Duell: Studiengebühren – gerechtfertigt?

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Deutschlands Universitäten sind unterfinanziert. Momentan erhebt jedoch kein Bundesland in Deutschland Gebühren für einen Studienplatz. Ist das gut so oder war die Abschaffung der Studiengebühren doch nicht so schlau? Die pflichtlektüre-Autoren sind geteilter Meinung. Maximilian Doeckel sieht die Uni-Maut als notwendig an, Marleen Halbach ist froh, dass sie wieder abgeschafft wurde.

„Bildung ist ein Menschenrecht, aber auch Menschenrechte sind Handelswaren“,

findet Maximilian Doeckel.

Gegner von Studiengebühren haben oft eine romantische Vorstellung von Bildung. Sie sei ein Menschenrecht, keine Handelsware und dürfe deswegen nichts kosten. Studiengebühren würden diesem Prinzip vehement im Wege stehen. Wäre die Welt eine Utopie, würde das vielleicht stimmen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Wir brauchen Studiengebühren, um möglichst viel Bildung zu erreichen.

Der erste Punkt ist tatsächlich richtig. Bildung ist ein Menschenrecht – so ist es in Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgelegt. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass Bildung auch kostenlos sein muss. Direkt neben der Bildung stehen in diesem Pakt Dinge wie das Recht auf Nahrung oder das Recht auf kulturelle Teilhabe. Trotzdem verkaufen Supermärkte ihre Lebensmittel und verschenken sie nicht. Und auch der Eintritt ins Kino oder Theater ist nicht frei. Menschenrechte sind auch Handelswaren. Das lässt sich (leider) nicht vermeiden.

‚Kostenlos‘ gibt es nicht

Grund dafür ist, dass es soetwas wie „kostenlos“ nicht gibt. Wenn eine Person für eine Dienstleistung oder ein Produkt nicht bezahlen muss, bedeutet das schlicht, dass dies schon jemand anderes getan hat. Die Kosten für ein Studium sind dabei hoch, im Schnitt liegen sie bei etwa 7000 Euro pro Student und Jahr. Wenn der Student dafür nicht bezahlt, muss die ganze Summe anderweitig aufgebracht werden. Zurzeit als Solidaritätsmodell über die Steuern, die jeder einzelne Bürger in Deutschland zahlt. 

Das allein ist schon eine Ungerechtigkeit. Warum sollte sich derjenige, der später am meisten vom Studium profitiert nicht auch an den Kosten beteiligen? Ein Geselle, der seinen Meister machen möchte, muss dafür bezahlen. Und Eltern schicken ihre Kinder in kostenpflichtige Kindertagesstätten, um ihnen eine möglichst gute Frühbildung zu gewährleisten. All dies wird akzeptiert. Nur beim Studium soll es aus unerfindlichen Gründen nicht funktionieren.

Bestmögliche Investition

Angeblich, weil Gebühren junge Menschen vom Studieren abhalten. Die Angst, in eine ungewisse finanzielle Zukunft zu schauen, sei zu groß, sagen Kritiker. In der Realität hat sich diese Angst allerdings nicht bemerkbar gemacht. Als die Studiengebühren in den einzelnen Ländern vor ein paar Jahren abgeschafft wurden, erhöhte sich die Anzahl der Studieninteressierten nicht. Außerdem ist bei den meisten Studenten angekommen, dass ein Studium die beste Investition in die eigene Zukunft ist. Das zeigen unter anderem die florierenden privaten Hochschulen in Deutschland, die nicht nur von Kindern reicher Eltern besucht werden und darüber hinaus noch deutlich teurer sind, als es die staatlichen je waren.

Die einzigen, die tatsächlich in eine ungewisse finanzielle Zukunft blicken, sind die Universitäten. Schon jetzt ist das Geld knapp, was an überfüllten Hörsälen, einem zum Teil katastrophalen Verhältnis Student zu Professor und heruntergekommenen Gebäuden und Lehrmaterialien zu erkennen ist. Darum fordern sowohl die deutsche Hochschulrektorenkonferenz, als auch das Centrum für Hochschulentwicklung eine Wiedereinführung der Studiengebühren. Damit die Situation an deutschen Hochschulen wieder besser wird. Und diejenigen dafür zahlen, die davon auch tatsächlich etwas haben.

