Um diesen Streit um 19 Millionen Euro verstehen zu können, muss man wissen, dass Studentenwohnheim in Bochum nicht gleich Studentenwohnheim ist. Da gibt es 15 Wohnheime, die vom Land NRW finanziert und von einer Anstalt des öffentlichen Rechts, dem “Akademischen Förderungswerkes“ (AKAFÖ), betrieben werden. Auf der anderen Seite sind vor Jahrzehnten mit Landesgeldern acht Wohnheime gebaut worden, die von privaten Trägern, wie der Kirche, betrieben und finanziert werden. Diese acht Wohnheime haben sich zur “Arbeitsgemeinschaft Bochumer Studierendenwohnheime“ zusammengeschlossen, und dort ist man jetzt richtig sauer. Das Land hat bei der Verteilung der Millionen aus dem Konjunkturpaket II nämlich nur das AKAFÖ berücksichtigt.
Übergangen oder vergessen
Erik Otto, Sprecher des NRW-Wissenschaftsministeriums verweist auf Nachfrage von pflichtlektüre online nur auf die Förderrrichtlinien zur Umsetzung des Konjunkturpakets II: “Wegen des erheblichen Sanierungsbedarfs bei den öffentlichen-rechtlichen Wohnheimen, der aufgrund der Haushalts- und Finanzsituation des Landes in den letzten Jahren nicht ausreichend befriedigt werden konnte, sehen wir dort ausschließlich die Förderung der öffentlich-rechtlichen Studentenwerke vor“. Genau diese Regelung kann Lars Relitz von der Arbeitsgemeinschaft Bochumer Studierendenwohnheime nicht nachvollziehen: “Wir sind schließlich gemeinnützig und haben seit mehr als 20 Jahren keine Fördermittel für Sanierungen mehr bekommen. Ich habe den Eindruck, wir sind vom Land schlicht übergangen oder vergessen worden.“
Wasser im Keller, Durchzug auf allen Etagen
Die Arbeitsgemeinschaft betreibt acht Wohnheime mit rund 800 Zimmern. Der Zustand der Gebäude ist zum Teil erschreckend. Im Rosa-Parks Haus zum Beispiel steht seit Wochen Wasser im Keller. “Wir wissen nicht, wo es herkommt und mussten jetzt den Boden aufbrechen“, erzählt Relitz.
Jeden Tag geht Geld flöten
Student Robert Zühlsdorf lebt seit zweieinhalb Jahren im Rosa-Parks Haus. “Das Schöne an dem Haus sind die Gemeinschaftsräume. Aber im Bad, auf den Balkonen, in meinem Zimmer – überall gibt es etwas zu tun“, sagt er. Vor allem die Isolierung des Hauses lässt zu wünschen übrig. Einfach verglaste Fenster, spröde Dichtungen, dünne Fassaden. Das treibt die Heizkosten in die Höhe. Pro Jahr fallen für die 180 Zimmer in der Wohnanlage 66.000 Euro an. Robert Zühlsdorf, dessen Kommilitonen in den oft besser erhaltenen Häusern des AKAFÖ wohnen, ist nicht neidisch, aber verärgert: “Hier geht jeden Tag so viel Geld flöten, das man mit einer vernünftigen Isolierung einsparen könnte“.
Protest beim Ministerpräsidenten
“Herr Ministerpräsident (…) Das ist unfair und bedeutet Wettbewerbsverzerrung, die die Existenz traditionsreicher Häuser gefährdet“, hat Robert Zühlsdorf an NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers geschrieben. Spontan hat er eine Postkartenaktion ins Leben gerufen, um an höchster Stelle Beschwerde über die ungerechte Verteilung der Mittel einzureichen. Genützt hat es genauso wenig wie die vielen offiziellen Briefe der Arbeitsgemeinschaft. Lediglich die SPD-Fraktion im Landtag stimmt mit der Arbeitsgemeinschaft darin überein, dass es keine rechtliche Grundlage gibt, sie von der Millionenförderung auszuschließen. Von einer Klage hat die Arbeitsgemeinschaft aber abgesehen, um nicht einen jahrelangen, teuren Rechtsstreit zu riskieren.
Hoffen auf andere Programme
Lars Relitz hat aber die leise Hoffnung, dass die Politiker erkannt haben, dass sie da “Mist gebaut haben“. Er hofft, dass die acht Wohnheime bei einem anderen Förderprogramm berücksichtigt werden. “Seit 20 Jahren haben wir kein Geld für Sanierungen bekommen und alles aus Eigenmitteln und über Darlehn finanziert. Das geht nicht mehr lange, der Sanierungsstau wird immer größer“, beschreibt Relitz den Ernst der Lage.
Text und Fotos: Michael Klingemann