Vernetzt, verlinkt, verarscht

Instagram: Die Welt der perfekten Momente, prallen Muskeln und aufwendig in Szene gesetzten Cappuccinos. Hier muss niemand sehen, was er nicht auch sehen will. Jeder Nutzer erhält einen vom Algorithmus perfekt auf ihn zugeschneiderten Einblick in das Leben fremder Menschen. Zwar sieht jeder etwas anderes, weil jeder anders ist – und doch sind viele so gleich. Gleich beeinflussbar.

Dr. Josef Sawetz von der Universität Wien

Dr. Josef Sawetz ist Professor für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Er ist sich sicher, dass Instagram-Nutzer entweder Personen folgen, die ihnen ähnlich sind, oder aber potentiellen Vorbildern. Wenn also mehrere Tausend Menschen einer Person folgen, weil diese sie inspiriert oder sie sich in ihr wiederfinden, dann scheinen sich auch viele Instagram-Nutzer sehr zu ähneln. Und genau dort greift das sogenannte „Influencer Marketing“: Werbung durch Menschen, die Einfluss haben. „Junge und vor allem weibliche Nutzer sind da sehr offen. Sie prüfen Optionen für ihre Zukunft und lassen sich inspirieren und beeinflussen“, sagt Sawetz. Wer sich dann einmal für ein Produkt entschieden habe, beispielsweise ein iPhone, der bleibe in der Regel auch dabei.

Auch müsse gute Werbung immer Teil einer Geschichte werden, sagt der Hochschullehrer. Instagram ist so gesehen der perfekte Ort für gezielte Manipulation. Und was wünschen sich Firmen schließlich mehr, als junge Menschen über einen langen Zeitraum an ihre Produkte zu binden ?

Unternehmen wie beispielsweise der Versandhändler Otto haben das Potential der Plattform längst erkannt und sponsern gezielt Instagram-Nutzer, die viele Follower haben. Sie schicken ihnen gratis Produkte zu oder vereinbaren Verträge, in denen dezente Produktplatzierungen geregelt sind –gegen Bezahlung. Aus der Persönlichkeitspsychologie wisse man, dass Frauen eher dazu tendieren sich anderen anzuschließen, sagt Sawetz. „Frauen suchen Vernetzung und empfinden diese emotional positiver als Männer.“ Der Einfluss der Instagram-Stars auf andere Nutzerinnen sei daher enorm.

Tarnung ist essentiell

Hinter den mal mehr mal weniger auffällig ins Bild gehaltenen Markenprodukten steckt also eine ausgeklügelte Strategie. Die beste Wirkung erzielen Produktplatzierungen, die nicht gekennzeichnet sind. Sie fügen sich unauffällig in den Bilderstrom ein, sodass die Nutzer denken, dass der Instagram-Star das Produkt selbst entdeckt und gekauft habe. Der daraus folgende Gedanke: Was gut für mein Vorbild ist, kann auch gut für mich sein. Her damit! 

Foto: Julian Gutjahr

Julian Gutjahr alias @juli_gut22 hat auf Instagram fast 40 000 Follower. Die Fotos, die er postet, zeigen meistens ihn selbst: am Strand, im Hotel, mit schickem Anzug, Basecap oder neuer Sonnenbrille. „Ich finde es nicht schlimm, wenn Nutzer Werbung für Produkte machen, solange sie ihnen wirklich gefallen“, sagt der 20-jährige duale Student. Aufgrund seiner zahlreichen jungen Follower kommen mittlerweile Unternehmen auf ihn zu, die noch nicht allzu bekannt sind, wie zum Beispiel der Kopfhörer-Hersteller Suido Sweden oder das Lautsprecher-Unternehmen Magnat. „Diese Unternehmen haben tolle Produkte und fragen mich, ob ich sie ausprobieren möchte“, sagt Julian. Meist handele es sich dabei um eine mündliche Übereinkunft, dass er, wenn ihm ein Produkt gefalle, ein Foto hochlade. Es gebe aber auch schriftliche Vereinbarungen. Er finde es wichtig, solche geschenkten Produkte zu kennzeichnen, sagt er, egal ob als Text unter dem Foto oder mit einem Hashtag. „Ich lehne aber viele Anfragen ab und nehme mir auch nachdem ich das Produkt erhalten habe das Recht heraus, von neuem zu entscheiden, ob ich es poste.“