„Zum Glück wurde der Fehler der Studiengebühren wieder korrigiert“,

findet Marleen Halbach.

Die Bildungspolitik in Deutschland erfuhr im Jahr 2005 einen heftigen Rückschritt. Nordrhein-Westfalen traf es doppelt. Im Schuljahr 2005/2006 startete in NRW der erste gymnasiale Jahrgang, der sein Abitur nach 8 Jahren (G8) absolvieren sollte. Die Folge waren immer jüngere und unentschlossenere Abiturienten auf einem Markt, auf dem Reife und Erfahrung als Einstellungskriterien zählen.

Auch die Abiturientia 2005 hatte schwer zu schlucken: Das Bundesverfassungsgericht entschied die Einführung der allgemeinen Studiengebühr an deutschen Hochschulen. Die Folgen hier: soziale Ungerechtigkeit im Bildungserwerb, finanzielle Schieflage junger Erwachsener und ihrer Familien sowie übermäßiger Leistungsdruck.

Chancengleichheit Fehlanzeige

Sie will so gar nicht zum Vater Sozialstaat passen: die lohnabhängige Chance auf Bildung. Wessen Eltern genügend Geld mit nach Hause tragen, darf sich als privilegiert für eine akademische Laufbahn ansehen. Ist dem nicht so, hat Sohnemann oder Töchterchen eben Pech, selbst wenn die es vielleicht weiter bringen wollen als die Eltern. Studiengebühren schaffen soziale Ungerechtigkeit und eine unnötige Hürde für finanziell benachteiligte und mittelständische Familien, das Recht auf Bildung steht  allein schon rein gesetzlich  jedem zu.

Unter Druck zu Ende bringen

Wer kann mit 17 oder gerade erreichter Volljährigkeit schon genau sagen, welchem Job er auf Lebzeiten nachgehen möchte? Bei der heute übermäßigen Diversifizierung an Studien- oder Ausbildungsangeboten, dürfte dieser Anteil verschwindend gering sein, aber so jung sind die neuen Studienanfänger durch G8 nunmal. Dabei ist es nicht abwegig, wenn das gewählte Studium doch nicht den Erwartungen der Erstis entspricht und sie lieber nochmal wechseln wollen. Haben die Eltern zu dem Zeitpunkt jedoch schon 500 oder 1000 Euro Studiengebühren hingeblättert, ist die Hemmschwelle zu wechseln mit Sicherheit groß. Fatal wäre also, wenn eine solche Pflichtabgabe junge Erwachsene unter Druck setzen und sie in eine Richtung drängen würde, in der sie nicht glücklich werden. Später einen Job machen zu müssen, der eigentlich keinen Spaß macht, wird für den Staat ebenfalls wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen.

Sie waren jung und brauchten das Geld

Chronisch pleite: Ein Hauptteil der Studenten hat auch ohne Studiengebühren mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Bei vielen Familien und Studis geht ohne Finanzspritzen von außerhalb gar nichts. BAföG gibts zwar nicht für Jedermann, kann da aber schon eine gute Abhilfe schaffen. Wenn das jedoch nicht klappt oder reicht, muss auch mal ein Kredit bei einer Bank herhalten. Abgesehen davon, dass einige Erstis wegen der verkürzten Gymnasialzeit noch nicht einmal kreditwürdig sind, stellen solche Maßnahmen jeden auf die Probe. Zusätzliche Studiengebühren pro Semester tragen da sicher nicht zur Entspannung der Situation bei.

Bei beiden Entscheidungen – sowohl bei Studiengebühren als auch bei G8 – legt die Politik den Rückwärtsgang ein. Die Studiengebühren sind mittlerweile wieder abgeschafft und das sollte unbedingt auch in Zukunft so bleiben.

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Fehling
Teaserfoto: Evelyn Merz / pixelio.de

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