„Ein Weihnachtslied braucht eine gute Geschichte“

Reinhard-Horn

Von „In der Weihnachtsbäckerei“ und „Leise rieselt der Schnee“ haben wir jedes Jahr zu Weihnachten aufs Neue einen Ohrwurm. Lieder, die man in der Kindheit gesungen hat, vergisst man nicht so schnell. Und vor allem Weihnachtslieder scheinen sich für immer eingeprägt zu haben. Reinhard Horn ist Kinderliedermacher und hat schon etliche Weihnachts-CDs herausgebracht. Im Interview erzählt er, wie ein Weihnachtslied klingen muss und warum besonders der Text für Kinder wichtig ist.

Herr Horn, sie sind gerade auf Weihnachts-Tour. Sie sind jeden Tag in einer anderen Stadt und singen immer die gleichen Weihnachtslieder. Können Sie sich überhaupt noch auf Weihnachten freuen?

Langsam werde ich müde von den ganzen Ohrwürmern, die ich habe – auch von den Liedern, die ich selber singe. Aber auf das Weihnachtsfest freue mich, weil wir das in der Familie feiern. Für mich ist das eine gute Zeit. Ich mag vor allem die Ruhe zu Weihnachten und zwischen den Jahren.

Viele Menschen kommen in der Adventszeit nicht mehr richtig in Weihnachtsstimmung. Durch ihre Musik beschäftigen sie sich aber sehr intensiv mit Weihnachten. Ist das bei Ihnen anders?

Wenn ich die strahlenden Augen der Kinder sehe, habe ich das Gefühl, dass es bei denen diese Freude auf Weihnachten noch gibt. Weihnachten ist eine Zeit, in der alle Sinne angesprochen werden. Durch das Kerzenlicht sieht alles ein bisschen anders aus. Es hört sich auch anders an, weil andere Lieder gesungen werden. Natürlich fühlt es sich auch anders an und es riecht anders, durch die ganzen Kekse. Kinder freuen sich also so auf Weihnachten, weil es eine besondere Sinneserfahrung ist und das bleibt ihnen nachhaltig in Erinnerung.

Sie haben gerade selbst gesagt, dass sich Weihnachten besonders anhört. Welche Elemente machen ein Weihnachtlied aus? Müssen in jedem Weihnachtslied die typischen Glocken im Hintergrund zu hören sein?

Ich unterscheide mal zwischen der Text- und der Musikebene. Was die Musik angeht: Natürlich kann es diese Glöckchen haben – muss es aber nicht. Auch ich habe einige Lieder geschrieben, in denen die Glöckchen zu hören sind. Das kann aber auch ganz anders sein. Ich habe mal eine CD gemacht, auf der Weihnachtslieder aus der ganzen Welt sind. In Afrika oder Asien klingt das alles ganz anders. Wenn man sich mal in der Welt umschaut, merkt man, dass diese Glöckchen sehr europäisch sind, vielleicht auch sehr deutsch.

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Reinhard-Horn_Portrait

 

  • Reinhard Horn macht seit mehr als 30 Jahren Musik für Kinder.
  • Er hat einen Plattenvertrag bei Universal und nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen CDs verkauft.
  • In der diesjährigen Adventszeit war er auf deutschlandweiter Weihnachtstour. Bei seinen Konzerten unterstützen ihn auf der Bühne mehrere hundert Kinder.
  • Reinhard Horn wurde 1955 in Lippstadt geboren.

Und wie sieht es auf der Textebene aus?

Ein Weihnachtslied braucht eine gute Geschichte. Für Kinder können diese Geschichten und auch die Musik so etwas wie Seelenproviant sein. Ich bin immer überrascht, dass Demenz-Kranke noch alle Strophen der Lieder auswendig singen können, die sie als Kinder gelernt haben. Ich bin gespannt, was die Kinder heute in 80 Jahren singen werden. Ich frage mich, ob wir ihnen gute Geschichten mitgegeben haben. Die Texte können witzig sein, frech oder auch nachdenklich, aber sie müssen für Kinder stimmen. Dann ist es auch eher zweitrangig, ob Glöckchen vorkommen oder nicht, weil die Geschichte an sich funktioniert.

Bleibt der Text also bei den Kindern mehr im Ohr als die Musik?

Ja, da bin ich anderer Meinung als zum Beispiel Rolf Zuckowski. Für gute Kinderlieder ist der Text wichtiger als die Melodie. Meiner Meinung nach ist „In der Weihnachtsbäckerei“ so erfolgreich, weil der Text witzige Bilder hat: „Der Knilch mit der Milch“, „das Ei, vorbei“, „du Schwein“. Das sind Bilder, die die Kinder lieben, weil sie frech und witzig sind. Die Melodie ist dann nicht so entscheidend.

Jetzt haben Sie gerade „In der Weihnachtsbäckerei“ angesprochen. Das kennt wohl jedes Kind und auch die Älteren. Haben Sie denn den Traum: Ich schreibe das nächste „In der Weihnachtsbäckerei“?

Das kann man ja nicht planen. Das entscheiden die Kinder selber. Ich habe ein Lied geschrieben, in dem ich auf verschiedenen Sprachen „Frohe Weihnachten“ wünsche. Das lieben die Kinder. Bei meinem Konzert in Dortmund haben die 600 Kinder die Aula gerockt. Sie hatten Spaß daran das Lied zu singen.

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Erfolg hat ein Kinderweihnachtslied also vor allem, wenn es einen besonderen Klang hat und bildliche Geschichten transportiert.

Genau. Und es ist auch gut, wenn sie die Musik in Bewegung aufgreifen können. Singen und Bewegen sind zwei Geschwister.

Wenn Sie jetzt das nächste Weihnachtsalbum planen, müssen Sie die Lieder ja wahrscheinlich im Sommer schreiben.

Immer. Für mich ist das mittlerweile etwas Normales. Früher habe ich mir dafür Dominosteine aufgehoben und beim Schreiben Tee mit Zimt getrunken. Jetzt gehe ich da wie an jedes andere Lied auch dran. Ich überlege mir, welche Geschichte ich erzählen will und wie es musikalisch klingen soll. Also ob es eher eine Ballade sein soll oder etwas Schnelleres. Der Text gibt meistens schon ein Zeichen, in welche Richtung es musikalisch gehen soll. Letztlich ist das ein Handwerk und funktioniert deshalb auch im Sommer.

Haben Sie ein Lieblingsweihnachtslied, dass Sie sich immer wieder in der Weihnachtszeit anhören?

„Last Christmas“ und die anderen gängigen Songs kann ich überhaupt nicht mehr hören. Vor zwei Jahren habe ich mir die CD „Christmas with my Friends“ vom schwedischen Posaunisten Nils Landgren gekauft. Das ist ein bisschen jazzig. Das lege ich mir sehr gerne auf. Und ich liebe Bach, der geht immer. Unterwegs höre ich lieber klassische Musik.

Aber ihre Kinderlieder sind ja eher poppig?

Ja schon. Aber in meiner aktuellen Winter-CD habe ich etwas von Vivaldi eingebaut. Wir haben versucht, klassische Musik mit Popmusik zu verbinden. Und das funktioniert richtig gut. Die Kinder horchen richtig auf. Ich experimentiere auch mit lateinamerikanischen oder afrikanischen Klängen. Aber das meiste kommt schon aus dem Pop.

Fotos: Kontakte Musikverlag

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