Jeder Deutsche wirft jährlich im Schnitt 82 Kilogramm Lebensmittel weg, obwohl das meiste davon noch genießbar wäre. Ernährungsminister Christian Schmidt will im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung das Mindesthaltbarkeitsdatum für einige Produkte abschaffen und auf den Ausbau des Verfallsdatums setzen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ein Kommentar.
Jeder Deutsche wirft zwei volle Einkaufswagen an Lebensmitteln im Wert von 235 Euro jährlich in die Tonne. Aufs ganze Land hochgerechnet ergibt das eine Summe von etwa 20 Milliarden Euro. Der Anteil der Privathaushalte an den gesamten Lebensmittelabfällen beträgt 61 Prozent. Diese alarmierenden Zahlen hat eine Untersuchung des Bundesernährungsministeriums aus dem Jahr 2012 ergeben. Gewaltige und zugleich alarmierende Zahlen, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Großteil der Nahrungsmittel noch hätte verzehrt werden können. Die nackten Fakten zeigen, dass es an der Zeit ist, dass dieser Trend gestoppt wird. Allen Beteiligten, von den Herstellern bis zu den Verbrauchern, muss vor Augen geführt werden, dass eine hohe Lebensmittelverschwendung für niemanden gut ist.
Auch Ernährungsminister Christian Schmidt hat erkannt, dass man den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung aufnehmen muss. Der CSU-Politiker schlägt zwei Lösungsansätze vor: Zum einen soll bei Lebensmitteln, die lang haltbar sind, wie Nudeln, Reis und Mehl, das Mindesthaltbarkeitsdatum abgeschafft werden und lediglich ein Herstellungsdatum genannt werden. Zum anderen soll auf empfindlichen Lebensmitteln das bereits existierende Verfallsdatum ausgebaut werden.
Gute Idee – aber mit entscheidendem Haken: Viele Verbraucher fragen sich, was die ganzen Fachausdrücke eigentlich besagen und fühlen sich überfordert. Laut einer Umfrage der Europäischen Kommission wünschen sich 49% der EU-Bürger und 38% der Deutschen bessere und eindeutigere Informationen zur Bedeutung der Begriffe Mindesthaltbarkeitsdatum und Verfallsfatum auf der Lebensmitteletikettierung. Es ist niemandem geholfen, wenn die Ansätze von Schmidt umgesetzt werden, die Verbraucher damit aber auf den ersten Blick nichts anfangen können. Zuallererst ist vor allem eins wichtig: Die Aufklärung der Verbraucher.
Eins hat der CSU-Politiker aber jetzt schon geschafft: Mit seinen Vorschlägen ist die Diskussion um eine zu hohe Lebensmittelverschwendung für ein weiteres Mal neu entfacht und wieder in die Öffentlichkeit gerückt worden. Bis das Ziel des Ernährungsministers, die Nahrungsmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren, erreicht ist, muss allerdings noch an vielen Stellen geschraubt werden. Denn nicht nur die Ersetzung des Mindesthaltbarkeitsdatums durch das Verfallsdatum ist ein Schritt gegen Verschwendung.Vielmehr bedarf es auch nach anderen Lösungen.
Vor allem im Hinblick darauf, dass die meisten Lebensmittel, die im Müll landen, Obst, Gemüse und Brot sind, für die es gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum oder Verfallsdatum gibt. Es muss vor allem das Bewusstsein der Verbraucher gefördert werden. Ein Apfel oder eine Nektarine gehören noch lange nicht in den Müll, nur weil sich das Obst an kleinen Stellen braun verfärbt hat. Sie sind auch dann noch genießbar. Um das Bewusstsein der Verbraucher zu ändern, darf nicht immerzu mit perfekten Produkten geworben werden. Sondern durch Informationen und realitätsnäherer Werbung muss die Toleranzschwelle der Konsumenten gehoben werden. Erst dann kann der zu hohen Lebensmittelverschwendung richtig der Kampf angesagt werden.