Am Puls der Stadt

Eigentlich bietet die Ruhrtriennale Hochkultur zu teuren Preisen: Klassische Musik, Tanz, szenische Lesung. Doch ein Event gibt es ganz umsonst, einen Monat lang. Jeden Abend erstrahlt der Westpark an der Bochumer Jahrhunderthalle im Herzrhythmus von Passanten.

An lauen Sommerabenden bildet sich um den computergesteuerten Sensor eine lange Schlange. Jeder will die 250 Theaterscheinwerfer im Park in seiner Pulsmelodie leuchten sehen. Zwei Griffe wie im Fitnesstudio, und schon übersetzt ein Rechenzentrum den Herzschlag in Licht- und Tonimpulse. In einer Kettenreaktion gehen die Scheinwerfer nacheinander an. Subwoofer verbreiten die Herzmelodie akustisch.

Dann erstrahlt der Park in unterschiedlichen Rhythmen: Jeder Scheinwerfer gibt den Herzrhythmus einer anderen Person wider, gespeichert im Rechenzentrum. Aus den Lautsprechern tönt nur noch ein Rauschen. Tritt der Nächste an den Sensor, ist wieder sein Puls zu hören und zu sehen.

Die Idee kam bei einer Ultraschalluntersuchung

Der Westpark wird zum „Pulse Park“, entworfen von Rafel Lozano-Hemmer im Auftrag der Ruhrtriennale. Die Idee kam dem mexikanisch-kanadischen Künstler, als seine Frau mit Zwillingen schwanger war. Bei einer Ultraschalluntersuchung hörte Lozano-Hemmer die Herzschläge seiner Frau und der beiden ungeborenen Kinder gleichzeitig. Ihm fiel auf: Jeder Herzschlag klang anders, wenn auch nur um Nuancen.

Auch im Westpark sind die unterschiedlichen Pulse zu erkennen, wenn man genau hinguckt und hinhört. Für besonders schöne Melodien verteilen die Helfer am Sensor Lob: „Wow, das ist Rekord für heute Abend!“.

Buntes Publikum flaniert durch das Lichtermeer

Der „Pulse Park“ vereint sie alle: Familien, die bei Einbruch der Dunkelheit von ihrer Picknickdecke zum Sensor laufen. Ghetto-Kids. Studenten mit Bierkästen. Liebespärchen. Ein Obdachloser erzählt, er sei fast jeden Tag hier. Sind die Triennale-Events in der Jahrhunderthalle vorbei, strömt feines Mittfünfziger-Publikum in den Park und flaniert durch das Lichtermeer.

Die Installation ist die Attraktion der neuen Triennale-Programmsäule „Urbane Künste Ruhr“. An diesem Wochenende kommen Künstler und Wissenschaftler im Ruhrgebiet zu einem Symposium zusammen. Sie werden darüber diskutieren, wie Kunst im urbanen Raum in Zukunft aussehen kann. Installationen wie die von Lozano-Hemmer wollen die „Urbanen Künste“ öfter ins Ruhrgebiet holen.

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