Kein Geld ohne Reichweite

Carolin von Karstedt arbeitet für Otto/otto.de

Eine der Firmen, die Instagram nutzen, um gezielt Werbung für ihre Produkte zu machen, ist der Versandhändler Otto. „Wir gehen oft monatliche Kooperationen mit Influencern ein. Diese werden mit Hilfe eines Vertrages vereinbart“, sagt Carolin von Karstedt, Abteilungsleiterin im Online Marketing bei Otto. In diesen Verträgen stehe zum Beispiel, dass Produkte mit den Hinweisen #ad oder #sponsored gekennzeichnet werden müssen. Ihrer Meinung nach können nur Personen die Marke verkörpern, die Outfits auch glaubwürdig rüberbringen. Die Influencer dürfen sich deswegen selbst Produkte aussuchen. „Gute Influencer schaffen es, Produkte nahbar, authentisch und auf ihre ganz individuelle Art und Weise zu präsentieren. Idealerweise erschießt sich durch die Follower eine neue Zielgruppe für Otto“, sagt von Karstadt. Eine gewisse Reichweite des Instagram-Stars sei immer Voraussetzung für eine Kooperation.

Foto: Diana Scholl

„Bullshit-freie-Zone“

Etwas mehr als 18 000 Follower hat mittlerweile Christoph Ulreich alias @grizztoph. Sein Profil fällt einerseits dadurch auf, dass der Sportler fast täglich ein Foto von Schokolade auf seinem Frühstücksbrei postet – andererseits dadurch, dass er stets ironisch Probleme des Alltags und der Plattform Instagram behandelt. Auch das Thema Sponsoring kommt immer wieder vor. Seit ein paar Monaten scherzt Christoph Ulreich zum Beispiel, dass er sich ein Sponsoring von Rittersport wünscht. Er hat diesem Wunscht schon viele Posts gewidmet – allerdings mit extrem sarkastischen Bildunterschriften. „Würde mir Milka jetzt Schokolade schicken und ich sage, dass ich von denen gesponsert werde, glaubt mir das wahrscheinlich keiner mehr“, sagt Ulreich.

Foto: Christoph Ulreich

Ein Grund für seine sarkastischen Posts sei, dass viele Inhalte auf Instagram für ihn einfach „Bullshit“ seien, sagt er. Zum Beispiel Entschlackungs-Tees: „Wissenschaftlich gesehen ist so ein Prozess im menschlichen Körper gar nicht möglich. Es wird durch die Bank die Naivität vieler Frauen ausgenutzt, um irgendwelchen Kram zu verkaufen“, sagt er. Professor Sawetz ist ähnlicher Meinung. Allein die Ähnlichkeit zum Ist-Selbst oder Soll-Selbst eines Nutzers sei handlungsanleitend. „Ich kann das Verhalten von Nutzern auf mich beziehen, und wenn diese mit ihrer Handlung Erfolg haben, dann kann ich damit vielleicht auch Erfolg haben.“ Diese Form der Werbung wirke wesentlich besser als Plakate oder Werbespots, denn solche machen deutlich: Achtung hier möchte dir jemand etwas verkaufen. Instagram sei undurchsichtiger – und nicht immer gut für den Nutzer. Ihm werden von vermeintlichen Vorbildern Dinge gezeigt, die er durch das Anpassungs-Motiv, das ihn von Natur aus leitet, auch haben möchte.  

Welche Profile hinter einigen TU-Studenten stecken und wie sie über Produktplatzierungen denken, haben wir in der folgenden Galerie zusammengetragen: 

 

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