Zu Beginn des Jahres hat Borussia Dortmund den Blindenfußball in den Verein aufgenommen. Hasan Caglikalp hat selbst eine Sehbehinderung und betreut die Spieler ehrenamtlich. Er erzählt, warum es so wichtig ist, Blindenfußball-Vereine zu integrieren.
Der BVB hat den Blindensport von Viktoria Kirchderne, die Sie trainieren, in den Verein integriert. Wie genau lief das ab?
Der Prozess dauerte drei Jahre. Wir haben den ersten Kontakt bereits 2013 mit der BVB-Stiftung „Leuchte auf“ gesucht. Sie setzt sich für gemeinnützige Projekte in Dortmund ein und war sofort positiv eingestellt. Das Interesse wurde dann an den Verein Borussia Dortmund herangetragen, also nicht an die Aktiengesellschaft mit dem Profibereich.
Warum hat der Prozess so lange gedauert?
Wir bekamen nicht sofort eine Rückmeldung. Wenn sich der BVB zu schnell einem neuen Sport öffnet, wollen sofort auch andere Sportarten an den Verein angegliedert werden. Der BVB musste sich erstmal mit der Logistik des Blindenfußballs auseinandersetzen. Da hatte der Verein bisher keine Ahnung. Sie haben sich etwas schwergetan, obwohl der Vereinspräsident, Herr Reinhard Rauball, bereits bei einem unserer Spieltage vor einigen Jahren Schirmherr war.
Wie kam es dann zur Zusage für die Eingliederung?
Ich habe mit dem DFB und dem Stadtrat über die beste Herangehensweise gesprochen. Nach ein paar Monaten habe ich dem BVB eine umfangreiche Präsentationsmappe geschickt. Dann bekam ich einen Termin beim Verein. Herr Rauball war sehr interessiert und exzellent vorbereitet. Er erklärte, nicht nur Blindenfußball, sondern auch Torball übernehmen zu wollen. Das ist einmalig in Deutschland und wird wohl so schnell nicht mehr passieren. Das war der äußerste Traum. Dann wurden letzte rechtliche und finanzielle Details geklärt. Im November 2016 beschloss der BVB-Vorstand, den Blindensport aufzunehmen.
Was ändert sich konkret durch die Eingliederung?
Wir sind nun ein Teil der Fußballabteilung des BVB. Nun kann alles über das Budget des BVB abgewickelt werden. Da sind wir äußerst zufrieden, es ist mehr, als wir uns erträumt haben. Wir haben über den BVB und die Stadt bereits neue Tore für unseren Blindenfußballplatz in Kirchderne bekommen. Das ist die einzige Anlage in Dortmund, die nur für Blinde gebaut wurde. Die Borussia verhandelt derzeit mit der Stadt über die Übernahme der Anlage. Die Zusammenarbeit muss erstmal wachsen. Bisher ist der BVB sehr entgegenkommend.
Sowohl die Sportart "Blindenfußball“ als auch die Hallenvariante "Torball“ werden künftig in Schwarzgelb gespielt. #mv2016 #LT
— Borussia Dortmund (@BVB) November 20, 2016
Haben Sie bei Ihren Spielen Zuschauer?
Ja, sogar deutlich mehr als andere Vereine. Es ist nur ein kleines Gelände, 200 Leute kriegen wir aber locker drauf. Dann ist die Atmosphäre großartig. In der vergangenen Saison hatten wir das bei den Spielen gegen Schalke und Stuttgart. Da war die Anlage brechend voll – ein geiles Gefühl.
Was muss sich in Deutschland ändern, damit der Behindertensport mehr Aufmerksamkeit bekommt?
Viele beklagen, dass der Sport nicht genug gewürdigt wird. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass wir gute Arbeit leisten. Ich selbst bin kein guter Spieler. Man muss früh anfangen und viel trainieren. Du musst laufen, du musst arbeiten, du musst kämpfen. Die Leute müssen sehen, dass da etwas erarbeitet worden ist. Dann bekommst du die Aufmerksamkeit der Menschen und der Medien. Wir möchten außerdem einen BVB-Fanclub gründen, um die Brücke zwischen blinden und sehenden Menschen zu schlagen.
Ist es realistisch, dass Blindenfußballer mit ihrem Sport Geld verdienen?
Wenn ein Verein beginnt, die Spieler zu bezahlen, dann werden die anderen Vereine und Verbände nachziehen müssen. In Japan, Brasilien und Frankreich verdienen Blindenfußballer bereits Geld. Japan ist das reichste Land im Blindenfußball. Die Organisation dort hat einige hauptamtliche Mitarbeiter. Bis wir da sind, dauert es.
Was würde es bedeuten, wenn der Deutsche Fußball-Bund die Nationalmannschaft der Blindenfußballer übernehmen würde?
Das wünschen wir uns sehr. Wie weit die Gespräche fortgeschritten sind, weiß ich nicht. Das wäre ein Riesenschritt. Dann öffnet sich ein weiteres, riesiges Tor, nicht nur eine Tür.
Wäre auch eine Liga mit den 18 Profiteams der Fußball-Bundesliga denkbar?
Nein, das ist im Moment völlig utopisch. Es gibt zwar 150.000 blinde Menschen in Deutschland, aber nur 80 bis 100 von ihnen sind bereit, in einer Liga im Fußball zu spielen.