Duell am Donnerstag: die Relegation – unfair oder unterhaltsam?

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Die Relegation elektrisiert die Fußballfans nach der abgelaufenen Spielzeit ein letztes Mal – doch sie polarisiert auch. Ein Spektakel, das manche als schlicht unterhaltend und andere als unfair erachten. Wir haben das Pro und Contra der Relegation zusammengestellt.

„Belohnt die Leistung der Saison nicht“,

findet Anne Kliem

Meine Freundin ist HSV-Fan. Brennender HSV-Fan. Ich entschuldige mich schon vorab bei Dir. Am Montagabend – nach dem Relegationsspiel des Karlsruher SC gegen den Bundesliga-Dino HSV – habe ich den Fernseher mit einem Grummeln und mit dem Gedanken „Irgendwie ist dieses Relegationsspektakel unfair“ ausgeschaltet.

Auch drei Tage nach dem Spiel und einigen Begegnungen mit meiner glückseligen Freundin im HSV-Schal ist mir der Gedanke im Kopf geblieben. Es kann nicht sein, dass eine Mannschaft, die eine ganze Saison toll in der zweiten Liga gespielt, etliche Spiele gewonnen und den Torschützenkönig gestellt hat, am Ende um einen vollkommen verdienten Aufstieg gebracht wird – von einer Mannschaft, die eine Saison lang schlecht gespielt hat. Von einer Mannschaft, in der Spieler mit Millionenverträgen, aber ohne Herzblut nicht zueinander gefunden haben – mit Ausnahme dieses einen Spiels.

Abstieg als Chance

Für einen brennenden Fußballfan mag es herzlos wirken, aber ein Abstieg muss für die schlechtesten Mannschaften einer Saison auch als Chance begriffen werden. Für einen Verein ist der Abstieg – wie kein anderer Einschnitt – das Signal, dass Reformen in den Vereinsstrukturen an der Zeit sind.

Nach Abstiegen wurden in der Vergangenheit immer wieder auch die Ebenen der Vereinsstruktur durchdacht und erneuert, die über das Trainerkarussell und den Spielertransfer hinausgehen.

Mit dem Ergebnis, dass Vereine, die lange Zeit im Tabellenkeller Jahr für Jahr um den Abstieg kämpfen, über kurz oder lang von dem Abstieg profitieren – in dem sie in der tieferen Liga oben mitspielen, Selbstbewusstsein tanken und oftmals nach wenigen Saisons gestärkt aufsteigen. Diese Chance, sich neu zu ordnen – hat die Relegation beispielsweise dem HSV in dieser Saison verwährt.

Wenn die Nerven durchbrennen

In Anbetracht der Diskussionen um Krawalle und Fangewalt halte ich es für höchst bedenklich, die geballte Emotion und Aggression um Aufstieg oder Abstieg in zwei unmittelbaren Aufeinandertreffen zu bündeln. Einen traurigen Beweis dafür, dass in den Fanlagern bei Relegationsspielen die Nerven durchbrennen, lieferte das Spiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC im Jahr 2012. Dieses Video erinnert an das Chaos. Das muss nicht sein.

Während die Relegation in den mehrgleisigen Regionalligen das Problem des  Übergangs in die eingleisige dritte Liga löst, lässt sie sich in den höheren Ligen rational nur mit wirtschaftlichen Argumenten rechtfertigen. Nach Ende der Saison ist die gesamte Sportaufmerksamkeit noch ein letztes Mal auf den Fußball gerichtet.

Das bringt Fernsehgelder, Eintrittsgelder und zusätzliche Werbeeinnahmen. Die Relegation passt in die heutige Zeit, in eine Zeit des zunehmend kommerzialisierten Sports. Emotional lässt sie sich jedoch kaum begründen. Und wovon lebt Fußball und das Fan-Sein wenn nicht von Emotionen?

„Die Relegation ist Unterhaltung pur“,

findet Christopher Stolz

In erster Linie ist die Relegation ein Spektakel, das nach dem letzten Spieltag der regulären Spielzeit noch einmal die ganze Aufmerksamkeit auf den Fußball lenkt. Und genauso ist es auch gedacht. Fußball-Deutschland steht auf satte Vollgas-Veranstaltungen. 180 Minuten plus, in denen es für die Vereine oft um nichts weniger als die nackte Existenz geht – für den Zuschauer bedeutet das Unterhaltung pur.

Nicht zuletzt am Beispiel des Hamburger SV ist zu sehen, dass die Relegation in einer zeitweise leblosen Mannschaft neue Geister weckt. Genau das macht den Fußball aus. Es wird bis zur letzten Minuten – sogar bis in die Verlängerung der Verlängerung – gekämpft und geackert. Bis zum Umfallen. Ein echter Showdown eben, ganz zur Freude des Fußballfans. Egal ob parteiisch oder nicht, sitzen einige Millionen Menschen für diese Spiele vor dem Fernseher. Quoten, die weder die Bundesligisten, geschweige denn die Regionalligisten sich in der laufenden Saison erträumen können.

Wichtiger finanzieller Faktor

Quoten sind auch immer verbunden mit Fernsehgeldern, die an diesen beiden Austragungstagen zu Hauf an die beiden Vereine fließen. Für die oft klammen Vereine kein zu vernachlässigender Faktor. Besonders rentiert sich die Relegation allerdings bei den Eintrittsgeldern. Dies ist vor allem für den höherklassigen Verein in der Relegation ein extrem wichtiger Faktor.

Hier ist der diesjährige Erstligist HSV ein gutes Beispiel: Selten war der Hamburger Fußball-Tempel in der vergangenen Saison ausverkauft – im Abstiegskampf nicht ungewöhnlich. Auch wenn die Relegation zwei Entscheidungsspiele mit ungewissem Ausgang sind und ein Abstieg mittelfristig große finanzielle Einbußen bedeuten würden, so ist das Stadion noch einmal rappelvoll.

Der Karlsruher SC, Relegationsgegner des HSV, hatte im Aufstiegsrennen keine großen Probleme „die Hütte“ vollzukriegen. Dennoch ist auch für sie eine volle Stadionkasse vorprogrammiert.

Möglichkeit um „auszumisten“

Abgesehen von fantypischen und finanziellen Aspekten, lässt sich mit der Relegation im Fußball auch ein praktisches Problem lösen. Denn anders als im eingleisigen Profibereich, wo ein Erstligist auf einen Zweitligisten und ein Zweitligist auf einen Drittligisten treffen, gibt es im Amateurbereich eine fünfgleisige Regionalliga. Und da es keine fünf Aufsteiger geben kann, ist das Relegationssystem hier eine praktische Möglichkeit „auszumisten“.

So qualifizieren sich jeweils die Meister der Regionalligen Nord, West, Ost, Süd und Südwest sowie ein Vizemeister für die Aufstiegsrelegation in die 3. Liga. In drei Duellen werden hier in Hin- und Rückspiel die Aufsteiger ausgespielt. Und auch hier greifen natürlich die bereits erwähnten Aspekte: Showdown zieht Massen an, Massen bringen Geld.

Es ist also festzuhalten, dass die Relegation Unterhaltung vorprogrammiert. Und Unterhaltung, bis hin zum Spektakel, ist nie schlecht für den Sport. Für die Vereine kommt dann noch der finanzielle Vorteil dazu, der sich durch die Mehreinnahmen ergibt. Alles in allem also eine Win-Win-Situation für Zuschauer und Akteure.

 

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Kotte/Schweigmann 
Teaserfoto: Maxxl2/Wikimedia Commons

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