Ist etwa der neueste Trend an euch vorbeigegangen? Faustball ist in der Bundesrepublik die bekannteste Sportart – der Turnspiele. 35.000 Leute spielen es, Deutschland ist unangefochtener Rekordweltmeister und in der österreichischen Liga gibt es sogar Faustballprofis.

Nicht immer nur Vollgas - auch ein Ball kurz hinter die Schnur kann beim Faustball zum Erfolg führen. Foto: Michael Prieler
Aber ihr habt noch nie davon gehört? Kein Wunder: „Das Ruhrgebiet ist sozusagen ein weißer Fleck auf der Faustballkarte“, erklärt Dirk Schachtsiek, Abteilungsleiter des deutschen Faustball-Rekordmeisters TSV Hagen und gleichzeitig Vize-Präsident der Deutschen Faustball-Liga (DFBL). Aber mit dieser Unwissenheit soll nun Schluss sein! Die pflichtlektüre hat eine Trainingseinheit auf dem Faustballfeld absolviert und sagt euch, was es mit dieser Sportart auf sich hat.
Schon die Handfläche zählt als Fehler
Das Faustballfeld erinnert ein wenig an ein überdimensionales Volleyballfeld. Im Freien ist es 50 Meter lang und 20 Meter breit, in der Halle etwas kürzer. Eine Schnur in bis zu zwei Metern Höhe teilt das Spielfeld in zwei Hälften. Ziel des Spiels ist es, wie könnte es anders sein, den Ball mit der Faust so über die Schnur und anschließend ins gegnerische Feld zu wuchten, dass er für das gegnerische Team unerreichbar bleibt.
Alles verstanden soweit? Wenn nicht, hier ein Beispiel für Faustball in Perfektion:
„Was Faustball eben auch einzigartig macht, ist, dass man es das ganze Jahr über spielen kann“, sagt Schachtsiek, während er die Hagener A-Jugend Angriffsschläge üben lässt. Von Oktober bis Mai sind die Faustballer in der Halle, in den restlichen Monaten spielen sie im Freien – auf Rasen. Und das bei allen Witterungsbedingungen. Für Regen gibt es spezielle Bälle, die das Wasser nicht so stark aufsaugen.
Anfänger erkennt man an den blauen Flecken
Der gewöhnliche Faustball ist, was Druck, Umfang und Gewicht angeht, in etwa mit einem Fußball zu vergleichen. Da ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Faustballer das Spielfeld in langärmligen Trikots betreten. Zum einen ist es natürlich alles andere als angenehm die bis zu 120 km/h schnellen Angriffsbälle mit der nackten Haut abzuwehren. Rötungen und blaue Flecken am Unterarm sind vor allem bei Anfängern an der Tagesordnung. Zum anderen lässt es sich in den „Philipp-Lahm-Gedächtnis-Trikots“ in der Halle auch besser nach aussichtslos erscheinenden Bällen rutschen.

Hagens Jugendnationalspieler Ruben Schwarzmüller in Lauerstellung. Foto: Michael Prieler
Faustball ist eine unglaublich dynamische Sportart. „Um auf hohem Niveau Faustball zu spielen, braucht es die selben Fähigkeiten wie bei anderen Ballsportarten auch“, sagt Schachtsiek: „Ballgefühl, Reaktionsschnelligkeit, Athletik. Wer ein guter Allrounder ist, ist auch ein guter Faustballer.“ Deshalb stellen sich für Anfänger, die einigermaßen mit dem Ball umgehen können, auch relativ schnell erste Erfolgserlebnisse ein, erklärt Schachtsiek.
Der Mann muss es wissen. Mit dem TSV Hagen holte Schachtsiek 17 Mal die Deutsche Meisterschaft, 19 europäische Titel (jeweils Halle und Freiluft) und dreimal den Weltpokal. Als Nationalspieler wurde er dazu noch viermal Weltmeister. All diese Erfolge brachten ihm den Titel „Europas Faustballer des Jahrhunderts“ ein. Eine wahre Faustball-Lichtgestalt also, mitten im Ruhrgebiet.
Doch auch der Franz Beckenbauer des Faustballs muss eingestehen, dass seine Sportart unter Imageproblemen leidet. Als Altherrensport wird Faustball gern abgetan, als Anhängsel der Turnvereine. Was zum Teil ja auch richtig ist: Historisch gesehen hat sich Faustball tatsächlich aus den Turnvereinen heraus entwickelt. „Nach den Turnstunden wollten sich die Leute einfach noch mit dem Ball bewegen“, beschreibt Schachtsiek das. So sind auch die, im Vergleich zum Faustball noch unbekannteren Turnspiele wie Schlagball, Prellball oder Korfball entstanden.

Ob diesen Angriffsschlag ein gegnerischer Abwehrspieler erreicht? Foto: Michael Prieler
Faustballer machen ihr eigenes Ding
Heutzutage lässt sich jedoch keine Verbindung mehr zwischen Faustball und dem Turnen herstellen. Dafür hat sich das Spiel auf gehobenem Leistungsniveau einfach viel zu sehr weiterentwickelt. Mit ein Grund, weshalb die 35.000 Faustballer in Deutschland eine Abkopplung vom Deutschen Turnerbund (DTB) vorantreiben. Bis zur Gründung der Deutschen Faustball-Liga 2004 war ihr Spielbetrieb noch gänzlich über den DTB organisiert. Jetzt versuchen sie ihr eigenes Ding durchzuziehen. „So lange das Projekt finanziell zu stemmen ist, ist die Abkopplung sicherlich hilfreich für den Sport“, sagt Schachtsiek.
Faustballvereine in der Region:
pflichtlektüre: Rollstuhlbasketball: Blut, Schweiß und Tränen (30.09.2010)
pflichtlektüre: Kanupolo wie Handball auf dem Wasser (02.12.2010)