Ruhr2010: Schwere Suche nach dem Ruhrgebiet seine Identität

Studierende, Wissenschaftler und Künstler beschäftigten sich im Rahmen der Sommerakademie.Ruhr 2010 mit der Rolle und Identität des Ruhrgebiets. Dass das alles nicht so leicht zu definieren ist, zeigte eine Podiumsdiskussion. Im Dortmunder Harenberg City-Center ging die erste Auflage der Akademie zu Ende.

Im Amphisaal des Harenberg City-Centers ging die Sommerakademie Ruhr.2010 zu Ende. Foto: Jannik Sorgatz

Im Amphisaal des Harenberg City-Centers ging die Sommerakademie Ruhr.2010 zu Ende. Foto: Jannik Sorgatz

„Profit schließt Kunst nicht aus“ – „Das Ruhrgebiet braucht den Metropolenbegriff nicht“ – „Wir sollten einfach mal sagen: ‚Hier ist es schön'“. Während unten auf der Bühne vier Europapolitiker, fünf Studierende und Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Ruhr.2010, über die Rolle des Ruhrgebiets diskutieren, wechseln sich die Statements auf der Leinwand darüber laufend ab. Sie stammen von Teilnehmern der Sommerakademie Ruhr.2010. Erstmals haben sich Wissenschaftler, Künstler und Studierende eine Woche lang zusammengefunden, um der Frage nachzugehen: Wo kommt das Ruhrgebiet her, wo steht es heute und wo geht es hin? (Download Gesamtprogramm)

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Politiker, Studierende und Vertreter von Ruhr.2010 hatten in der Podiumsdiskussion das Wort. Foto: Jannik Sorgatz

Moderator Kersten Knipp hat im Dortmunder Harenberg City-Center wenig Mühe, eine lebhafte Diskussion zu entfachen. Erste wichtige Frage: Was ist die Identität des Ruhrgebiets? „Man muss dort gelebt haben, um das genauer zu bestimmen“, sagt Europaparlamentarier Alexander Alvaro (FDP). Er selbst stamme aus Düsseldorf, eben nicht Dortmund, nicht aus Essen, nicht aus Wuppertal. Beim Stichwort „Wuppertal“ geht ein Raunen durch den Saal. Und sofort ist klar, dass es schwierig genug ist, die Grenzen des „Potts“ überhaupt zu definieren. Renate Sommer stammt aus Herne und vertritt die CDU in Brüssel. Sie nähert sich der Identität des Ruhrgebiets über die Menschen, die dort leben: „Man hat sozusagen immer zwei Backsteine in der Tasche. Man ist hart, aber herzlich.“

Es wurde teils hitzig diskutiert: Besonders Politiker und Studierende waren nicht immer einer Meinung. Foto: Jannik Sorgatz

Es wurde teils hitzig diskutiert: Besonders Politiker und Studierende waren nicht immer einer Meinung. Foto: Jannik Sorgatz

Was die Identität der Menschen zwischen Dinslaken und Hamm angeht, denken besonders die jungen Leute, die Debatte sei überflüssig. „Es soll krampfhaft eine neue Identität geschaffen werden“, meldet sich ein Akademie-Teilnehmer aus dem Publikum zu Wort. „Warum nimmt man nicht einfach die vielen verschiedenen Identitäten, so wie sie sind?“ Der Saal applaudiert. Eine externe Sicht der Dinge bringt Mengdi Wang in die Runde ein. Die Chinesin hat in Peking und Shanghai gelebt, ist vor zweieinhalb Jahren nach Bochum gekommen. Sie meint: „Identität ist auch Geschichte. Aber ich möchte im Ruhrgebiet nicht wie in London oder Paris überall dasselbe finden, sondern Tradition und Moderne verbinden.“

FDP-Politiker Alexander Alvaro (MdEP) entfachte die Diskussion über Eliten und Bildungschancen.

FDP-Politiker Alexander Alvaro (MdEP) debattiert mit den Teilnehmern über Eliten und Bildungschancen.

Deutlich wird, dass die Akademie-Teilnehmer keine aufgesetzten Kampagnen wollen. Sie wollen handeln, nicht reden. Sie wollen Antworten auf ihre Fragen. „Warum wirbt die Kulturhauptstadt in erster Linie mit der Vergangenheit?“, wird Oliver Scheytt gefragt. „Ganz andere Bilder“ verspricht der Ruhr.2010-Geschäftsführer fürs zweite Halbjahr. Man wolle den Menschen konkret die Frage stellen: „Wie heißt Ihr eigentlich?“ Erneut landet die Diskussion bei grundlegenden Problemen. Ist das Ruhrgebiet eine Metropole? Ein Flickenteppich? Ist die Verknüpfung doch gar nicht so groß, wenn Dortmund sich zum Beispiel als „Hauptstadt von Westfalen“ fühlt?

Nach einer Diskussion über Eliten und Gerechtigkeit in der Bildung hat Jens Geier von der SPD das Wort. Er soll die seiner Meinung nach größten Potentiale des Ruhrgebiets nennen. „Menschen, Multikulturalität, Wirtschaftszweige wie die Medizin- und die IT-Branche“, fallen ihm zuerst ein. Er hoffe, dass das Ruhrgebiet diese Potentiale ausschöpft und sich als Drehscheibe für Nordwest-Europa positioniert.

Tradition und Moderne stehen in Dortmund nebeneinander: Links das renovierte U, rechts das Harenberg City-Center.

Tradition und Moderne stehen in Dortmund nebeneinander: Links das renovierte U, rechts das Harenberg City-Center. Foto: Jannik Sorgatz

Als Klaus-Peter Busse, Kunstprofessor an der TU Dortmund, das Schlusswort spricht, hat man das Gefühl, dass die Podiumsdiskussionen praktisch mehr neue Fragen aufgeworfen hat, als alte zu beantworten – beste Grundlagen für eine Neuauflage der Sommerakademie im nächsten Jahr, sind sich alle einig. Über die Klischees sei sie nun hinweg, sagt TU-Studentin Christine Becker-Hardt. Aber wo es hingeht in der Zukunft? „Das Spannendste ist, dass ich das gar nicht so genau weiß.“

Sommerakademie Ruhr.2010: Christine (links) und Anna waren dabei. Eine Woche lang diskutierten sie mit anderen Studierenden, Wissenschaftlern und Künstlern die Rolle des Ruhrgebiets in Europa. Foto: Jannik Sorgatz

Sommerakademie Ruhr.2010: Christine (links) und Anna waren dabei. Eine Woche lang diskutierten sie mit anderen Studierenden, Wissenschaftlern und Künstlern die Rolle des Ruhrgebiets in Europa. Foto: Jannik Sorgatz

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