Kino-Tipp: Der Gott des Gemetzels

Quelle: Constantin Film

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Die Demaskierung von Menschen machte selten mehr Spaß: Roman Polanski zeigt in seinem aktuellen Film “Der Gott des Gemetzels“, welche Abgründe sich hinter der bildungsbürgerlichen Fassade auftun. Mehr als eine Wohnung und vier überzeugende Protagonisten braucht er dazu nicht. Das Resultat ist ein minimalistischer, aber gleichwohl intelligenter Film über die Schlechtheit des Menschen – Misanthropie, die ganze Kinosäle zum Lachen und Nachdenken bringt.

Roman Polanski erlaubt uns mit “Der Gott des Gemetzels“ einen bitterbösen Blick in den Spiegel. Der Mensch ist das Monster. Wer braucht da schon Vampire oder Zombies? Vorlage für den Film ist das erfolgreiche Theaterstück “Le dieu du carnage“ der Dramatikerin Yasmina Reza. Die Grundstory ist genauso reduziert wie der Handlungsort des Filmes, der sich, abgesehen von Prolog und Epilog, auf eine New Yorker Wohnung beschränkt: Dem Sohn von der politisch korrekten Weltverbesserin Penelope Longstreet (Jodie Foster) und ihrem Mann Michael Longstreet (John C. Reilly) wurden bei einem Streit zwei Zähne mit einem Stock ausgeschlagen. Verantwortlich hierfür ist der Sohn des gutsituierten Elternpaares Cowan. So weit, so schmerzhaft. Das Ehepaar Cowan wird in die Wohnung eingeladen, um das Geschehen zivilisiert abzuwickeln und gemeinsam einen Bericht für die Versicherung zu schreiben. Bei Kaffee und Small Talk im Wohnzimmer dürften die verantwortungsvollen Erziehungsberechtigten das Ärgernis mühelos aus dem Wege räumen.

Quelle: Constantin Film

Vier Menschen und viele, viele Abgründe. Quelle: Constantin Film

Der Filmtitel verrät bereits, dass dies natürlich nicht gelingen wird. Alan Cowan (Christoph Waltz) und seine Frau Nancy (Kate Winslet) werden anfänglich mit allen Höflichkeiten empfangen und verurteilen im Gegenzug die gewaltsame Tat ihres Sprösslings. Doch die Verschiedenartigkeit der Charaktere, gegensätzliche Ansichten, Lebensentwürfe, Beziehungsprobleme und Lebenslügen überschatten zusehends das Aufeinandertreffen. Bissige Dialoge, wechselnde Solidarisierungen und Feindschaften in dem Quartett und die unausweichlichen Eskalation in eingeengter Umgebung lassen „Der Gott des Gemetzels“ zu einem der interessantesten Filme des Jahres werden. Die Wohnung lässt genug Raum für Konflikte.

Wie schon bei “American Beauty“ sorgt das Ablegen von Masken und Konventionen eines Durchschnittsbürgers für Lacher und Überlegungen über die Natur des Menschen. Das alles schafft Polanski mit der ausschließlichen Fokussierung auf den Dialog, oder besser gesagt, “verbalem Gemetzel“, und einem Sinn für Details. Ohne die herausragenden Leistungen der vier Protagonisten wäre dieser bissige Film allerdings nicht umsetzbar. Christoph Waltz brilliert als gewissenloser Karrieremensch und hat die Lacher auf seiner Seite. Wahrscheinlich ist er als offenkundig unsolidarischer Mensch sogar von Anfang an der einzige ehrliche Charakter in dieser Komödie. Als Anwalt vertritt er ein Pharmaunternehmen, das wissentlich ein gesundheitsgefährdendes Medikament vertreibt.
Immer wieder wird das Schlichtungsgespräch der ungleichen Paare unterbrochen, wenn Christoph Waltz an sein Handy gehen muss, um dem Pharmakonzern zur Seite zur stehen. Wie schon bei “Inglourious Basterds“ ist ihm die Rolle des smarten, rhetorisch begabten Bösewichts auf dem Leib geschrieben.

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Christoph Waltz überzeugt als zynischer Karrieremensch. Quelle: Constantin Film

Jodie Foster überzeugt ebenfalls im Klischee der Menschenfreundin und Afrika-Aktivistin, die sich allen Unterdrückten der Welt verschrieben hat. Ihre Selbsterhöhung als Pazifistin und ihre steten Moralpredigten werden aber schließlich von ihrer Unzufriedenheit und den dunklen Seiten ihres Charakters überschattet. Und genau das ist die Essenz des Filmes: Wenn Menschen beginnen, schonungslos das zu sagen, was sie wirklich meinen, wird es interessant. Denn genau dies verbietet die Moral. Etwas Alkohol und Wut im Bauch lassen diese aber schnell vergessen.

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Auch für Nancy (Kate Winslet) verläuft das Treffen anders als geplant. Quelle: Constantin Film

Der Zuschauer kann so sehen, wie der teure Kristallleuchter des Anstands fulminant zerschlagen wird und Nihilismus und Hemmungslosigkeit hervortreten. Kate Winslet verwandelt sich von der gestylten Investmentbankerin mit Manieren zur angriffslustigen und großartig betrunkenen Furie, und John C. Reilly vom fürsorglichen Vermittler zum desillusionierten Zyniker, der mehr von Hochprozentigem als von Menschen hält. Essentielle Themen wie Schuld, Verantwortung, Liebe, Egoismus, Solidarität und Glück werden auf beengtem Raum aufgegriffen. Die Söhne, der eigentliche Grund des Treffens, verkommen zur Nebensache. Doch, so die Grundaussage des Films: Der Mensch ist eigentlich primitiv. Christoph Waltz verdeutlicht dies, wenn er in der Rolle des souverän gekleideten Anwalts sagt, dass Menschen beim Sex kaum das Ave Maria aufsagen. Roman Polanski, der diesen Film in Paris drehte, konstruiert ein hintergründiges, schwarzhumoriges Charakterstück. Unbedingt sehenswert.

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