Duell zur WM: Geht der Fanartikel-Wahn zu weit?

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Tröten, Fahnen, Schnuller, Rasseln. Zur WM gibt es praktisch alles mit Fußbällen drauf. Spätestens seit dem Sommermärchen 2006 ist Deutschland alle zwei Jahre komplett in schwarz-rot-gold gekleidet. Die Industrie kann mit den Verkäufen von WM-Zubehör ein Riesengeschäft machen. Ist dieser „Fußball-Gadget-Wahn“ übertrieben? Darüber streiten sich heute Valerie Krall und Anjoulih Pawelka.

 

Nein!

Einmal in vier Jahren findet das größte Sportturnier der Welt statt. Einmal in vier Jahren dreht sich auf der ganzen Welt alles nur um Fußball. Deswegen sollten wir einmal in vier Jahren auch das Recht haben, unser Fußballfieber richtig auszuleben.

WM-Gadgets steigern die Vorfreude

Schon Wochen vor Anpfiff der WM kommen die Menschen langsam in Fußballstimmung. Zum Vatertag hat sich mein Vater riesig über sein Deutschland-Fahrradset gefreut und fährt seitdem fröhlich mit Fähnchen, Klingel und Flaschenhalter in schwarz-rot-gold durch die Gegend. Mein Bruder hat zwei Wochen vor dem Eröffnungsspiel ein WM-Paket zum Geburtstag bekommen. Eine schwarz-rot-goldene Brille, eine Klapper, eine Rassel und eine Tröte. Obwohl er seitdem ständig nervtötend durch die Gegend trötet, macht es irgendwie Spaß. Und die Vorfreude steigt. 

Auch wir dürfen mal stolz sein

In Deutschland ist das mit dem Nationalstolz ja so eine Sache. Denn so gut wie niemand, der heute mit Tröte und Rassel beim Public Viewing steht, hat die NS-Zeit und den zweiten Weltkrieg miterlebt. Trotzdem wird in Deutschland immer noch sehr genau auf alles geschaut, was in irgendeiner Weise mit Nationalstolz zu tun hat. Die WM 2006 in Deutschland hat da schon ein bisschen was verändert. Deutsche Flaggen im Garten oder an Autos sieht man trotzdem so gut wie nie, wenn nicht gerade WM oder EM ist. Das ist in anderen Ländern ganz anders. Bis sich der verkrampfte Umgang mit dem Vaterlandsgefühl wieder lockert, wird es wohl noch einige Jahre dauern. Aber bei der Weltmeisterschaft geht es um das Zusammenstehen hinter einer Fußballmannschaft und die Freude am Sport. Da sollte sich niemand schuldig fühlen, wenn er eine Deutschlandflagge schwenkt. Während der WM werden alle Bundesliga-Rivalitäten vergessen und jeder jubelt für Deutschland! Dieser Zusammenhalt macht unglaublich viel Spaß und zeigt auch, dass man trotz einer dunklen Vergangenheit wieder ein positives Verhältnis zu seinem Vaterland herstellen kann.

Kaufen oder nicht kaufen? Das ist hier die Frage

Andere mögen sich über den „WM-Gadget-Wahn“ beschweren – ich freue mich jedes Mal, wenn ich tanzende Fanhüte, Fußball-Toilettenpapier oder Kontaktlinsen in schwarz-rot-gold sehe. Die Kreativität der Hersteller kennt keine Grenzen. Und natürlich braucht man all diese Sachen nicht – aber sie erhöhen den Fußballspaß um einiges. Dass die Geschäfte den Fußballwahn dieser vier Wochen ausnutzen, ist meiner Meinung nach völlig legitim. Denn ob man dafür Geld aus gibt oder nicht, kann ja jeder selbst entscheiden.

 

Ja!

Ich mag es, wenn Menschen sich für Dinge und Ereignisse begeistern können. Natürlich ist so eine WM ein super Anlass, mal wieder auf etwas richtig hinzufiebern, und die Emotionen loszuwerden, die sich über die letzten vier Jahre angesammelt haben. Aber alles hat seine Grenzen! Und diese Grenzen sind definitiv bei Fanartikeln erreicht. 

Einkauf in Schwarz-Rot-Gold 

Es ist egal, wohin ich gehe: Überall werde ich von unnützen Dingen in den Landesfarben belästigt. Wie verrückt dieses ganze Geschäft ist, lässt sich super anhand eines Einkaufes zeigen. Zuerst muss ich zum Lebensmittelgeschäft. Im Laden mache ich Bekanntschaft mit den Nationalspielern. Sie lächeln mich von Getränkedosen an, auf denen ihr Name steht. Alles schön in Folie in Deutschlandfarben eingeschweißt. Warum?

Während ich darüber noch grübele, fragt mich die nette Dame an der Kasse, ob ich gerne Sammelkarten hätte. Unser Planet hat schon mit genügend Müll zu kämpfen, da braucht es keine Fanartikel, die nach vier Wochen in der Tonne landen. Denn sind wir mal ehrlich: Niemand hebt Sammelkarten auf, die nicht einmal aktuell sind. Ich sage nur Mario Gomez…

Fanliebe beim Discounter 

Nun aber weiter. Beim Discounter werde ich förmlich erschlagen von so viel Deutschlandliebe. Welchen Mehrwert hat eine Armbanduhr in Schwarz-Rot-Gold? Die ganzen Artikel sind nicht auf Langlebigkeit ausgelegt. Nach Abpfiff ist auch die Uhr kaputt. Da kann man das Geld in nützlichere Dinge investieren. Völlig sinnlos ist allerdings die Unterhose mit Deutschlandfahne und Schrift. Die sieht doch keiner! Höchstens die leckere Bekanntschaft vom Public Viewing, die noch auf einen Kaffee hochkommt. Wenn Mr. „X“ sich also während des Betretens meiner Wohnung und dem Weg in die Horizontale fragt: „Was ist die denn eigentlich für ein Fußballfan?“, dann braucht er nicht mehr reden, sondern schaut einfach auf meine Unterhose. Ich muss ihm also nur noch irgendwie erklären, dass die Lösung im Verborgenen steht. 

Grüße von Dante 

So, jetzt nur noch schnell zu einem großen Elektromarkt, denn ich bin ja nicht blöd. Am Eingang bekomme ich erst mal einen Schreck. Da schaut mich ein Papp-Dante an und möchte mir eine 4-in-1-Trommel anbieten. Ich wiederstehe Papp-Dantes Charme. Fünf Meter weiter häufen sich die schon zur WM 2006 äußerst beliebten Außenspiegel-Fahnen. Jetzt allerdings weiterentwickelt und auch als Kofferraum-Fahne einsetzbar. Wie gefährlich dieser Autoschmuck sein kann, ist hinlänglich bekannt. An der Kasse angekommen, bin ich völlig fertig von so viel Fußball-Liebe. Eigentlich wollte ich doch nur eine Kamera kaufen. Jetzt habe ich zwei Deutschland-Trommeln und zwei Autospiegel-Fahnen – beides gab’s gratis dazu. Wer also Interesse hat, der melde sich – ich lege noch Fußballsticker drauf.

das-duell-feeder 

Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: -Her…\ flickr.com

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