„Ich hasse Weicheier“

Buch-Auszüge: 2. Teil:

„Baby did a bad, bad thing.“ Was ist eigentlich, wenn man „ihn“ betrügt?

„Nein, ich habe Stefan noch nicht betrogen. Aber ich muss sagen, dass ich im Allgemeinen eine Fremdgehbefürworterin bin, weil einem das eine ganze Menge bringen kann“, lässt Rike die Wasserbombe platzen. „Man lernt sich selbst kennen, man lernt etwas über seine Beziehung … Außerdem macht Fremdgehen Sinn, weil es spannend ist. Keine Frau geht deswegen fremd, weil sie sich denkt: Alter Lachs, ich muss heute Abend unbedingt bumsen. Frauen gehen fremd, weil es eine spannende Erfahrung ist, wegen der Selbstbestätigung und – auch ganz platt – weil man den Freundinnen danach was Spannendes erzählen kann.“

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"Und spontanes Fremdgehen finde ich einfach nicht schlimm." In Sachen Treue vertritt eine Freundin, deren Name im Buch in Rike geändert wurde, eine provokante Haltung. (Quelle: "The Face")

Aus Paulines Blick spricht die pure Baffheit. Wir anderen haben Rikes Untreue-Thesen ab und zu ja schon mal mitbekommen dürfen, sie nicht. „Das ist nichts, was man sich aufs T-Shirt drucken würde, aber wenn wir mal ehrlich sind, ist das doch die Sahne auf dem Fremdgeh-Kuchen: den Mädels später erzählen, was für eine heiße Schnitte man kennengelernt und abgeschleppt hat. Genau das ist es doch, was einem gerade als jungem Menschen in einer Beziehung immer fehlt. Die Erlebnisse, die Abenteuer, die Katastrophen und die Storys. Wenn man über seine Beziehung erzählt, hören die Mädchen zwar zu, aber der Nachrichtenwert ist doch höher und die Ohren sind gespitzter, wenn man mit einer verbotenen Geschichte daherkommt.“

Ich hab die von Rike beschriebene Szenerie quasi vor Augen: Zwei Freundinnen im Café bei einem Kaffee, man hat sich gerade richtig auf den Stuhl drapiert, die Beine übereinandergeschlagen, sich nach vorne gebeugt und „Was gibts Neues?“ gefragt, da kommt von der anderen mit wichtiger Miene der Blick zur Seite, der Blick zurück und dann die Eröffnung: „Ich habe Paul betrogen.“ Es folgen aufgerissene Rehaugen und ein: „Waaaas?“ Und es ist klar, der Nachmittag wird großartig. Traurig, aber wahr – es stimmt, was Rike sagt: Für einen Mädchenplausch ist so eine unerwartete Fremdgehgeschichte das große Los. Aber deswegen geht Frau doch nicht fremd? Das wäre ja noch trauriger als traurig, aber wahr.

„Du bist also schon öfter fremdgegangen?“, erkundigt sich Pauline für ihr imaginäres Protokoll und wahrscheinlich auch für das Bild, das sie sich von Rike machen möchte. „Ich bin schon mal fremdgegangen: ja. Einmal bei Sven und einmal in einer kürzeren Beziehung, die ich heute aber nicht mehr als Beziehung zähle. Aber ich muss zugeben, dass ich bei Stefan auch schon öfter in der Situation war, dass es kurz davor war. Und in einer dieser Situationen stecke ich – ganz ehrlich – gerade drin.“ Rike seufzt.

Da wir vier das alle noch nicht gewusst haben, müsste jetzt eigentlich der erstaunt-erschrockene und gleichzeitig

so ergötzende „Waaas?“-Teil folgen, aber er bleibt aus. Der Nachrichtenwert einer solchen Story bei Rike – nach ihrer Vorrede und nach all dem mittlerweile angesammelten Wissen über ihre dem Abendrot entgegenblickende Beziehung mit Stefan – ist einfach gering. Die Gesichter bleiben leer, und Rike führt weiter aus:

„Warum ich es nicht mache, hat einfach den Grund: Ich kann ihn nicht anlügen. Klar kann ich es ihm verschweigen, aber wenn er mich direkt darauf ansprechen würde, müsste ich ihm die Wahrheit sagen. Das Problem, nicht lügen zu wollen, hatte ich sonst nie. Eigentlich bin ich nicht die Person, der es leidtut, wenn sie jemanden betrügt. Ich hatte da nie ein schlechtes Gewissen.“

„Aber warum nicht?“, frage ich, da mir diese Sichtweise schon ein bisschen übel aufstößt. „Warum nicht? Weil es mir ja viel gebracht hat.“ „Und was ist mit dem typischen Gedankengang: Wenn er es erfährt, wird er total verletzt und vor den Kopf gestoßen sein. Warum zum Henker tue ich ihm so etwas an? Was ist mit der Idee `Offenheit in einer Beziehung finde ich wichtig´?“, harke ich nach. „Fremdgehen muss man nicht beichten. Wenn ich es getan hab, hatte ich deswegen nie ein schlechtes Gewissen – weil mir klar war, dass mein jeweiliger Freund es nie erfahren würde.

„Rike hustet kurz mit der Hand vor dem Mund und meint dann: “ Und spontanes Fremdgehen finde ich einfach nicht schlimm. Wenn ich daran denke, dass Stefan gerade mit irgendeiner anderen Tante eine Nummer schiebt, dann finde ich den Gedanken nicht so störend wie die Vorstellung, dass er mit irgendeiner Dame romantisch an einem See sitzt und sich über Gott und die Welt unterhält. Sex ist wie Sport. Ich hätte eher ein Problem damit, wenn ich wüsste, die Frau kann mit mir nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch insgesamt mithalten. Solange es nur um das Körperliche geht, gilt für mich: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“ Christina gibt ein ironisch gezischtes:

„Ich höre nichts. Ich sehe nichts. Ich weiß nichts. Mein Name ist Hase“ von sich und Pauline beugt sich nach vorne, als wolle sie Rike näher sein, um sie zu verstehen. […]

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