Karikaturen über das Deutsch-Türkische Zusammenleben

Tagsüber erfüllt das Katakomben Theater in Essen-Rüttenscheid Stille und Halbdunkel. Ich bin um die Mittagszeit gekommen und steige völlig allein die Treppen hinab in das Foyer des Theaters. An dessen Wänden hängt der Grund meines Besuches: Die Ausstellung „50 Jahre – 50 Karikaturen: Türken in Deutschland aus der Sicht deutscher Karikaturisten.“

Zusammengestellt wurden die Beiträge von Murat Erdogan, dem Direktor des Zentrums für Migration und Politikforschung an der Hacettepe Universität im türkischen Ankara. Er lebte jahrelang in Deutschland und war dort an verschiedenen Universitäten tätig. Seine Ausstellung soll interkulturellen Austausch und Annäherung fördern – vor allem nachdem einige Karikaturen zuletzt eher das Gegenteil bewirkt hatten. Etwa die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten, die bei vielen Muslimen Wut und Ablehnung ausgelöst hatten. Die bis zum 13. Mai in Essen ausgestellten Zeichnungen stammen von verschiedenen Karikaturisten und sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlicht worden. Aber alle reflektieren kritisch und humorvoll das Zusammenleben zwischen Türken und Deutschen, die Debatte über ihre Integration und vor allem die Art und Weise, wie diese Debatte geführt wird.

Im Girardethaus in Essen sind die Karikaturen noch bis zum 13. Mai zu sehen. (Foto: wikipedia; Teaserfoto: Lupo/pixelio)

Im Girardethaus in Essen sind die Karikaturen noch bis zum 13. Mai zu sehen. (Foto: wikipedia; Teaserfoto: Lupo/pixelio)

Kritik am Populismus

Und diese Art und Weise wird schon mal ordentlich auf die Schippe genommen, als übertrieben und populistisch dargestellt. So lässt Thomas Plaßmann in der Frankfurter Rundschau, eine Assistentin in das Büro eines Abgeordneten schauen und sagen, „Herr Abgeordneter, ich sollte Sie erinnern! …Sie haben sich heute noch nicht medienwirksam islamkritisch geäußert.“ Und bei Harm Bengen beim Traunsteiner Tageblatt antwortet der Zollbeamte auf die Frage eines dunkelhaarigen Mann mit Schnäuzer, wer denn jetzt über die Rechtmäßigkeit seiner Zuwanderung entscheide: „Heute ist glaube ich der Stammtisch in Altötting zuständig.“

Diese Karikaturen hängen unkommentiert an den Wänden des Foyers. Eine einzige Informationstafel zu Beginn zeigt die ausgestellten Karikaturisten. Mehr Information benötigt man aber eigentlich auch nicht. Die Ausstellungsstücke sprechen für sich, sind lediglich ergänzt durch Übersetzungen ins Englische und Türkische. Ab und zu muss für Besucher, die die deutsche Kultur nicht bis in ihre tiefsten Tiefen durchdrungen haben, auch mal etwas erklärt werden. Was für eine Schlüsselrolle Gartenzwerge in unserer gärtnerischen Identität einnehmen zum Beispiel.

Reflexion der schnelllebigen Öffentlichkeit

Bei einigen Arbeiten wünscht man sich allerdings ein paar erklärende Worte. Denn die Karikaturen kommentierten einmal das Tagesgeschehen in Deutschland und es fällt manchmal schwer sich an den damaligen Kontext zu erinnern. Wie äußerte sich Angela Merkel Ostern 2010 zum EU-Beitritt der Türkei? Die Zeichnung, die sie beim Eier bemalen mit dem türkischen Premierminister zeigt, legt zumindest nah, dass sie damals wie heute eine abwartend-ablehnende Haltung bei diesem Thema vertreten haben muss. Er malt die Europa-Flagge auf ein Ei, sie lediglich viele Fragezeichen.

Wenn man sich die Ausstellung ansieht, erinnert man sich aber wieder an viele vergangenen Themen des Tages, Debatten und Streitpunkte, die man beinahe vergessen hatte. Dabei wird bewusst, wie schnelllebig die öffentliche Auseinandersetzung mit ihnen ist. Die Sammlung macht aus den vielen Episoden ein Kontinuum und macht nachdenklich über die gleichbleibenden Grundprobleme, die hinter diesen Fragmenten stecken. Zum Beispiel die Gratwanderung zwischen Integration und Assimilation – zwischen interkulturellem Zusammenleben und Anpassung der Minderheit an die Mehrheitsbevölkerung. Oder populistischen Debatten, in denen über und nicht mit türkischstämmigen Menschen gesprochen wird. Und über Misstrauen gegenüber Fremden allgemein und dem Islam im Besonderen.

Der Besuch dieser kleinen Ausstellung im Theater unter dem Girardet-Haus lohnt sich deshalb. Nicht zuletzt, weil er ziemlich lustig ist – der Eintritt ist übrigens kostenlos.

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