Training mit Strom

„Dem Mehrwert von EMS-Training stehe ich sehr kritisch gegenüber“, beginnt Physiotherapeut Ferdy Wissink das Gespräch. Dass 20 Minuten EMS sechs Stunden Krafttraining ersetzen können, wie es Bodystreet bewirbt? Wissink hält das für unwahrscheinlich.

„Kein EMS in Sicht“

Ein Plakat von Bodystreet. Fotos: Daniel Moßbrucker

Ein Plakat von Bodystreet. Fotos: Daniel Moßbrucker

„Wenn das wirklich den beschriebenen Effekt hätte, würden Leistungssportler EMS-Training nutzen, und das tun sie meiner Kenntnis nach nicht“, erklärt der Physiotherapeut. Er sei im April im Sportinstitut „Athletes Performance“ in den USA gewesen, in dem auch die Fußball-Nationalmannschaft trainiert hat und da sei „kein EMS in Sicht“ gewesen.

Die Belastung von einem sechsstündigen Krafttraining in nur 20 Minuten wäre zudem auch mit hoher Wahrscheinlichkeit äußerst ungesund, sagt Wissink. Wie verschiedene Studien gezeigt haben, werden beim Elektrostimulations-Training vor allem schnelle Muskelfasern angeregt.

Ferdy Wissink erklärt: „Die schnellen Muskelfasern sind natürlich auch schnell wieder abbaubar. Deshalb muss das Training regelmäßig betrieben werden, also am besten zwei bis drei Mal die Woche, damit der Effekt auch dauerhaft bleibt“. Ein Training pro Woche ist also für eine effektive und vor allem langfristige Leistungssteigerung – unabhängig von der Trainingsmethode – sowieso zu wenig?

Ganzheitliches Training?

Eine Sache macht Ferdy Wissink noch mehr Kopfzerbrechen, nachdem er sich exemplarische Trainingsvideos angeschaut hat. „Mir leuchtet nicht ein, wie ein ganzheitliches Training durch Elektroden überhaupt möglich sein soll, die nicht am ganzen Körper angebracht sind“, sagt er.

In der Physiotherapie werde Elektrostimulation unter anderem verwendet, um bei Nervenverletzungen durch Erschlaffung quasi bewegungsunfähig gewordene Muskeln wieder zu stärken. „Ist jedoch eine geringe Anspannung möglich, ist der Mehreffekt im Vergleich zu herkömmlichen Methoden nicht signifikant“, erklärt Wissink. Und auf den Sport übertragen? „Ein Einfluss ist vermutlich da, dass dieser sich jedoch markant unterscheidet bezweifele ich. Da kann man genauso gut TRX machen, ein Ganzkörpertraining mit Gurtsystem – das gibt es in vielen Fitnessstudios sogar umsonst“.

Das Gespräch mit Ferdy Wissink hat mich stutzig gemacht. Deshalb will ich die Studie der Sporthochschule Köln, auf die Body Street unter anderem sich beruft, genauer unter die Lupe nehmen.

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1 Comment

  • Erstmal viele Grüße an das Redaktionsteam von Pflichtlektüre von Rent-a-Trainer-Berlin.

    Ich habe vor kurzem erfahren, dass Miha Body Tec eine grosse Summe Geld der Uni in Bochum zahlen musste weil sie das Ergebniss der von Miha Bodytec beauftragten Studie an die Universität zum Thema konventionellen Krafttraining mit und ohne EMS nicht nach Ihren Wünschen ausfiel. Wenn das Ergebniss des Studiendesigns immer bestimmbar wäre durch welche Mittel auch, dann macht mich das als Personaltrainer immer trauriger.

    Die kaum erwähnten negativen Nachteil des EMS Trainings beruhen auch darin, dass die physiologischen und psychologischen bedingten Ermüdungsschwellen teilweise unberücksichtigt bleiben, was nach meiner Meinung in einer nicht optimalen Reizung der Muskulatur resultiert. Das tiefstliegende Muskuläre Gewebe nicht erreichbar ist, scheint logisch, würde ich aber gerne noch durch wissenschaftliche Studien nachlesen können, was anscheinend nicht einfach erscheint.

    Der Hauptpunkt wird für mich immer der unzureichende Prozess der zentralnervösen Steuerung sein, das keinerlei Koordinationsprozesse trainiert werden und somit ein technikspezifisches Training nicht zur Anwendung kommen wird und kann.

    Mal schauen was die Zukunft und die Validität der Studien zu diesem Thema noch erbringen wird.

    mit sportlichen Grüßen
    PT Sebastian Winkler

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