Ganz schön Tough die Mudder!

Gruppenfoto
Es riecht nach Schlamm, Schweiß und Kampfgeist. Tausende Mutige stellen sich rund um das Jagdschloss Herdringen einer Herausforderung, die manche eher als Masochismus beschreiben würden. 18 Kilometer gespickt mit Hindernissen und kleinen Grausamkeiten: Elektroschocks, Eiswasser, meterhohe Barrieren und Schlamm soweit das Auge reicht. Und dafür zahlen die Teilnehmer ca. 60-100 €. Aber die Leute lieben es. Nach Angaben des Veranstalters „
Tough Mudder“ haben bereits mehr als 4.000 Menschen das Logo des Ausdauerlaufes auf ihrem Körper verewigen lassen.

Bei diesem Lauf kommt es nicht auf die Zeit an, sondern einzig darauf, das Ziel zu erreichen. Daher treten die meisten in kleinen Teams an. Eine dieser Mannschaften sind „The Lemmings“, die zum ersten Mal dabei sind: Kai aus Kempten, Sebastian, Frank und Samuel aus Münster und die Brüder Jonas und Lukas aus Olpe. Bevor die sechs die Strecke in Angriff nehmen können, bereitet ein Mitarbeiter die Startgruppe der Lemminge auf den Lauf vor. Wie eine Mischung aus Mallorca-Animateur und Drill Sergeant heizt der Mann den Läufern mit einem Megaphon ein: „Ich sage Tough! Ihr sagt Mudder!“ Bald wird sich zeigen, ob das Training gereicht hat. Gemeinsam mit etwa 200 anderen Teilnehmern beginnen „The Lemmings“ ihren Lauf.

Beim Hindernis "Kiss Of Mud" kommen die Läufer erstmals auf Tuchfühlung mit dem Untergrund.

Beim Hindernis „Kiss Of Mud“ kommen die Läufer erstmals auf Tuchfühlung mit dem Untergrund. Fotos: Paul Klur

Schon das erste Hindernis macht sie mit dem Markenzeichen des Extrem-Events bekannt. Beim „Kiss of Mud“ müssen die Lemminge unter einem bedrohlichen Stacheldrahtgeflecht etwa 15 Meter durch tiefen Matsch robben. Doch diese kräftezehrende Herausforderung rüttelt die Gruppe erst so richtig wach. Voller Elan geht es danach zunächst durch ein kurzes Waldstück. Das Wetter ist gut – ein warmer Septembertag ohne Regen. Bei diesen sehr trockenen Bedingungen ist die schlammige Laufstrecke deutlich einfacher zu bewältigen.

Schockgefrostet verlassen die mutigen Athleten das Eiswasserbecken. Bild: Paul Klur

Schockgefrostet verlassen die mutigen Athleten das Eiswasserbecken.

Doch nasse Herausforderungen gibt es noch genug. Zum Beispiel das Hindernis „Arctic Enema“. Der riesige Eiswasserbehälter sieht von außen zwar erfrischend aus, doch der Sprung in das 4°C kalte Becken ist ein Schock für die Läufer. Je weiter sich die Lemminge durch das Wasser kämpfen, desto kälter fühlt es sich an. Ein Kühllaster steht direkt dahinter, schließlich muss die Temperatur den ganzen Tag lang mit frischem Eis aufrecht erhalten werden. Schockgefrostet verlassen die Läufer, so schnell sie können, das Becken. Zumindest verschwinden die ersten, gerade von der Sonne angetrockneten, Schlammspuren durch das Wasser vom Körper der Athleten. Derart sauber werden sie von hier an aber nicht mehr sein.

Auf dieser Schlammrutsche reißt sich so mancher Läufer sämtliche Textilien auf.

Auf dieser Schlammrutsche reißt sich so mancher Läufer sämtliche Textilien auf.

