Mit zwölf Jahren zum YouTube-Star

Langeweile kennt Mia nicht: Die Zwölfjährige geht in die siebte Klasse, aber sie ist anders als ihre Mitschüler. Auf ihrem YouTube-Kanal Mias Pferdewelt folgen ihr fast 100.000 Abonnenten – und sie will noch viel höher hinaus.

Mia ist aufgeregt. Unruhig sitzt sie auf der schwarzen Couch im Wohnzimmer und wippt im Schneidersitz hin und her. Sie weiß nicht, wie sie anfangen soll. Und ihr Vater, der mit dem iPad in der Hand um sie herumläuft, um den perfekten Winkel zum Filmen zu finden, macht es nicht wirklich besser. Ein letztes Mal schaut Mia in seine Richtung, dann fokussiert sie die Kamera, ihr Vater drückt auf den Aufnahme-Knopf – und es geht los. Etwas schüchtern beginnt Mia von ihrem letzten Einkauf im Reitsportgeschäft zu erzählen, verhaspelt sich hier und da. Sie muss deutlicher sprechen, denkt sie, das haben sie doch geübt. Doch mit der Zeit wird sie immer sicherer, präsentiert ihre Westen, Handschuhe und Pferdedecken, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, und dann ist es auch schon abgedreht: ihr allererstes YouTube-Video.

Mehr als zwei Jahre ist das nun schon her, das ist für die heute Zwölfjährige immerhin ein Sechstel ihres Lebens. „Ich wollte unbedingt ein Video auf YouTube haben, einmal mein Gesicht im Internet sehen“, sagt sie. Ihre braunen Augen strahlen, wenn sie davon erzählt. Mia ist stolz, stolz auf das, was sie in ihrem jungen Leben schon erreicht hat. Mit über 21 Millionen Video-Aufrufen ist sie die erfolgreichste Pferde-YouTuberin in ganz Deutschland, fast 100.000 Follower hat sie auf der Video-Plattform. Sie macht vor allem sogenannte Follow-Me-Arounds, bei denen die Zuschauer sie beim Reiten begleiten können, aber auch Info-Videos zu allen erdenklichen Themen rund um Pferde.

„Das Mädchen, das sich nichts mehr wünscht als ein eigenes Pony“, das ist die Geschichte hinter Mias Kanal – und ein Traum, den die quirlige Pferdenärrin mit unzähligen anderen Mädchen teilt. Lange drehte sich alles auf dem Kanal um diesen Wunsch, und im vergangenen Oktober, nach mehr als anderthalb Jahren, ist er für Mia endlich in Erfüllung gegangen.

Gini ist jetzt ihr Ein und Alles

Sehnsüchtig blickt Mia aus dem Fenster des Reiterstübchens. Es ist gemütlich hier drinnen. Leise rauscht die Kaffeemaschine vor sich hin, die Gasheizung knackt, es duftet nach einer Mischung aus Kaffee und Pferde-Kräutermüsli. In einer Ecke steht ein dunkler Eimer mit dampfendem Pferdefutter. Mia wäre lieber draußen bei ihrem Pferd, in der Kälte, aber ihre Eltern wollen zuerst etwas zu der Youtube-Karriere ihrer Tochter sagen, man muss sich ja ständig rechtfertigen als Eltern, wenn das Kind so erfolgreich ist. Immer kommt der Verdacht auf, die Eltern seien die treibende Kraft hinter der ganzen Sache. Nicht so bei Mia. „Klar war das meine Idee, wessen denn sonst“ sagt sie, bemüht sich, an der Konversation teilzunehmen – aber mit den Gedanken ist sie woanders. Durch ein kleines Fenster kann man über den verschneiten Hof direkt auf die Pferde blicken. Irgendwo da hinten steht auch Gini.

