Androgynität: Das Spiel mit den Geschlechtern

Sie liebt die Kamera und die Kamera liebt sie. Ihr Kleid glitzert bei jeder Bewegung, die langen Beine erscheinen durch die filigranen Stilettos noch länger. Eine letzte Umdrehung, ein letzter Luftkuss, dann ist der Auftritt vorbei. Gleich verwandelt sich die hübsche Frau wieder in einen schönen jungen Mann. Sein Name ist Veit Alex und er ist eines der wenigen androgynen Models in Deutschland.

Androgyn schließt zunächst einmal alles ein, was sich zwischen Mann und Frau bewegt. Gemeint sind also Menschen, die Merkmale von beiden Geschlechtern aufweisen. Das kann bedeuten, dass ein Mann mit Bart Frauenkleider und High Heels trägt, so wie Conchita Wurst. Androgynität ist aber noch viel mehr. „Dragqueens zum Beispiel erschaffen eine komplette Kunstfigur mit einer anderen Identität“, zählt Veit Alex auf, „und jemand, der als Transgender unterwegs ist, möchte sich eben um operieren lassen.“

Er selbst möchte einfach nur damit spielen, dass er sowohl männliche, als auch weibliche Attribute hat. Eine Operation kommt deshalb für ihn noch lange nicht infrage. Auch als Frau „verkleiden“ möchte der junge Mann aus Essen sich nicht. Sein Dekolleté bleibt deswegen in der Regel auch leer. Einen speziellen BH trägt er nur, wenn es sich sein Auftraggeber wünscht.

Foto:Veit Alex

Seiner Androgynität bewusst ist sich Veit Alex erst seit drei Jahren. Damals, mit 18, wurde er auf Facebook von einem Designer angeschrieben. Der wollte ihn zu einem Fotoshooting einladen. Veit Alex sagte zu – und vor Ort dann die Überraschung: Die Visagistin fragte Veit Alex, welchen Lidschatten er haben wolle. „Lidschatten?“, fragte er sich. „Als Mann?“

Zu modeln war ihm bis dahin noch nie in den Sinn gekommen. Auch mit dem Thema Androgynität hatte er sich noch nie beschäftigt. „Ich war verwirrt, das war alles fremd und komisch für mich“, sagt er heute. Da er aber schon immer ein experimentierfreudiger und künstlerischer Mensch gewesen sei, habe er die Chance nutzen wollen; zumal er ohnehin schon immer Spaß an Mode und Styling hatte. „Ich wollte immer irgendwas mit Kunst machen, wusste nur nie genau was. Jetzt habe ich erfahren, dass ich selbst ein Stück weit Kunst bin.“

Lange Haare, Castingshows – und Jogginghosen

Mittlerweile ist Veit Alex als Model so erfolgreich, dass er davon leben kann. Er war bereits in der italienischen „Vogue“ und auf dem Cover des „Elegant Magazines“ zu sehen. Fast wäre er sogar für eine Show des Designers Guido Maria Kretschmer gelaufen. Gescheitert ist es letztlich an Veits Frisur: Seine eigenen Haare reichen ihm zwar bis zur Brust, die Seiten am Kopf sind jedoch abrasiert. Damit passte er nicht in Kretschmers Auswahl.

Konkurrenzkämpfe in der Modelwelt kennt Veit Alex hingegen nicht: „Wir sitzen alle im gleichen Boot und arbeiten genau gleich. Es ist ein Miteinander. Das, was bei Castingshow zu sehen ist, gibt es eigentlich nicht.“ Er selbst würde an solch einem Format niemals teilnehmen. „Wenn man als Model erfolgreich sein möchte, dann sollte man den normalen Weg über Agenturen gehen. Ansonsten wird man nur als bekannte Persönlichkeit gebucht“, erklärt der 21-Jährige.

Internationale Designer sind vor allem wegen seines besonderen Looks an ihm interessiert. Oft ist Veit Alex mehrere Wochen am Stück unterwegs, fliegt quer durch Deutschland und immer häufiger auch ins Ausland. Trotz des Stresses, hält er an einer Sache fest: „Wenn es möglich ist, versuche ich immer auszuschlafen. Das tut der Schönheit einfach gut“, ist er überzeugt. „In meiner Freizeit genieße ich es, meine Ruhe zu haben und auch einfach mal in Jogginghose irgendwo rumzulaufen.“

Modeln mit Message

Foto: Markus Hoppe / Styling: Nicole Kau

Neben ihm selbst sind Veit Alex in Deutschland noch fünf weitere androgyne Models bekannt. Die Branche ist hierzulande noch extrem klein – das macht den Essener mit seinem Beruf umso auffälliger. Und genau das ist für Designer von Vorteil: Wenn ein Mann in Frauenkleidern läuft, erinnert sich der Zuschauer nicht nur besser an die Person, sondern auch an das getragene Outfit. Für Veit Alex zählt aber vor allem die Message dahinter. „Mir persönlich ist es am wichtigsten, Leuten Mut zu machen. Sie sollen zu sich selbst stehen, glücklich sein und das machen, was sie antreibt“, sagt er.

Auch ihm sei es am Anfang nicht immer leicht gefallen, zu seinem Beruf zu stehen. „Ich war auf einem Internat und hatte ziemliche Bedenken, das überhaupt Preis zu geben“, sagt er. Doch als dann in den sozialen Netzwerken seine Fotos als weibliches Model auftauchten, wurden sie von seinen Mitschülern überall geteilt. „Ich musste mich entscheiden, ob ich dazu stehe oder mich dahinter verstecke. Und ich habe diesen Schritt gemacht und mich für die erste Option entschieden.“ Und siehe da: Die Reaktionen im Internat waren durchweg positiv. Dass es auch andere Einstellungen zu ihm und seinem Beruf gibt, weiß Veit Alex aus eigener Erfahrung. „Natürlich bekommt man hier und da mal einen komischen Blick oder Beleidigungen auf meiner Facebook-Seite, aber die schüttle ich einfach ab“ sagt er. „Diese Leute haben ein Problem mit mir und nicht ich mit ihnen.“

Beitragsbild: Pia Schäfer Photography / Fabian Schmidt / Markus Hoppe (von links nach rechts)

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