Vor den Lemmingen läuft ein Team in blauen Neoprenanzügen mit der Aufschrift „Im Po Sand“. Was es damit auf sich hat, erfahren die Mudder bei der „Berg- & Talfahrt“. Die steile Rutschpartie auf matschigem Untergrund fordert bei vielen Athleten textilen Tribut. Durch die hohe Reibung fressen sich Schlamm und Sand geradezu in die Kleidung.

Doch den schwersten Teil ihres Weges haben „The Lemmings“ erst noch vor sich. Von Weitem hört man schon erschrockene Schreie aus dem dichten Wald. Bevor die Lemminge den Grund dafür erfahren, müssen sie an Hürden wie dem „Cage Crawl“ vorbei. Hier müssen sich die Mudder an einem Drahtgeflecht durch ein Schlammwasser-Becken hangeln. „Dabei habe ich so viel dreckiges Wasser geschluckt“, sagt Sebastian angewidert.

Psychisch herausfordernd wird es schließlich am „Electric Eel“. Dieses Hindernis war auch der Grund für die angsteinflößenden Schreie der Mitstreiter. Stöhnende, ächzende Menschen und jede Menge Sanitäter jagen dem Team erst einmal gehörig Angst ein. Die Gefahr kommt von oben: Von einem Holzgerüst hängen elektrisch geladene Weidezaun-Drähte beinahe bis zum Boden. Geladen sind sie mit 10.000 Volt. Egal wie sich die Lemminge hier winden, keiner kommt ohne heftige Stromstöße durch diese Prüfung. „Das war vor allem vom Kopf her ein schwieriges Hindernis“, sagt Kai.

Kai und Sebastian warten auf der "Berlin Wall" auf ihre Teammitglieder.

Kai und Sebastian warten auf der „Berlin Wall“ auf ihre Teammitglieder.

Auch das Laufen selbst fällt zunehmend schwerer. Die Mudder sinken tief im schlammigen Untergrund ein. „Das ganze bergauf und bergab Laufen ist echt heftig für die Gelenke“, bestätigt Lukas. Aber auch die Hürden, die noch auf die Lemminge warten, fordern ihnen körperlich alles ab. Als nächstes steht ihnen die „Berlin Wall“ im Weg. Kai und Sebastian machen den Anfang und wuchten sich mit Hilfe von starken Armen anderer Mudder auf die hölzerne Barriere. Anschließend helfen sie ihren Teammitgliedern, das Hindernis zu bezwingen.

Nachdem die Mauer bezwungen ist, sehen die Lemminge ein Schild: Nur noch 2 Kilometer! Noch einmal heißt es hinein in den tiefen Matsch und anschließend mit fast 18 gelaufenen Kilometern in den Beinen den „Everest“ hinauf sprinten – eine rutschige Quarterpipe, die vor dem Rennen so richtig eingefettet wurde.

Jetzt steht nur noch eine finale Gemeinheit an. Die „Elektroschock-Therapie“ mit erneut 10.000 Volt. Zum Glück können die Lemminge diesmal einfach durch die Drähte durchsprinten. „Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, ich falle gleich um“, sagt Lukas. Aber hinter diesem Hindernis lockt schon die Ziellinie – und damit ein kühles Bier. Für den Zieleinlauf haben sich Jonas und sein Bruder etwas Besonderes überlegt. Lukas legt sich quer auf den Boden und Jonas „angelt“ mit einer pantomimischen Geste seinen Bruder ins Ziel.

Welche Spuren der Lauf hinterlassen hat, erkennt man leicht an Kais Händen.

Welche Spuren der Lauf hinterlassen hat, erkennt man leicht an Kais Händen.

Trotz des pessimistisch angehauchten Teamnamens haben es alle Lemminge geschafft, ohne große Blessuren den Zielstrich zu überqueren. Als Kai dann erschöpft seine Handschuhe auszieht, sieht man allerdings die Spuren, die der Tough Mudder hinterlassen hat. Deshalb geht es erst mal direkt auf den Campingplatz und in die Dusche. Selten hatten die Lemminge das so nötig

 

 

 

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