Regelstudienzeit verstrichen – BAföG gestrichen! Nur in wenigen Ausnahmefällen wie z.B. bei einer Schwangerschaft gibt’s noch finanzielle Unterstützung, sobald die vorgesehene Semesteranzahl überschritten wurde. Ist das gerechtfertigt? Bei unseren Autorinnen Alexandra Selzer und Ricarda Dieckmann gehen die Meinungen auseinander.
Ja! Klong! Der dicke DIN A4-Umschlag fällt in den Postkasten hinein. Damit mir das Studentenwerk auch im nächsten Semester pünktlich das überweist, was mir nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zusteht, war der Folgeantrag fällig. Nach Ende der Regelstudienzeit kann ich mir diesen Papierkram allerdings schenken – dann bekomme ich nichts mehr. Wie ich das finde? Nachvollziehbar und gerecht. Regelstudienzeit ist schaffbar Dadurch, dass mein BAföG-Anspruch erlischt, fühle ich mich motiviert, mein Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. Das ist kein Ding der Unmöglichkeit, wie Bologna-Kritiker gerne nörgeln, denn Studiengänge sind so konzipiert, dass sie schaffbar sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beendeten im Jahr 2010 60 % der Bachelor-Studierenden ihr Studium in der dafür vorgesehenen Zeit. Die Forderung der Politik, das Studium für die Bafög-Unterstützung doch bitte in der Regelstudienzeit zu absolvieren, ist also keinesfalls eine Überforderung. Ungerecht gegenüber ehrgeizigen Studenten Doch woran liegt es, wenn aus sechs Semestern doch mal mehr werden? Natürlich können langzeitige Erkrankungen oder pflegebedürftige Angehörige dazu führen, dass Kurse nicht abgeschlossen werden. Dies ist aber – glücklicherweise – eher selten der Fall. Viel öfter ist die Überschreitung der Regelstudienzeit selbstverschuldet, etwa durch eine halbherzige Prüfungsvorbereitung oder eine „Och-die-Veranstaltung-mach-ich-später“-Attitüde. Schnell stellt sich da die Frage, ob es gerecht ist, wenn der Langzeitstudent, der die Bib höchstens mal von innen sieht, wenn er den Kopierer dort nutzt, genauso durch das BAföG gefördert wird, wie sein Kommilitone, der sich nur wenige Meter entfernt zwischen Büchern vergräbt, um seine Bachelor-Arbeit pünktlich einzureichen. Für mich ein klarer Fall von Ungerechtigkeit. Mehr Semester – mehr Zeit zum Arbeiten Fakt ist außerdem: Wer länger als vorgesehen studiert, hat pro Semester eine geringere Arbeitsbelastung. Heißt: Es bleibt die Zeit zum Arbeiten, die sonst fehlt. So ist es auch möglich, sich das Studium ohne BAföG zu finanzieren. Und falls die Regelstudienzeit für mich doch ein unerreichtes Ziel bleiben sollte und mir ein „Klong“ im Postkasten keine finanzielle Unterstützung mehr sichert, werde ich genau das tun.
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Nein! „Ach, wie schön war die Studienzeit!“ – Diesen Satz wird man von vielen Eltern oder Großeltern hören, doch sicher von keinem Studierenden seit der Bolognareform. Wer früher lieber feierte, als zu lernen, hat eben zwei, drei, manchmal vier oder fünf Semester länger studiert. Heutzutage findet man viele Studierende nachts eher in der Unibibliothek, als auf einer Party. Neben den horrend hohen Durchfallquoten ist es vor allem eines, was die Bachelor- und Master-Studierenden um ihren Schlaf bringt: die Regelstudienzeit. Wer diese überschreitet, verliert seine Bafög-Ansprüche. Qualität des Studiums leidet Selbst die fleißigsten Studierenden, die diesem Druck standhalten, müssen mit drastischen Nachteilen leben. Es sind vor allem die Noten, die unter dem Zeitdruck leiden. Wer alle Klausuren pünktlich bestanden hat, geht oft mit einer deutlich schlechteren Abschlussnote auf den Arbeitsmarkt, als finanziell unabhängige Studierende. Letztere haben mehr Zeit für Praktika, Sprachkurse und Auslandssemester – und sind somit schlichtweg besser qualifiziert. Dazu kommt, dass die Bafögansprüche in vielen Fällen äußerst knapp bemessen sind. Viele Studierende müssen trotz Förderung arbeiten und haben so noch weniger Zeit, die Fülle an Lernstoff zu bewältigen. Sportliches, soziales oder politisches Engagement lassen sich dabei genauso schlecht mit dem Studium vereinbaren, wie ein Fulltime-Job. Studienstress macht krank Kein Wunder also, dass sich die Zahl der Studierenden mit psychischen Problemen seit der Bolognareform mehr als verdoppelt hat. Wer nicht schon aus Ehrgeiz um gute Noten zu konzentrationssteigernden Medikamenten greift, tut es spätestens, wenn er vor dem finanziellen Aus steht. Denn eines ist klar: Studieren ohne Bafög bedeutet, dass man nebenbei seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Selbst diejenigen, die einen Studienkredit ergattern, starten mit hohen Schulden ins Berufsleben. Bei alldem fragt man sich: Passen die Bafögrichtlinien zum heutigen Alltag der Studierenden? Ich finde nicht, denn das Studentenleben, wie es früher war, ist längst Geschichte. |
Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann , Teaserfoto: