Das Duell: Die Grünen auf dem Weg zur Volkspartei?

Das Duell: Jannik versus Lisa

In Sachsen-Anhalt die Prozente verdoppelt, in Rheinland-Pfalz zehn Punkte zugelegt und in Baden-Württemberg stellen sie bald den Ministerpräsidenten: Die Wahlen der vergangenen Wochen waren ein Riesenerfolg für die Grünen, das Volk scheint sie zu lieben. Sind die Grünen etwa auf dem Weg zur Volkspartei?

PRO CONTRA
Ja, die Grünen sind auf dem Weg zur Volkspartei. Wer das gar nicht so gerne hört – das sind die Grünen selbst. Vergangenes Wochenende hat die Partei erstmals all jene Lügen gestraft, die behauptet haben, die Grünen könnten nur in den Umfragen aber nicht in den Wahlurnen erfolgreich sein. 24,5 Prozent in Baden-Würrtemberg bedeuteten für sie das beste Ergebnis bei Landtagswahlen.

Dass die Regierung in Berlin den Erfolg nun allein auf die Geschehnisse in Japan zurückführt, verkennt die Realität. Eine ganze Generation mag durch die Atomkatastrophe und den damit verbundenen Rückzieher der Bundesregierung zwar nachträglich einen Sieg eingefahren haben, der ihr in den 80er-Jahren schon als Niederlage ausgelegt worden war. Doch die Grünen sind nicht allein die Atompartei.

Grüne sind konsensfähig

Die Grünen sind die Partei, die sowohl bei den 30- bis 44-Jährigen als auch bei den 45- bis 59-Jährigen nur knapp hinter der CDU landete. Wer auch immer sich damals an Gleise gekettet haben mag, der wird es heute nicht mehr tun. Die Grünen sind konsensfähig geworden in einer Zeit, in der Vertreter aller Schichten gegen die Tieferlegung eines Bahnhofes auf die Straße gehen. Eine Zeit, in der die Menschen realisieren, dass das Stück Fleisch, das auf ihrem Teller gelandet ist, mit großer Wahrscheinlichkeit ein sehr unglückliches Huhn war. Eine Zeit, in der man Politikern nicht einmal mehr das glauben kann, was schriftlich in einem Protokoll festgehalten wurde.

Unterm Strich war es nie leichter, sich als Volkspartei zu etablieren. Die Menschen sehnen sich nach einem klaren Kurs, nach felsenfesten Standpunkten. Wer da nicht heute das eine und morgen das andere verspricht, fällt automatisch auf.

Alte und neue Wähler

Die Grünen sind wie die kleine Indie-Band, die plötzlich Stadien füllt. Damit stillt sie den Durst derjenigen, die auch schon damals beim intimen Garagen-Konzert dabei waren genauso wie den der Anhänger, die erst jetzt merken, dass da jemand ziemlich Vieles ziemlich richtig gemacht hat über die Jahre – Kennzeichen einer Volkspartei. Auf die Musik kommt es an.

Nein, auf keinen Fall sind die Grünen auf dem Weg zur Volkspartei. Denn Grün steht schon seit Gründung der Partei für alternative Ideen, nicht nur im Bereich Energie. Und alternativ bedeutet nun mal „konkurrierend mit den bestehenden Normen“, ist also alles andere als massentauglich.

Nicht an Profil verlieren!

Und das ist auch gut so. Denn was macht eine Volkspartei aus? Sie versucht möglichst aus allen gesellschaftlichen Schichten der Bevölkerung Wähler zu gewinnen und verliert damit zwangsläufig an Profil. Dabei ist doch gerade ihr politisches Engagement für Ziele wie den Atomausstieg (und nicht erst seit Fukushima) oder ein gerechteres Bildungssystem und gegen die arbeitgeber- und unternehmensfreundliche Politik der großen Parteien das, was vor allem uns Studenten immer wieder dazu bewegt, unser Kreuz für die Grünen zu machen.

SPD und CDU sind mittlerweile kaum mehr auseinander zu halten, die FDP wählen nur noch Hoteliers, und die Linken sind immer noch nicht richtig in der Demokratie angekommen. Was bliebe uns denn, wenn nun auch noch die Grünen sich unter dem Deckmantel der Volkspartei in den Einheitsbrei der großen Parteien verabschieden würden?

Atom-Aufwind wird nicht lange halten

Außerdem muss man sich schließlich auch die Frage stellen, warum die Grünen bei den letzten Wahlen so außerordentlich gut abschnitten. Die Atomkatastrophe in Japan hat uns allen schmerzlich vor Augen geführt, auf was für Zeitbomben auch wir in Deutschland sitzen und wie Recht doch die Grünen mit ihren Forderungen nach dem Atomausstieg seit Jahren schon hatten. Dennoch wird die Atomdiskussion bald wieder aus den Medien, den Bundestagsdebatten und vor allem aus den Köpfen der Menschen verschwinden. Sie wird wieder verdrängt werden von Themen wie Steuererhöhungen, Nullrunden für Rentner oder Frauenquoten in Führungsetagen.

Und dann werden die Grünen zwar weiter gegen die atomare Gefahr kämpfen, aber die Unterstützung im Volk wird weniger werden. Dann rücken ihre Ideen wieder ein Stück weit mehr in Richtung „alternativ“ und gefühlt ein Stück weiter weg vom Volk.

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Foto: stockxchng/ bizior, Montage: Falk Steinborn, Teaserfoto: flickr.com / secretlondon123

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