Der ganze Mist mit dem Herzen

pflichtlektüre online: „Herzmist“ ist ja schon so eine Art Seelenstriptease mit intimen Sexbeichten. Sind dir einige Kapitel besonders schwer gefallen?

Juleska Vonhagen: Ja, aber mir sind nicht die Kapitel am schwersten gefallen, wo es um die drei Buchstaben geht. Mir sind die wesentlich schwerer gefallen, wo es ans Eingemachte, meine Gefühle für eine bestimmte Person, ging. Das war zu dem Zeitpunkt, in dem ich das Buch „abgeschrieben“ habe, noch aktuell. Und es war schon ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass ich all das dieser Person so niemals gesagt hätte und sie das Buch jetzt lesen kann. Das hat sie im Nachhinein auch getan. Ich hatte zwischenzeitlich sogar richtig Angst. Aber ich bin einfach zu neugierig gewesen, als dass ich es hätte lassen können.

pflichtlektüre online: Hattest du keine Bedenken, zu viel von dir Preis zu geben?

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Für die freie Radiojournalistin Juleska Vonhagen ist es eine neue Erfahrung, plötzlich selbst interviewt zu werden. Quelle: "The Face"

Juleska Vonhagen: Auf der einen Seite ist es schon merkwürdig, so viel von mir erzählt zu haben. Eine Person, die ich jetzt kennenlerne, kann einfach das Buch lesen und weiß auf einmal wesentlich mehr über mich als ich über sie. Auf der anderen Seite ist das nur dieser eine Ausschnitt aus meinem Leben, nur eine Momentaufnahme. Ich kann da eigentlich ganz gut mit umgehen. Ich habe noch niemanden getroffen, bei dem mir das wirklich unangenehm war. Aber wenn ich einen Menschen neu kennengelernt habe, der das Buch schon vorher gelesen hatte und gesagt hat: „Jaja, ich weiß aus deinem Buch, dass du das so und so siehst“ war das dann schon komisch.

pflichtlektüre online: Du kommst aus dem Ruhrgebiet. Mit 21 Jahren bist du dann nach Berlin gezogen und studierst jetzt Geschichte, Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Deutsch. Was verbindest du mit dem „Pott“ – möchtest Du nach dem Studium zurückkommen?

Juleska Vonhagen: Es ist schon jedes Mal ein Unterschied, wenn man von Berlin zurück ins Ruhrgebiet fährt. Allein schon, dass ich über die Autobahn fahre, was ich in Berlin selten mache. Naja, das klingt jetzt bescheuert: Was verbinde ich mit dem Pott? Die Autobahn. Aber es ist halt schon charakteristisch, dass man immer zwischen verschiedenen Städten hin und her pendelt. Also, ich verbinde mit dem Ruhrgebiet auf jeden Fall Zuhause, die besondere Sprache, die die Menschen sprechen, meine komplette Jugend und die ganzen Städte, in denen ich damals ganz oft war. Zurückkommen – nein, also nicht nach dem Studium, das wäre ja auch schon bald. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich als „alter“ Mensch zurückgehen werde, weil ich dann nicht in so einer Riesenstadt wie Berlin leben möchte. Aber erst einmal möchte ich ein bisschen was von der Welt sehen.

Präzedenzfälle für Frauen, „Spitzellektüre“ für Männer

pflichtlektüre online: Du bist auch freie Journalistin bei einem Radiosender. Jetzt stehst du mit deinem Buch plötzlich auf der anderen Seite und wirst selber interviewt. Wie fühlt sich das an?

Juleska Vonhagen: Das ist manchmal sehr überraschend. Man denkt ja von sich, dass man sehr viele sinnvolle Sachen sagt. Doch wenn man dann eins zu eins liest, was man gesagt hat, kann das doch relativ verstörend sein und man fragt sich: „Oh Gott, so einen Schwachsinn habe ich erzählt und das kann jetzt auch noch jeder nachlesen?“ (lacht). Aber es macht natürlich auch Spaß.

pflichtlektüre online: Wie verbindest du das ganze mit deinem Studium?

Juleska Vonhagen: Schlecht, nein – also es geht. Das letzte Semester, in dem ich das Buch geschrieben habe, habe ich ein bisschen in den Sand gesetzt. Aber das passiert mir dieses Semester nicht noch mal. Ich denke, dass ich das schon beides nebeneinander auf die Reihe kriegen werde.

pflichtlektüre online: Wer soll dein Buch lesen: Männer oder Frauen?

Juleska Vonhagen: Jeder, den das Thema interessiert, soll es lesen. Ich möchte das gar nicht so festlegen, ob es eher für Männer oder Frauen geschrieben ist. Ich denke einfach, dass man als Frau damit eine ganz gute Unterhaltungslektüre hat – zum Beispiel wenn man alleine im Bett oder am Strand liegt und die Freundin gerade nicht da ist. Das Buch kann dann einige Präzedenzfälle liefern: Wie ist das bei den Mädchen im Buch? Wie ist die Geschichte mit dem oder dem Typen ausgegangen? Vielleicht finden sich einige Frauen auch in dem Buch wieder und denken sich: „Stimmt, dass ist ein wahrer Satz“ und fühlen sich durch unsere Gespräche bestätigt.

Männer können das Buch auch als so eine Art „Belausch-, und Ausspitzellektüre“ lesen, um rauszufinden, wie sich junge Frauen unterhalten und was ist denen wichtig ist. Mir haben auch schon viele Männer geschrieben, dass sie es genau so gelesen haben und auch genau so gut fanden. Das ist ein bisschen wie Mäuschen spielen. Worüber Frauen miteinander sprechen ist an sich kein brandneues Thema. Aber es ist zumindest in der Hinsicht etwas Neues, dass es tatsächlich echte Gespräche sind. Ich wüsste jetzt nicht von einem Buch, in dem es das schon einmal gab. Es mag einem auch „Sex and the City“ einfallen, aber das ist ja schon sehr realitätsfern. Was diesen Frauen da passiert, passiert anderen in 100 Jahren nicht. Und hier hat man das Ganze dann quasi in echt, wie es halt wirklich ist.

Interview: Matti Hesse

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