Duell am Donnerstag: Gute Vorsätze – sinnvolle Sache oder Selbstbetrug?

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Spätestens am Abend des 31. Dezembers geht sie los, die alljährlich geführte Diskussion um die Neujahrsvorsätze. Getreu dem Motto: „The same procedure as every year“. Doch ist die Silvesternacht samt Sekt und Feuerwerk erst passé, sind auch die guten Vorhaben schnell wieder vergessen. Ist es da überhaupt sinnvoll, sich Ziele für ein neues Jahr zu stecken?

Scheitern ist erlaubt, aufgeben nicht,

findet Svenja Kloos.

Mehr Sport treiben, abnehmen, aufhören zu rauchen: Alle Jahre wieder nehmen wir uns gute Vorsätze. Und alle Jahre wieder werfen wir sie spätestens Mitte Januar wieder über den Haufen. Trotzdem sind neue Ziele für ein neues Jahr wichtig und richtig!

Vorhaben konkret formulieren

Neujahr bietet die Chance, Vergangenes Revue passieren zu lassen; eine Gelegenheit, das, was uns stört, zu beenden. Vorsätze sind eine Motivation, das Leben in eine andere Richtung zu lenken. Dabei müssen wir uns realistische Ziele setzen und diese konkret formulieren.

Mit „mehr Sport treiben“ kann doch keiner etwas anfangen. Bin ich schon sportlicher, wenn ich Treppen steige und nicht mehr den Aufzug benutze? Wer sich allerdings vornimmt, drei Mal in der Woche eine halbe Stunde joggen zu gehen, der hat ein klares Ziel vor Augen, das er besser erreichen kann. Unrealistische Vorhaben nach dem Motto „Jetzt wird alles anders“ führen in der Regel nicht zum Erfolg. Vielmehr geht es darum, sich ernsthafte Gedanken zu machen: Was will ich verändern? Und kann ich das auch durchziehen?

Weniger ist mehr

Außerdem sollten wir uns gut überlegen, wie viele Ziele wir uns stecken. Wer Anfang des Jahres schon eine ellenlange Liste ausarbeitet und allen Punkten Folge leisten will, der wird früher oder später die Motivation verlieren. Hat der Feuereifer sich erst einmal verabschiedet, landet man sicher mit der Pizza auf der Couch anstatt mit einer Flasche Wasser im Fitnessstudio.

Weniger ist mehr. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Kleinigkeiten unser Leben ein bisschen schöner machen können: Einen alten Freund wiedertreffen, für die gebrechliche Nachbarin einkaufen gehen. Dinge, die leicht umzusetzen sind und nicht nur uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Hinfallen, aufstehen und weitermachen

Zu guter Letzt sollten wir unsere Vorhaben bloß wegen eines „Aussetzers“ nicht komplett fallen lassen. Wer sich auf der Party wieder ein Glas zu viel gönnt, obwohl er ja eigentlich weniger trinken wollte, muss seinen Vorsatz nicht gleich über Bord werfen. Scheitern ist erlaubt. Gewohnheiten lassen sich eben nicht von heute auf morgen abstellen. Sie dürfen aber nicht als Ausrede dafür dienen, sich keine guten Vorsätze mehr zu nehmen. Es ist falsch, nach nichts mehr streben, bloß, weil wir scheitern könnten.

Schon Konfuzius sagte: „Am Baum der guten Vorsätze gibt es viele Blüten aber wenig Früchte.“ Wir setzen nicht alles um, was wir uns vorgenommen haben. Aber sei’s drum. Denn auf das, was wir tatsächlich realisieren, können wir am Ende des Jahres stolz sein.

Das Leben ist keine Silvesterparty,

findet Silas Schefers.

Eigentlich müssten wir uns fast schon vor uns selbst schämen: Jahr für Jahr heben wir am Silvesterabend das Sektglas auf unsere Vorsätze – die gescheiterten, unzähligen Vorsätze der vergangenen Jahre immer im Hinterkopf. Dieses Jahr höre ich mit dem Rauchen auf! Dieses Jahr mache ich mehr Sport! Ich sage: Dieses Jahr höre ich auf, mir sinnlose Vorsätze zu nehmen – denn die enttäuschen mich am Ende doch nur selbst.

Es hat sich nichts verändert. Rein gar nichts.

Denn genau das sind die Vorsätze zu Jahresbeginn: Eine Garantie für eine Enttäuschung am Jahresende. Wie wenig von dem, was ich schaffen wollte, habe ich doch geschafft. Wie schnell hat mich nach der Neujahrs-Euphorie der Alltag eingeholt, in dem so wenig Platz ist für allesverändernde Vorsätze. Und vor allem: Wie lange habe ich eigentlich schon denselben blöden Vorsatz, den ich zu Neujahr laut ankündige und an Silvester wegschweige.

Eigentlich ist es sogar ziemlich dramatisch mit den Neujahrsvorsätzen. Immerhin stehen die nämlich symptomatisch für mein langweiliges Leben. An jedem Silvesterabend gibt es dann den einen Moment, in dem uns die Vorsätze schmerzhaft klar machen: Es hat sich nichts verändert. Rein gar nichts. Ich habe keinen Brunnen in Afrika gebaut. Ich bin nicht nach Brasilien gereist. Die Neujahrsvorsätze des letzten Jahres, sie lachen uns jedes Silvester hämisch ins Gesicht und sagen: Du Loser.

Aber warum habe ich mir überhaupt vorgenommen, einen Brunnen in Afrika zu bauen – ich habe doch Flugangst? Warum will ich unbedingt nach Brasilien – ich spreche doch gar kein Portugiesisch?

Bitte keine Himmelfahrtskommandos

Ist unser Leben so schlecht, dass wir uns am Silvesterabend das neue Jahr zusammenfantasieren müssen? Hoffentlich nicht. Und wenn doch: Dann helfen auch keine guten Vorsätze mehr. Wir sollten das Leben so nehmen, wie es kommt, denn meistens kommt es doch nicht allzu schlecht.

Das Leben ist nun mal keine Silvesterparty. Und wenn wir uns schon Vorsätze nehmen, dann doch bitte keine Himmelfahrtskommandos. Glück zum Beispiel – ein super Wunsch für das neue Jahr, wenn auch ein wenig Selbstbetrug. Immerhin kann das alles bedeuten. Dann stehe ich am Silvesterabend mit dem Sektglas in der Hand draußen und denke mir: Glück – joa, das hat eigentlich funktioniert, das könnte ich mir nochmal wünschen. In diesem Sinne: Glückliches Neues.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Traveller_40

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