Studieren mit Kind: Eine finanzielle Wackelpartie

Die Beurlaubung: Eine rechtliche Grauzone

„Eine Beurlaubung aufgrund von Erziehung und Pflege des Kindes berechtigt an der TU Dortmund das Studium weiterzuführen und abzuschließen. Nur die Uhr läuft nicht mehr mit“, erklärt Jeannette Kratz. Studierende können also ihre Klausuren und Hausarbeiten schreiben, Scheine und Creditpoints sammeln, ihr Studium abschließen. Allerdings mache es die Beurlaubung vom Studium unmöglich, Bafög zu bekommen. Beides zusammen schließt sich schlicht aus. „Da eine Beurlaubung bedeutet, dass die Studierenden nicht offiziell studieren, gibt es vom Jugendamt auch keinen Zuschuss zu Kinderbetreuung, wenn das Einkommen der Eltern zu gering ist.“ Eine Beurlaubung bedeute also, auf einen möglichen Bafög-Zuschuss zu verzichten und sein Kind selbst zu betreuen.

Tanja Lübbers und ihre Kinder haben von der rechtlichen Grauzone sehr profitiert. "Ohne diese Möglichkeit, hätte ich mein Studium nie beenden können!", erzählt die 28-Jährige.

Tanja Lübbers und ihre Kinder haben von der rechtlichen Grauzone sehr profitiert. "Ohne diese Möglichkeit hätte ich mein Studium nie beenden können", erzählt die 28-Jährige.

Gäbe es nicht die rechtliche Grauzone, die auch die zweifache Mutter Tanja Lübbers nutzte: Während der Beurlaubung vom Studium können die Studierenden Arbeitslosengeld II bei der Agentur für Arbeit beantragen. Die Agentur für Arbeit finanziert aber kein Studium, eine Ausnahme gilt bei wenigen Härtefällen. „Durch diese rechtliche Grauzone war es mir trotz Beurlaubung möglich, weiter zu studieren und fremdfinanziert zu werden“, erzählt Tanja Lübbers. „Ich bin deshalb sehr froh um diese Lücke in der Rechtsprechung.“

Die junge Mutter lebte nach der Geburt ihrer ersten Tochter mit ihrem Partner noch von den zwei Nebenjobs und Kinder- sowie Elterngeld. „Das ging auch ganz gut. Natürlich war es knapp, aber das geht schließlich vielen jungen Familien so. Erst als meine zweite Tochter zur Welt kam, mussten wir uns nach neuen Finanzmitteln umsehen.“ Selbst zu arbeiten, war bei der Doppelbelastung durch zwei kleine Kinder und dem Studium nicht mehr möglich. „Anfangs stand ich der Agentur für Arbeit sehr skeptisch gegenüber. Das ist eine ganz andere Stufe von Abhängigkeit und man kennt ja die Vorurteile der Mitmenschen gegenüber Leuten, die solche Leistungen beziehen.“

Viele Anträge, lange Nächte

„Bis man dann endlich soweit ist, einen Antrag ausfüllen zu können, muss man sehr hartnäckig sein“, erzählt Tanja. „Wenn man seine Rechte kennt und sich selbstständig informiert, dann lässt man sich auch von Hindernissen nicht abschrecken.“ Außerdem sei das Ausfüllen der Anträge eine Tortur gewesen. „Bei jedem Termin bekommt man immer noch mehr Papier. Ich wollte unbedingt alles fehlerfrei ausfüllen, damit mir möglichst schnell das Geld zur Verfügung steht. Aber das war völlig unmöglich.“ Schwer sei es ihr gefallen, sich in die neue Abhängigkeit der Agentur für Arbeit zu begeben, erzählt Tanja. „Man muss seine finanzielle Lage komplett offen legen, das hat schon was von Striptease.“ Am Ende war es jedoch die einzige Möglichkeit, weiter zu studieren und gleichzeitig sich und ihre Kinder zu ernähren.

Arbeitslosengeld II für alle?

„Studierende sollten durchaus auch zur Agentur für Arbeit gehen“, meint Kratz von der Stabsstelle Chancengleichheit, Familie und Vielfalt. „Hier können sie einen ‚Mehrbedarf bei Schwangerschaft‘ und gegebenenfalls einen ‚Mehrbedarf für Alleinerziehende‘ beantragen.“ Der Mehrbedarf bei Schwangerschaft beträgt für alleinstehende Studentinnen 63,58 Euro und für in Partnerschaft lebende noch 57,29 Euro. Schwierig sei aber, dass man seine finanzielle Situation komplett offenlegen müsse. „Das Gefühl, sich selbst so zu offenbaren, ist für viele sehr unangenehm“, weiß Jeannette Kratz. Neben diesen dauerhaften Zuschüssen könne man noch einen Antrag auf einen einmaligen Zuschuss zur Erstausstattung, also zur Schwangerschaftsbekleidung (bis zu 153 Euro) und zur Säuglingserstausstattung (bis zu 500 Euro) beantragen.

Gesetzt den Fall, dass ein Paar zwar noch knapp über die Runden käme, als Bedarfsgemeinschaft mit dem Kind jedoch zu wenig Geld zur Verfügung hätte, könnte es auch nur für das Kind Arbeitslosengeld II beantragen. Gleiches gilt für das Wohngeld. „Es ist viel Arbeit, die umfangreichen und komplizierten Anträge auszufüllen“, urteilt Jeannette Kratz. Doch dies sei eben nötig, um sein Leben mit Kind zu finanzieren.

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