Wo sonst für Geschäfte oder Veranstaltungen geworben wird, konnten Fußgänger dieses Wochenende virtuelle Helden beobachten. In zwei Schaufenstern der Bochumer U-Bahnstation Schauspielhaus zogen für rund 30 Stunden sechs Schreibtische, sechs Computer, sechs Videogamer und reichlich Snackfood ein.

"Isolated Heroes": Für eine Installation von Eric Schwarzer zogen Videogamer in ein Schaufenster - zum Dauerzocken. Foto: privat
Zwei Schaufenster der Bochumer U-Bahnstation Schauspielhaus hatten die Spschwaieler für zwei Tage umfunktioniert. Stuhl an Stuhl verbrachten sie ihr Wochenende hier dich hinter den Glasscheiben. Viel Platz für Luxus bot die Ausstellungsfläche dabei nicht. Die eigentliche Aktion fand aber eh auf den Bildschirmen statt: Stundenlang kämpften die Jungs in Spielen wie World of Warcraft oder Battle Combat um Sieg oder Niederlage. Und das unter den Augen der Öffentlichkeit.
Wer zockt ist wenig heldenhaft
Hinter der Aktion steckte Erik Schwarzer. Er schaffte hier im Rahmen seiner Modulabschlussprüfung eine Installation im öffentlichen Raum mit performativem Charakter. Sein Thema: Heldentum. Aber die sechs Gamer seiner Installation, die sich das Wochenende dem Non-Stop-Videospielen widmeten, sind sicher keine Helden im üblichen Sinne. Im Gegenteil: „Die Spieler werden zu Anti-Helden“, erklärt Erik. Denn sie identifizieren sich vollständig mit den virtuellen Helden und den geben sich dermaßen dem Spielen hin, dass sie dabei die reale Welt ausblenden. Erik findet das wenig heldenhaft. Und genau das macht die Idee seiner Installation aus. Es geht um die Darstellung des Kontrasts zwischen „Held im Spiel und gleichzeitig Anti-Held im Leben“.

PC-Spiele können süchtig machen: Auch die drei Zocker saßen gebannt vor ihren Bildschirmen. Essen und Trinken mussten nebenbei stattfinden.
Um diesen Gegensatz zu verstärken hat sich Erik Schwarzer bewusst für den U-Bahnhof am Bochumer Schauspielhaus als Kulisse für seine Installation entschieden: Der Bahnhof ist belebt und steht symbolisch für kulturelles Interesse. Erik erhoffte sich so einige interessante Reaktionen der Menschen, die die Gamer beim Überlebenskampf ihres digitalen Helden beobachten konnten. “Viel Bewegung oder Kommunikation außerhalb der Bildschirme wird es aber nicht geben“, ahnte Erik schon vorher. Wenn die U-Bahnfahrer auf dem Rückweg vom Theater oder des Bermudadreiecks erneut an den Schaufenstern vorbei kommen, werden sie die Spieler fast unverändert immer noch vor den Bildschirmen vorfinden. Als stände die Zeit still hinter der Glasscheibe.
Computerspiele sind mit Suchtfaktoren gespickt
„Es ist die Darstellung von Alltäglichem, nur in extrem.“, erklärt Erik. Es ist die Performance eines Szenarios, welches täglich in vielen deutschen Haushalten stattfindet. Die Zahl derer, die ihr Leben fast ausschließlich in einer fiktiven Welt als „Helden des Spiels“ gestalten, steigt von Jahr zu Jahr an. Marius Paus, einer der sechs Akteure der „Isolated Heroes“, kennt die Gefahr in virtuellen Welten komplett zu versinken. Vor ein paar Jahren verbrachte der mittlerweile 19-jährige auch jeden Tag um die 5 Stunden als digitaler Held in Computerwelten. „Viele Spiele sind auf Suchtfaktoren programmiert“, berichtet Marius, „Man will sich ständig steigern, auch um den Leistungsdruck der Gruppe gerecht zu werden.“
Die isolierten Helden leben in einer Art Subkultur, die vielen Menschen völlig fremd ist. Obwohl Erik nie selbst diese Erfahrung gemacht hat, wollte er das Szenario, was sich sonst hinter verschlossenen Türen abspielt, in den öffentlichen Raum tragen. Die direkte Gegenüberstelllung von Theaterbesuchern und den Spielern sollte Spannung erzeugen. Die Performance sollte ein Gefühl der Isolation und der Hingabe zur virtuellen Macht vermitteln. Gleichzeitigt ging es Erik auch darum zu zeigen, was es aus einer neuen Perspektive bedeuten kann, ein Held zu sein.

Interaktion erwünscht: Eric Schwarzers Installation zielte darauf ab, dass sich Fußgänger mit den Spielern im Schaufenster auseinandersetzen.
Härtetest bei eiskalten Temperaturen
Um diese Perspektive möglichst vielen Menschen aufzuzeigen, wollte Erik von Freitag bis Samstagnacht mit den anderen Gamern durchzocken. Allerdings machten ihnen die eiskalten Temperaturen im Bahnhof ganz schön zu schaffen. Mit diesen hatten die Spieler nämlich nicht gerechnet. Und einen Platz für eine Heizung gab es im Schaufenster auch nicht. So wurde die Aktion kurzer Hand vier Stunden früher, also schon Samstagabend um 20 Uhr, beendet.
1 Comment