Was könnte ein Frexit bedeuten?

Am Sonntag (7. Mai 2017) geht die Präsidentschaftswahl in Frankreich in die zweite und letzte Runde. Ein entscheidender Unterschied im Wahlprogramm der Kandidaten besteht in ihrer Einstellung gegenüber der Europäischen Union (EU): Während Macron ein Befürworter der EU ist, fordert Le Pen ein Referendum über den Austritt. Aber was würde ein Ausscheiden Frankreichs für die Europäische Union bedeuten?

Die Frage danach, warum Mitgliedsstaaten die EU verlassen wollen, ist nicht einfach zu beantworten. „Bei einem Beitritt sehe ich als Mitgliedsstaat die Vorteile die Nachteile überwiegen“, erklärt Daniele Saracino von dem Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, der sich mit der Europaforschung beschäftigt. Mitgliedsstaaten tendierten dann zu einem Austritt, wenn sie empfänden, dass ihre Interessen nicht mehr ausreichend umgesetzt werden, also die Nachteile der gemeinsamen Politik überwiegen.

Würde der Ausstieg Frankreichs das Ende der EU bedeuten?

Daniele Saracino befasst sich mit der Europaforschung Foto: Netzwerk Flüchtlingsforschung

Großbritannien sah diesen Zeitpunkt gekommen und hat für den Austritt aus der EU gestimmt. Nach dem Brexit waren die Zukunftsaussichten der Europäischen Union allerdings nicht so düster, wie sie nun im Zusammenhang mit dem Frexit zu hören sind. „Nach der noch immer nicht gelösten Eurokrise, der weiterhin schwelenden Flüchtlingskrise und dem Brexit, würde ein Frexit wohl das Aus der EU in seiner jetzigen Form bedeuten“, sagt Saracino. Frankreich sei zudem sehr viel mehr ein Symbol für die EU als Großbritannien, das der EU gegenüber immer skeptischer eingestellt war. Dominoeffekte seien so viel eher zu erwarten, meint er.

„Im Gegensatz zu Großbritannien war Frankreich ein Gründungsmitglied der EU“, erklärt Florian Engels, der ebenfalls am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn arbeitet. Sein Schwerpunkt liegt auf der Politik in Frankreich. Für ihn ist es nur schwer vorstellbar, dass die EU ohne Frankreich in der jetzigen oder einer ähnlichen Form weiter bestehen könne.

Welche Folgen könnte der Austritt Frankreichs für die Mitgliedsstaaten haben?

„Die EU wie wir sie heute kennen, würde aufhören zu existieren“, sagt Saracino ohne tiefer in die Glaskugel schauen zu wollen. Wirtschaftlich wäre der Schaden enorm, denn ein weiterer starker Beitragszahler würde ausfallen. Das bedeutet, dass die Europäische Union weniger Geld zum Beispiel für die Strukturpolitik aller Mitgliedsstaaten zur Verfügung hätte. „Zudem würde dann auch ein mögliches Zusammenbrechen der Wirtschafts- und Währungsunion Deutschland sehr hart treffen“, erklärt er. Deutschland habe schließlich wie kein anderes Land der Eurozone von der Union profitiert. „Für das Land wäre der Schaden unermesslich, da Frankreich der zweitgrößte Handelspartner nach den USA ist“, führt er an. Frankreich und Deutschland seien außerdem bei den wichtigen Etappen der europäischen Integration immer Hand in Hand gegangen. Politisch und wirtschaftlich wären die Folgen gravierend.

Mit dem Frexit stände der Grundgedanke der europäischen Integration, das heißt die immer engere Zusammenarbeit von europäischen Staaten bis hin zu einer europäischen Einigung, vor dem Aus. „Durch Frankreichs Austritt aus der EU würde das Projekt somit seine Kernidentität verlieren“, sagt Engels.

Wie wahrscheinlich ist der Austritt Frankreichs?

Florian Engels beschäftigt sich mit der Politik in Frankreich
Foto: Florian Engels

„Einen Frexit halte ich für äußerst unwahrscheinlich“, erklärt Engels. Selbst wenn Marine Le Pen die Wahl gewinnen und es zu einem Referendum über den EU-Austritt Frankreichs kommen sollte: Es sei unwahrscheinlich, dass sich in derfranzösischen Bevölkerung eine Mehrheit dafür finden ließe. Frankreich stehe mehrheitlich einem Austritt aus der Europäischen Union ablehnend gegenüber. „Wird, wie zu erwarten ist, Emmanuel Macron Präsident, ist das Thema Frexit sowieso erledigt“, sagt er.

 

Beitragsbild: flickr.com/Justus Blümer mit CC Lizenz

 

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