedes Team besteht aus drei Spielern auf dem Feld und bis zu zwei Auswechselspielern. In zwei Halbzeiten von je drei Minuten versuchen sie, die gegnerische Mannschaft möglichst oft mit Schneebällen abzuwerfen und selbst möglichst wenig getroffen zu werden. Dabei müssen sie eine fünf Meter lange „neutrale Zone“ in der Mitte des Spielfelds überwerfen, die sie nicht betreten dürfen und in der mehrere Tannenbäume stehen. Ein Schiedsrichter zählt die Treffer und die Mannschaft, die die meisten Treffer beim Gegner erzielen konnte, gewinnt.

Peter Vogts Befürchtung wird wahr: Die „Schneekanonen“ sind schon nach der Vorrunde ausgeschieden. Dabei war die Dortmunder Mannschaft mit hohen Ambitionen in das Turnier gestartet. Zum dritten Mal dabei, zum dritten Mal der dritte Platz – das wäre schön gewesen. Am Ende steht dort aber die Mannschaft „Balls of Ice“. Ausgerechnet die Mannschaft, die die Dortmunder in der Vorrunde besiegt hat. Aber Spaß hätten sie trotzdem gehabt, sagt Peter Vogt: „Der Sportsgeist steht im Vordergrund und es ist schön, mit allen zusammenzukommen. Aber wenn man antritt, entwickelt man schon einen gewissen Ehrgeiz.“

Die Schneeballschlacht-WM in Bildern

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Das Training gestalten die „Schneekanonen“ – die sportlich sonst eher einen Ball kicken anstatt ihn zu werfen – jeder für sich. Wie wichtig eine gute Kondition ist, ist den Spielern anzusehen als sie außer Atem das Feld verlassen. Peter Vogt weiß: „Zwei mal drei Minuten Spielzeit hört sich recht wenig an. Aber das ist schon anstrengend, dafür muss man relativ fit sein.“ Im Training werden als Schneeball-Ersatz Tennisbälle geworfen – für die Wurfkraft mit möglichst viel Schwung vor eine Wand und für die Zielgenauigkeit auf einen Besenstiel. Außerdem sind Taktik und Teamfähigkeit Dinge, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die letzte richtige Schneeballschlacht außerhalb Gelsenkirchens hatte Peter Vogt vor etwa drei Jahren mit seinen Kindern: „Eben als das letzte Mal richtig Schnee lag,“ erinnert sich der Trainer.

Winterstimmung – auch wenn der Schnee nur auf dem Spielfeld liegt

Nach dem Aus in der Gruppenphase bleiben Peter Vogt und seine Mannschaftskollegen noch im Winterdorf, das im Schatten des Gelsenkirchener Stadions aufgebaut ist. Aus den Lautsprecherboxen schallt alles, was die deutschsprachige Schlagerwelt zu bieten hat. Von den Ständen weht der typische Weihnachtsmarkt-Duft nach Glühwein, Kartoffelpuffern und Crêpes in Richtung Spielfeld. Dort feuern die Zuschauer die Mannschaften an, die noch im Kampf um den Titel sind. Ganz nah an die Absperrung traut sich aber fast keiner. Denn es kommt immer wieder vor, dass ein Schneeball nicht wie gewünscht den Gegner, sondern einen Zuschauer trifft. Und die sind nicht wie die Spieler mit Helmen und Skibrillen geschützt.

Teaser- und Beitragsbilder: Anne Palka

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