Wer wird neuer Bundespräsident?

Am 30. Mai trat Bundespräsident Horst Köhler vollkommen überraschend zurück. Heute, genau einen Monat später, wird sein Nachfolger gewählt. Die beiden Favoriten sind Christian Wulff, der Kandidat von FDP und Union, und Joachim Gauck, nominiert von SPD und den Grünen. Die pflichtlektüre sagt euch, was ihr über die Wahl wissen müsst.

So wird gewählt

Den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland wählt die Bundesversammlung. Diese ist aus allen Abgeordneten des Bundestages zusammengesetzt, dazu kommen noch genauso viele Delegierte, die von den Länderparlamenten gewählt werden. Wie viele Mitglieder ein Bundesland entsenden darf, hängt von dessen Einwohnerzahl ab.

Da die Länder nicht nur Politiker nominieren dürfen, werden auch einige bekannte Persönlichkeiten in der Bundesversammlung sitzen, so etwa Regisseur Sönke Wortmann (nominiert von den Grünen), Prinzen-Sänger Sebastian Krummbiegel (SPD) und Axel-Springer-Witwe Friede Springer (CDU). Kurios: Für die niedersächsische CDU wird Christian Wulff nicht nur als Kandidat, sondern auch als Wahlmann in der Bundesversammlung auftreten.

Der Favorit auf das höchste Amt im Staat: Christian Wulff, nominiert von CDU und FDP. Foto: christian-wulff.de

Der Favorit für das höchste Amt im Staat: Christian Wulff, nominiert von CDU und FDP. Foto: christian-wulff.de

Der Bundestag zählt im Moment 622 Abgeordnete, damit gibt es bei dieser Wahl zum zehnten deutschen Bundespräsidenten 1.244 Wahlberechtigte. Die Abstimmung ist geheim. Es gibt höchstens drei Wahlgänge. In den ersten beiden Wahlgängen braucht ein Kandidat die absolute Mehrheit, also mindesten 623 Stimmen, im dritten reicht eine einfache Mehrheit, also nur die meisten Stimmen aller Wahlberechtigten.

Die Bundesversammlung – und damit auch die Wahl – beginnt heute Mittag um 12 Uhr. Der Bundestag überträgt die Wahl live, tagesschau.de bringt ab etwa 11.40 Uhr einen Livestream zur Wahl. Das Wahl-Special des ZDF soll um 11.35 Uhr beginnen, die bisheringen Beiträge zum Thema gibt es online.

Die Kandidaten

Christian Wulff geht für Union und FDP ins Rennen. Seit 2003 ist er Ministerpräsident Niedersachsens und ist bei den Bürgern seines Landes sehr beliebt. Seit 1998 ist Wulff auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Der 51-jährige Rechtsanwalt ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der Kandidat der SPD und der Grünen ist Joachim Gauck. Der Theologe war aktiv im Widerstand gegen das DDR-Regime und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 2000 war der heute 70-Jährige Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (damals: „Gauck-Behörde“) und erlangte in dieser Funktion hohes Ansehen in Politik und Bevölkerung. Gauck gehört keiner Partei an.

Die Linke stellt die kulturpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, Lukrezia Jochimsen, zur Wahl. Die 74-jährige Jochimsen, die sich selbst „Luc“ nennt, ist Journalistin und war unter anderem London-Korrespondentin der ARD und Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks.

Frank Rennicke ist der Anwärter der NPD auf das höchste Amt im Staat. Der 46-Jährige ist gelernter Elektro-Installateur und tritt in der rechtsextremen Szene als Sänger auf. Er tritt schon nach der letzten Bundespräsidenten-Wahl am 23. Mai 2009 schon zum zweiten Mal an. Rennicke ist verheiratet und Vater von sechs Kindern.

Kandidiert für die SPD und die Grünen: Joachim Gauck. Foto: joachim-gauck.de

Kandidiert für die SPD und die Grünen: Joachim Gauck. Foto: joachim-gauck.de

Die Chancen

Die Koalition aus CDU und FDP hat eine Mehrheit von 21 Mitgliedern in der Bundesversammlung. Dass mit Christian Wulff ihr Kandidat die Wahl gewinnt, scheint daher sehr wahrscheinlich. Doch vor der Wahl haben sich einige Wahlmänner und –frauen der Liberalen offen dazu bekannt, ihre Stimme dem Herausforderer Gauck geben zu wollen.

Jörg Bogumil, Politologe an der Ruhr-Universität Bochum, glaubt trotzdem daran, dass Wulff die Wahl für sich entscheidet:  „So wie die Auswahl der Kandidaten im Vorfeld gelaufen ist, wäre eine Wahl von Joachim Gauck für die Bundesregierung eine deutliche Niederlage, wenngleich man sagen muss, dass sich das Amt des Bundespräsidenten eigentlich nicht für solche parteipolitischen Manöver eignet. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist aber eine Wahl von Wulff ziemlich sicher.“

Ein Wahlsieg des niedersächsischen Ministerpräsidenten würde der Bundesregierung also eine peinliche Niederlage ersparen, dennoch würde dies die Koalition nach Ansicht Bogumils nicht wieder näher zusammenrücken lassen. „Warum sollten Sie wegen einen derartigen Personalfrage ihre inhaltlichen Differenzen nun auf einmal überbrücken? Ganz im Gegenteil wird die Wahl Wulffs eher den Wunsch der FDP nach Durchsetzung eigener Prositionen  steigern, da sie nun eine Belohnung für die Wahl des CDU-Ministerpräsidenten erhofft“, so der Politologe.

Wie auch immer die Wahl ausgehen wird, spätestens heute Nachmittag hat Deutschland einen neuen Bundespräsidenten. Die Ergebnisse der Entscheidung, sowie Reaktionen aus der Studentenschaft wird die plichtlektüre für euch heute Abend zusammenstellen.

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