Meine Zukunft auf dem Prüfstand: Wo will ich hin?

Ein abgebrochenes Studium, verschiedene Jobs, große Zweifel. Fast fünf Jahre hat Jana gebraucht, um ihren Weg zu finden. Nun ist sie sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Von Sabine Geschwinder

Am 15. Juli 2012 hat sich Jana entschieden. Einfach so. Spontan. Nachdem sie fünf Jahre immer wieder nach dem richtigen Weg gesucht, ihn aber es nicht so recht gefunden hatte. Es hätte ein ganz normaler Sonntag werden können, wäre da nicht diese Deadline gewesen: der Einschreibeschluss an den Unis. Also schlurft Jana um halb sieben am Morgen in ihrem Pyjama zum Computer und klickt sich durch die Einschreibeseiten der Unis. „Das konnte ich fast im Schlaf“, erzählt die 25-Jährige.

Jana - Zukunft auf dem Prüfstand

Jana nach fünf Jahren endlich ihren Weg gefunden. Fotos/Teaser: Sabine Geschwinder

Seit ihrem Abitur im Jahr 2008 hat sie sich jedes Jahr für die gleichen Studiengänge beworben: Kunstgeschichte, Psychologie, Sprachen, Kultur. Essen, Bochum, Bielefeld und Münster, die „üblichen Verdächtigen“. Direkt nach dem Abi hätte sie dank Nachrückverfahren in Psychologie anfangen können. „Da hätte ich mich dann aber innerhalb von drei Tagen entscheiden müssen und das war mir dann doch zu schnell“, so Jana. So ging sie erstmal bei der Post jobben und entschied sich 2010 für den Studiengang Angewandte Sprachwissenschaften an der TU Dortmund. Dazu die Nebenfächer Journalistik und Psychologie. „Passt wie Arsch auf Eimer“, sagten ihre Freunde. „Aber wenn man mich gefragt hat, was ich damit machen will, fiel mir nicht so viel ein“, erinnert sie sich.

„Was machst du denn jetzt?“

Sie streicht sich durch ihr langes, schwarzes Haar. Wenn Jana anfängt zu reden, ist es schwer, sie zu stoppen. Sie erzählt gern, offen und bildhaft, auch über unangenehme Themen wie den Studienabbruch. „Ich habe meine Oma gepflegt und dabei ist das Studium auf der Strecke geblieben, trotzdem würde ich es immer wieder so machen.“ Jana wusste schon Wochen vor dem Ende des ersten Semesters, dass sie nicht mehr zurückkommen wird. Für ihre erste Hausarbeit hatte sie sich schon Material besorgt, aber bearbeitet hat sie es nie. Auch zu einigen Klausuren war sie gar nicht erst erschienen.

Kurz vor dem Ende des Semesters stirbt dann ihre Oma. Die Entscheidung ist klar: Studium geht erst mal nicht. Dann kommt für Jana die Zeit des Zwischen-den-Stühle-Sitzens. Bekannte haben erst mal Verständnis. Irgendwann kommen sie aber, die bohrenden Fragen: „Was machst du denn jetzt? Du kannst doch nicht ewig zu Hause bleiben.“ Das Arbeitsamt vermittelt ihr einen Job bei einem großen Versandunternehmen. Die Arbeit: Nicht gerade herausfordernd, aber für die Wartezeit okay.

„Ich hab schon gemerkt, dass das nicht die Erfüllung ist. Aber vorher war die Zeit so emotional, da hab ich das als Auftankphase genommen.“ Parallel klickt sie sich jedes Jahr kurz vorm 15. Juli durch die Anmeldeportale der Universitäten. Irgendwann flattern die Zusagen ins Haus. Jana wartet. Sie lässt die Fristen verstreichen, kann sich nicht entscheiden.

Am liebsten alles

Jana - Meine Zukunft auf dem Prüfstand

Immer wieder neu: Janas Zimmer zeigt, wie viele Dinge sie schon ausprobiert hat.

