Die Jagd nach dem Riesen

Foto: Lina Wiggeshoff

Rasen mähen, Hecken schneiden, Gemüse ernten: Voller Einsatz wird von Kevin Everts jeden Tag gefordert. Zusammen mit acht anderen jungen Menschen absolviert der 21-Jährige zurzeit ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Station Natur und Umwelt in Wuppertal. Dabei bekommt er nicht nur jeden Tag eine Menge frische Luft ab, sondern er lernt auch viel über seine Heimat, Verantwortung und über gefährliche Pflanzenarten.

Vorsichtig und dennoch mit ganzer Kraft sticht Kevin Everts mit seinem Spaten tief in die Erde hinein. Immer und immer wieder, bis die unterste Wurzel der Pflanze erreicht ist und der gut drei Meter hohe Riesenbärenklau sich seinem Schicksal beugt und auf die Erde fällt. Für Kevin steht heute zusammen mit Frederic und Phil, die ebenfalls seit dem 1. August ein FÖJ absolvieren, die Vernichtung des gefürchteten Riesenbärenklaus auf dem Plan.

Arbeitsbeginn ist wie jeden Tag um sieben Uhr in der Früh. Wenn nicht der Riesenbärenklau ruft, kümmert sich Kevin um die Instandhaltung der Station Natur und Umwelt. Das heißt unter anderem sähen, ernten und mähen. Auch Papierkorb- und Nistkastentouren gehören zu seinen Aufgaben. Dafür fährt er durch ganz Wuppertal und verbringt so auch viel Zeit außerhalb der Station.

Ich bin kein Mensch, der drei Wochen nur auf der Station bleiben kann, da gehe ich sonst irgendwann ein.

Bevor es zur heutigen Arbeitsaufgabe, der Vernichtung des Riesenbärenklaus, geht, heißt es erst einmal umziehen: Rein in die lange Matschhose, Arbeitsschuhe an und schnell noch nach den Handschuhen und dem Spaten greifen. Dann geht’s auch schon durch den prasselnden Regen zum Auto. Eigentlich kein schönes Wetter, um in die Natur zu fahren. Doch Kevin sieht das anders. Er freut sich über die dicken Regentropfen, denn durch sie bleibt ihm eine Ganzkörperschutzkleidung erspart.

Wenn die Sonne scheint müssen wir lange Sachen und eine Schutzbrille tragen, da dann der Riesenbärenklau noch gefährlicher ist.

Die drei machen sich an die Arbeit. Foto: Lina Wiggeshoff

Die Drei machen sich an die Arbeit.

Auf dem Weg durch das Gelpetal steuert Kevin das geländefähige Auto auf den schmalen und holprigen Wegen. Phil gibt ihm an engen Stellen von außen Fahranweisungen und Frederic hält mit Adleraugen Ausschau nach Riesenbärenklau, der hoch aus der Erde ragt. Auf ihren Touren sind die FÖJler meist auf sich allein gestellt. Kevin sieht das entgegengebrachte Vertrauen der Betreuer als Chance. Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, ist eine Sache die Kevin am FÖJ besonders schätzt. 

Nach ein paar Minuten hat Frederic den ersten Riesenbärenklau entdeckt. Kevin tritt auf die Bremse und parkt das Auto an den Rand des Gehwegs. Schnell werden die Handschuhe angezogen und die Spaten aus dem Kofferraum geholt. Während Frederic und Phil bereits Riesenbärenklau aus der Erde holen und ihn in kleine Stücke zerteilen, entdeckt Kevin ein besonders großes Exemplar. Bei diesem muss er vor dem Fällen eine Plastiktüte über die Blüte stülpen, da diese bereits sehr ausgewachsen ist. Ohne die Tüte könnten die Samen auf den Boden herunterfallen und die Pflanze sich weiter verbreiten.

Eine Plastiktüte schützt vor dem Herunterfallen der Samen. Foto: Lina Wiggeshoff

Eine Plastiktüte schützt vor dem Herunterfallen der Samen.

Nicht nur solche Tricks hat Kevin im Laufe seines FÖJs gelernt. Durch die vielen Touren im Wald hat sich auch seine Einstellung zur Umwelt geändert. 

Ich habe mir zwar nicht viel Fachwissen angeeignet, aber ich habe ein Gespür für die Natur bekommen und denke, dass das auch wichtiger ist.