Aber Gini muss warten. Erst wird der Kaffee getrunken, aber noch ist er zu heiß. Ihr Vater erzählt, was den YouTube-Kanal seiner Tochter ausmacht: „Jedes einzelne Video hat seine eigene kleine Geschichte. Das macht die Sache so spannend.“ Außerdem müssten die Videos gleichartig aussehen, einen Wiedererkennungswert haben – vor allem aber auch dem Alter seiner Tochter gerecht werden. Authentisch sollen sie sein, nicht zu professionell. Immer wieder wandern seine Augen zu Mias Mutter. Bekräftigend nickt sie ihm zu. Die beiden leben getrennt, aber sie wollen ihre Tochter voll und ganz unterstützen. Mia nennt ihren Vater nur den „Coach“. Er hat lange im Bereich Marketing gearbeitet und weiß, wie man gute Geschichten erzählt. Mia findet diese Details eher langweilig. Sie weiß das alles. Andere Zwölfjährige spielen in ihrer Freizeit draußen mit Freunden. Mia plant Videos, dreht, schneidet, gibt Interviews, geht zu Events – und all das neben Unterricht und Hausaufgaben.

Denn wenn es um das Thema Schule geht, ist Mia wieder ein ganz normales Mädchen. So sehr ihr ihre Eltern den Erfolg auch wünschen, die Schule steht an erster Stelle. Mia verdreht genervt die Augen. Die Diskussion kennt sie schon zu gut. Erst die Hausaufgaben, dann zum Stall. Manchmal verordnen ihr ihre Eltern sogar eine Pause vom YouTuber-Leben, damit Mia sich auf Klassenarbeiten konzentrieren kann, aber das ist für die Zwölfjährige in Ordnung. Manchmal ist sie sogar froh, sich nicht um so viele Dinge gleichzeitig kümmern zu müssen.

Viel Freizeit hat Mia durch ihren YouTube-Kanal nämlich nicht mehr. Ihr Terminkalender ist voll. „Manchmal auch einfach ein bisschen zu voll“, wirft ihre Mutter ein und nimmt einen Schluck vom heißen Milchkaffee. Mia guckt verschämt auf den Boden und zieht ihre Fußspitzen zusammen. Zuzugeben, dass sie manchmal überfordert ist, fällt ihr schwer. „Wenn es zu viel wird, dann nehmen wir uns halt die Auszeit. Dann gehen wir zusammen ausreiten und genießen die Ruhe“, sagt ihre Mutter.

Auch kritische Kommentare gibt es immer wieder

Und auch wenn Mia YouTube bislang unheimlich viel Spaß macht: Es gibt noch andere Aspekte neben der Schule, die Mias Eltern immer wieder kritisch beobachten. Vor allem zu Beginn wurde Mia oft für ihren Wunsch, YouTuberin zu werden, belächelt. Mit dem Erfolg wurden die blöden Kommentare weniger – aber je mehr Menschen Mias Kanal abonnieren, desto häufiger gibt es auch dort wieder negative Reaktionen auf ihre Videos, manchmal sogar Beleidigungen. Sie sei arrogant, hätte keine Ahnung und würde alles von ihren Eltern geschenkt bekommen. „Solche Leute vergessen, dass ich mir alles erarbeitet habe. Nicht meine Eltern haben mir mein Pony gekauft, sondern ich! Mit dem Geld, was ich mit YouTube verdient habe“, rechtfertigt sie sich. Aber kurz darauf verschränkt Mia die Arme und sagt wie ein Profi: „Ich konzentriere mich einfach auf das positive Feedback. Das ist viel mehr wert für mich.“ 

Aufhören kommt für sie ohne hin nicht in Frage. Wenn man mit Mia über die Koppel zu ihrem Pferd läuft und sieht, wie sie freudig auf und ab springt, dann weiß man auch, wieso. „Ich konnte mir durch YouTube meinen größten Traum ermöglichen. Das ist das größte Geschenk, was mir irgendjemand machen konnte“, sagt sie. Viele Abonnenten hatten Angst, Mias Geschichte könnte mit dem Kauf ihres  eigenen Ponys enden. Doch für sie fängt jetzt erst alles richtig an. „Jetzt kann ich viel mehr Videos vom Reiten machen, von gemeinsamen Urlauben, Turnieren. ich kann es kaum erwarten.“ Und während sie mit ihrem Pony schmust, wird klar: So erwachsen und professionell, wie Mia auch wirken mag – eigentlich ist sie eben doch auch das zwölfjährige Kind, das sich darüber freut, endlich sein eigenes Pony bekommen zu haben.

Beitragsbild: Leonie Rottmann
Bilder: Familie der YouTuberin Mia

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