Und vielleicht war es schon immer so: Ihre Einzimmerwohnung in Essen ist ein Sammelsurium von zahllosen liebevollen Kleinigkeiten, die sie auf dem Flohmarkt und bei Ebay erstanden hat. Alte Tischlampen, handgeschriebene Postkarten und eingerahmte Bilder. Wer sie besucht, hat viel zu gucken. Der Blick fällt dabei auch auf die vielen Wörterbücher, die in ihren Regalen stehen.

Neben Spanisch und Italienisch finden sich selten gesprochene und extrem komplizierte Sprachen wie Finnisch und Isländisch. „Am liebsten würde ich alle Sprachen sprechen können, zumindest alle skandinavischen. Die Motivation anzufangen ist da, aber das Durchhalten ist nicht ganz so einfach,“ meint Jana. Es gibt so vieles, wofür siesich begeistern kann und doch ist die definitive Entscheidung so schwer. Ein Ja für das eine wäre ein Nein für vieles andere.

Doch an diesem 15. Juli 2012 ist es irgendwie anders. Jana klickt sich durch das Angebot, alles wie gehabt. Alles wie immer. Plötzlich scrollt sie etwas weiter als sonst, ihr Blick fällt auf den Studiengang Soziale Arbeit an der Uni Duisburg-Essen. Sie stockt und liest sich die Studiengangbeschreibung durch.

„Ich dachte mir: ach, guckst du mal“, erzählt Jana. „Ich war selbst ganz überrascht, weil es mal etwas ganz anderes war als alles, wofür ich mich vorher beworben hatte – und so sollte es dann sein.“ Ob sie sich sicher ist, dass es das Richtige ist? „Ja“, sagt Jana, ohne eine Sekunde nachzudenken. Aber warum ist das Gefühl anders als all die Jahre zuvor? Jana denkt nach. Sie weiß es nicht so recht. Dann sagt sie: „Es macht für mich einfach Sinn.“

Aha-Moment mit Markus Lanz

Dann fällt ihr noch etwas ein, ein „Aha-Moment“, wie sie sagt. In der Sendung von Markus Lanz hat sie einen Mann gesehen, der bei einer Suizid-Hotline arbeitet: „Ich war so berührt“, erzählt Jana. „Davon, dass er etwas Sinnvolles macht und keine Arbeit, die beliebig ist. Dann hab ich mir gedacht: das wäre doch was Gutes.“ Jana ist inzwischen im zweiten Semester und hat ein Praktikum im Hospiz absolviert.

Dort nehmen sie eigentlich keine Studienanfänger, dank der Erfahrung mit ihrer Oma und wegen ihres Alters konnte Jana aber punkten. Die Arbeit an sich, sterbende Menschen begleiten, war emotional manchmal herausfordernd, aber für Jana das Richtige. „Eigentlich komisch, obwohl ich sonst so eine Heulsuse bin“, sagt sie und lacht. Später könnte sie sich auch vorstellen, im Hospiz zu arbeiten, vielleicht auch in der Bewährungshilfe oder beim Jugendgericht. „Ich bin da noch recht unentschlossen“, sagt sie.

Es kommt, wie es kommt

Einen Tipp, für andere in der gleichen Situation, hat sie zunächst nicht. „Bei mir war es ja irgendwie Zufall“, meint sie. Doch dann fällt ihr doch etwas ein: „Ich finde, die Zukunft hält ja auch lange, deswegen sollte man sich überlegen, was man mit ihr macht. Andererseits, wenn man sich falsch entscheidet, sollte man auch den Mut haben, sich nochmal zu korrigieren. Auch wenn die Mutter dann vielleicht nicht begeistert wäre.“

Jana geht scheinbar etwas gelassener mit dem Thema Zukunft um. „Es kommt, wie es kommt“, sagt sie. „Allerdings bin ich nur entspannt, wenn alles so kommt, wie ich es will.“ Dabei könnte sie eigentlich viel entspannter sein. Studium, zwei Jobs, Studienabbruch, zahlreiche Studienbewerbungen. Bei Jana ist nichts nach Plan gelaufen. Aber irgendwie hat es trotzdem geklappt.

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