Nachdem der Riesenbärenklau beseitigt ist, geht es nass geschwitzt zurück ins Auto und mit Blick auf die Uhr genehmigen sich die Jungs erstmal ein Frühstück. Frisch gestärkt geht es weiter durch den Wald. Vor seinem FÖJ kannte sich der gebürtige Wuppertaler in den heimischen Waldgebieten noch nicht so gut aus. Mittlerweile weiß Kevin ganz genau wo er herfahren muss. 

Der "Minibärenklau". Foto: Lina Wiggeshoff

Der „Minibärenklau“.

Beim zweiten Stopp müssen die Jungs schon genauer hinsehen. Im Vergleich zum vorherigen Exemplar, ragt dieses Mal der Riesenbärenklau nur klitzeklein aus der Erde raus. Aber auch in diesem Stadium ist es wichtig, dass die Pflanzen beseitigt werden, damit sie erst gar nicht größer werden.

 

 

Zehn Fakten über den Riesenbärenklau
  1. Der Riesenbärenklau wird auch Bärenkralle, Herkulesstaude oder Herkuleskraut genannt.
  2. Der aus dem Kaukasus stammende Riesenbärenklau wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Zierpflanze in Europa eingeführt.
  3. Der Riesenbärenklau kommt häufig an Flüssen und Bächen, auf Brachland und an Wegesrändern vor. Er findet aber auch manchmal seinen Weg in den Garten.
  4. Die Pflanze bildet photosensibilisierende Substanzen aus der Gruppe der Furocumarine, die in Kombination mit Sonnenlicht phototoxisch wirken. Die Giftstoffe setzen den natürlichen UV-Schutz der Haut außer Kraft.
  5. Kommt man mit dem Saft der Pflanze bei Sonneneinstrahlung in Kontakt, so sind Verbrennungen der Haut, sowie Juckreiz,Rötungen und die Bildung von Blasen die Folge. Bei empfindlichen Personen oder Allergikern kann der Kontakt mit der Pflanze zu Fieber, Schweißausbrüchen oder Atemnot führen.
  6. Die durch den Riesenbärenklau verursachten Verletzungen heilen nur sehr langsam ab und können Narben hinterlassen.
  7. Um den Verletzungen aus dem Weg zu gehen, sollte man beim Entfernen der Pflanze Schutzkleidung tragen und die Bekämpfungsmaßnahmen am besten bei bedecktem Himmel oder abends durchführen. Hauptsache die Sonne scheint nicht.
  8. Jede Pflanze bildet zwischen 10.000 und 30.000 Samen aus, die über mehrere Tage schwimmfähig sind und so große Distanzen zurücklegen können.
  9. Der Stengel hat an seiner Basis einen Durchmesser von zwei bis zehn Zentimetern und besitzt oft zahlreichedunkle oder weinrote Flecken. Die Pflanze kann insgesamt bis zu vier Metern hoch werden.
  10. Der Riesenbärenklau wurde 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

Kurz bevor die Jungs sich zurück auf den Weg machen, findet Kevin noch eine Blindschleiche auf dem Boden. Nach kurzem Bestaunen wird die kleine Echse wieder in die Freiheit entlassen. Bei seinen Touren durch den Wald hat der 21-Jährige schon so einige Entdeckungen gemacht.

Kevin präsentiert seinen Fund: Eine Blindschleiche. Foto: Lina Wiggeshoff

Kevin präsentiert seinen Fund: Eine Blindschleiche.

Letztes Mal habe ich ein Rehkitz gesehen. Das lag auf der Wiese und hat sich nicht bewegt, weil es solche Angst hatte.

Nach diesem Pfund geht es zur Station zurück. Dort wartet schon Peter Noltze, der Betreuer der FÖJler, mit der nächsten Aufgabe für die drei: Die Hecken müssen geschnitten und der Rasen gemäht werden. „Es gibt immer was zu tun, Langeweile kommt da nicht auf“, sagt Kevin auch noch nach fast einem Jahr. Nach dem FÖJ macht er ab August bei der Stadt Wuppertal eine Ausbildung zum Informatiker. Doch jetzt schnappt sich Kevin erstmal den Rasenmäher.

 

Autoren: Anne Schubert und Lina Wiggeshoff

Fotos: Lina Wiggeshoff

 

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