Duell am Donnerstag: Dialekt schwätzen oder Hochdeutsch sprechen?

DAS DUELL - Vorlage

Während Studierende in Sprachkursen Mandarin und Arabisch büffeln, um sich in fernen Ländern verständigen zu können, stoßen sie teilweise schon wenige hundert Kilometer von zu Hause an die Grenze ihres sprachlichen Verständnisses. An vielen Orten in Deutschland gehören Dialekte noch immer fest zur regionalen Identität. Toll, findet die gebürtige Heidelbergerin Anjoulih Pawelka. Fürchterlich, sagt Claudia Wiggenbröker.

„De Dialekt isch des Salz innere Supp‘(Der Dialekt ist das Salz in der Suppe)
sagt Anjoulih Pawelka

 

Irgendwo in einem Café im Pott: Ich bestelle mit einen „Latte Magiato“. Die Kellnerin nimmt meine Bestellung auf und schaut mich dabei sehr interessiert an. Als sie schon fast am Tresen ist, dreht sie sich noch einmal um und steuert wieder auf mich zu. Sie fragt woher ich komme, mein Dialekt sei so außergewöhnlich. Wir plaudern ein wenig und zum Schluss kenne ich nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre Adresse und ihre Lieblingsfarbe. Schon oft habe ich auf Grund meiner Sprache nette Kontakte geschlossen.

Erlebnisse wie dieses zeigen mir, dass man seinen Dialekt nicht ablegen sollte. Er ist zentraler Bestandteil unserer Identität. Er zeigt nach außen, wo unsere Wurzeln liegen. Und auf die bin ich stolz. Di ghere zu mia un des konn ma doch a here, sagen wir zu Hause: Die gehören zu mir und die soll man auch hören können.

Dialekt ist Heimat

Für mich ist mein Dialekt ein Gefühl von Heimat. Do geht mia moi Herz uff. Des isch wie hoamkumme vun enere longe Reis, wenn I so schwätz. Donn sin alle Probleme fia en Augeblick vergesse un I fiehl mi wie sellemols, als I noch kloa wa. (Da geht mir mein Herz auf. Das ist wie heimkommen von einer langen Reise. Dann sind alle meine Probleme für einen Augenblick vergessen und ich fühle mich wie damals als ich klein war.) Mein Dialekt vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit, auf das ich nicht verzichten möchte.

Außerdem gibt es Studien, die beweisen, dass Dialekt die allgemeine Sprachfähigkeit von Kindern verbessert. Demnach trainieren Dialekt-Sprecher vor allem Auffassungsgabe und abstraktes Denken. Und das kann ja wohl wirklich nicht schaden.

Des mech I nadirlich nua in mom Städtl (Das mache ich natürlich nur in meiner Stadt)

Seine Sprechfärbung nicht zu verheimlichen hat darüber hinaus auch mit Natürlichkeit zu tun. An meinem Studienort Dortmund rede ich natürlich nicht so wie zu Hause im Süden und bemühe mich allgemeinverständlich zu sprechen. Aber Worte wie „haja“ und „des“, die fest zu meinem Sprachgebrauch gehören, fallen hier natürlich schon auf.

Aber auch die Klangmelodie meiner Stimme ist so ganz anders als im Pott. Das kann und will ich nicht abstellen. Warum? Weil es sich für mich richtig und natürlich anfühlt. Des bin i net, denke ich mir hingegen, wenn ich ein hartes „das“ sprechen muss.

Und überhaupt: Was Dialekt ist und was nicht, wurde doch im Laufe der Zeit völlig willkürlich festgelegt. In Deutschland gibt es dafür keine übergeordnete Entscheidungsinstanz. Dass das Hochdeutsch aus dem mitteldeutschen Raum zum Standard gemacht wurde, hat keine richtige Legitimation. Auch das war einst nur ein regionaler Dialekt. Und Sächsisch – heute einer der verspottetsten Dialekte des Landes – galt im 16. Jahrhundert noch in vielen Gegenenden als Standard.

Deshalb plädiere ich dafür: Losst uns schwätze wie uns de Schnawwel gwachse isch. Oder für die Nicht-Badenzer: Lasst uns sprechen wie uns der Schnabel gewachsen ist. 

Dialekte sind ein störendes Hindernis für unser Zusammenleben
sagt Claudia Wiggenbröker

 

Seit Jahrzehnten werden Schüler mit Englisch-Vokabeln gequält, damit sie sich überall auf der Welt verständigen können. Dabei sprechen wir nicht mal in Deutschland ein und dieselbe Sprache: Stattdessen gibt es viele Dialekte, die schon die Kommunikation zwischen den einzelnen Bundesländern schwierig machen.

Besonders schwer haben es Touristen und Geschäftsleute. Die lernen vor ihrem Besuch mühselig „unsere“ Sprache. Und können ihre Deutsch-Kenntnisse gar nicht gebrauchen, wenn sie in einer Region landen, in der ein Dialekt gesprochen wird. Ein Ausländer wird es dann kaum schaffen, mit einem Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Die Kommunikation wird erschwert, Sprachbarrieren entstehen. Barrieren, die gerade für internationale Geschäftsbeziehungen ein Hindernis sind. Genau diese Beziehungen brauchen wir aber, wenn wir die deutsche Wirtschaft stärken wollen.

Quelle vieler Vorurteile

Auch innerhalb Deutschlands stehen Dialekt-Sprecher vor beruflichen Problemen: Wer kann in NRW schon den Vortrag von einem Bayrisch sprechenden Referenten nachvollziehen? Welcher Geschäftsmann außerhalb des Schwabenlandes wird nicht ausgelacht, wenn er die letzten Quartalszahlen vor dem Firmenvorstand „vorschwäbelt“?

Viele Dialekte und ihre Sprecher haben dann auch noch mit Vorurteilen zu kämpfen: Der Schwabe gilt als unkommunikativ, der Bayer als gemütlich. Der Ostfriese muss Ostfriesen-Witze über sich ergehen lassen. Und die Sachsen haben ohnehin den unattraktivsten Dialekt. Ist die Sprache also auch ein Hindernis für Freundschaften und Beziehungen, wenn sie einen direkt ein bisschen weniger begehrenswert macht? Mit Sicherheit!

Chefs mögen keine Dialekte

Und wer hat nicht schon mal mit Dialektlern an einem Tisch gesessen und kein einziges Wort verstanden – obwohl da gerade angeblich Deutsch geredet wurde? Nicht gerade förderlich für ein „Wir“-Gefühl. Ein Land mit einer Sprache, die auch alle verstehen – so entstünde das Gefühl von einer Nation.

Nicht umsonst ist das „Austreiben“ von Dialekten zu einem florierenden Geschäft geworden: Zig Sprechtrainer und Institute in ganz Deutschland haben sich darauf spezialisiert, ihren Klienten den Dialekt abzugewöhnen. Vielleicht gibt es Dialekt-Sprecher, die stolz auf ihre Mundart sind und sich niemals zu einem Hochdeutsch-Kurs anmelden würden. Das bringt ihnen aber nichts: Jeder zweite Teilnehmer bei einem Hochdeutsch-Seminar wurde von seinem Chef dazu verdonnert.

 

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Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Ich-und-Du /pixelio.de

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