„Ich hasse Weicheier“

Buch-Auszüge: 1. Teil:

„Ist eine lange Beziehung am Ende, wenn man keine Lust mehr hat, mit dem anderen zu schlafen?“ Oder ist das normal, und es geht immer so?

Nachdem die Frage im Raum steht, gucken fast alle Mädchenaugenpaare auf Rike – außer Paulines. Pauline ist erst verwirrt, weil sie realisiert hat, dass sie die Einzige ist, und guckt schließlich auch zu Rike rüber. Dann folgt eine kurze Stille. „Das ist wohl mein Thema“, gesteht Rike und grinst dabei wie ein Rabaukenjunge, der vor Mama zugibt, dass er total cool, aber auch total blöd mit voller Absicht den Gartenzaun eingetreten hat. „Und ich kann euch auch gleich gestehen: Stefan hat von gestern auf heute bei mir übernachtet, und wir hatten keinen Sex.“

Juleska Vonhagen "Herzmist"  Fünf junge Frauen 33 Mädchengespräche über Liebe, Leid und Leidenschaft Schwarzkopf & Schwarzkopf Preis 9,90 Euro

Juleska Vonhagen: Herzmist. Fünf junge Frauen. 33 Mädchengespräche über Liebe, Leid und Leidenschaft. Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf, Preis: 9,90 Euro. (Quelle: "The Face")

„Kommt vor …“, meint Pauline, die noch nicht weiß, dass dieser eher öde Zustand mittlerweile normal im Beziehungshause Rike & Stefan ist. „Ich muss dazu sagen, dass ich seit über drei Jahren mit Stefan zusammen bin. Stefan ist 29, dunkelhaarig, sportlich, witzig und eigentlich so mein kompletter Traummann. Er ist die perfekte Kombination aus Unspießigkeit und den Vorteilen von Spießigkeit, genau wie ich es mag.“

„Hä?“

„Also ich meine, er hört HipHop, er skatet, er hat Bock im Leben was zu erleben und er hat eine grüne Einstellung, sag ich mal so, aber trotz allem hat er auch einen extrem guten Job bei einer bekannten deutschen Firma, er verdient gutes Geld, aber würde es nicht für einen Urlaub in Aspen, St. Moritz oder für Fünf-Sterne-Golfen in Marbella ausgeben, sondern eher für einen Rucksacktrip durch Skandinavien oder eine Reise nach Goa oder …“ Rike hält inne, in der Hoffnung, mit ihren leicht oberflächlichen Beschreibungen das von ihr präferierte Lebensgefühl eingefangen zu haben: „Versteht ihr, was ich meine? Er arbeitet, und das auch erfolgreich, aber das macht nicht sein Leben aus. Wir verstehen uns blendend, er ist meine erste Adresse, an die ich mich mit allem wenden kann, er liebt mich, er würde alles für mich tun, er bringt mich zum Lachen, bringt mich auf neue Ideen, er ist der perfekte Vater für die Kinder, die ich mal haben will, und ich weiß auch, dass ich die Zukunft, die ich mir erträume, mit ihm leben könnte.“

„Das klingt alles nach einem großen, großen `Aber´ …“, kombiniert Pauline. „Sehr scharfsinnig von dir“, witzelt Christina. „Wo wir jetzt doch beim Thema `Lange Beziehungen und Sex-Probleme´ sind.“ „Um es kurz zu machen: Eigentlich sind wir das perfekte Paar.Ich liebe ihn. Das steht gar nicht zur Debatte, das weiß ich einfach.“ Rike macht eine Pause und erklärt uns, warum sie das so sicher weiß: „Wenn ich ihn manchmal angucke oder er irgendwas sagt, dann rutscht das aus mir raus: Ich liebe dich. Oder ich sitz nur irgendwo rum und denke an das, was er letztens gesagt oder gemacht hat, und wieder flattern mir dann die drei berühmten Worte in den Kopf. Es ist also ganz sicher nicht so, dass da keine Gefühle mehr sind, aber …“, Rike hält inne, „Ich habe einfach absolut keinen Bock mit ihm zu schlafen.“

„Hast du denn generell Lust auf Sex?“, fragt Pauline, begleitet von Gesten, wie Beckmann sie nicht besser draufhaben könnte. Rike guckt zur Seite, als wäre sie kurzfristig beschämt: „Ich habe mir in den letzten Monaten gedacht, dass ich vielleicht einfach nicht so der sexuelle Typ bin. Andererseits: Damals bei Sven war ich es schon, wir haben extrem oft miteinander geschlafen. Und auch dazwischen hatte ich ja die ein oder andere Kurzbeziehung oder mal eine Sache für eine Nacht oder so. Ich mag Sex eigentlich schon.“

Rike lacht: „Wenn ich mich so höre! Was ist das für eine Aussage?! Klar mag ich Sex. Verdammt, wer mag das nicht. Aber momentan hab ich einfach keine Lust mehr drauf. Mit ihm wenigstens nicht. Ich versteh es auch nicht. Wenn ich Stefan sehe, denke ich mir, dass er ein attraktiver Mann ist. Natürlich sehe ich das. Es gibt auch Momente, in denen ich ihn noch so richtig bewundere, zum Beispiel wenn wir uns irgendwo treffen und er kommt um die Ecke, dann stellt man sich ja manchmal so etwas vor wie: Wie wäre es, wenn man die Person nicht kennen würde?“ Rike verliert den Faden. „Ach …“, kommt nur noch, sie guckt auf ihre Beine, dann wieder hoch: „Ich hab gestern zum Beispiel gemerkt, dass er versucht hat, dass es dazu kommt.“

„Und wenn du es einfach machst?“, fragt Evi: „Der Appetit kommt ja manchmal auch erst, nachdem man schon längst in den Braten gebissen hat.“ „Es ist ja nicht so, als hätte ich das nicht ab und zu zugelassen. Sonst kann man so eine Beziehung ja auch nicht aufrecht erhalten. Wenn man monatelang nicht miteinander geschlafen hat, was ist man denn dann noch? Befreundet? Ist man dann wieder ein Grundschulpärchen? Zeitmaschine und – zack – zurück, oder was? Gehen wir jetzt nächsten Freitagnachmittag in die Kinderdisco und trinken Händchen haltend Fanta?“

„Wie war es denn, wenn du mit ihm geschlafen hast, obwohl du eigentlich keine Lust hattest?“ „Technisch war das alles einwandfrei, ich hab sowieso nicht so die Probleme zu kommen. Ich komme jedes Mal. Und Stefan versteht was von dem, was er da macht. Ich meine, ich höre oft Geschichten von Freundinnen, die sagen: `Ach, wie orientierungslos der da an mir rumdrückt und -sucht, das bringt überhaupt nix.´ Dann denk ich mir schon manchmal: Ich würd euch Stefan ja gerne mal für eine Nacht leihen. Dann merkt ihr mal, was bei der richtigen Tastenkombination so alles mit euch passieren kann.“ Rike lacht.

„Er hat einfachen einen guten Instinkt. Aber trotzdem kann ich den Sex mit ihm nicht mehr genießen. Nicht weil seine Hände, sein Zunge oder sein Geschlechtsorgan ihre Arbeit nicht zufriedenstellend bewältigen, sondern weil ich mich von ihm als Person nicht mehr angetörnt fühle. Es ist wie eine anstrengende Sportart, auf die man keine Lust hat.“ […]

„Baby did a bad, bad thing.“ Was ist eigentlich, wenn man „ihn“ betrügt?

Weiter geht es auf der nächsten Seite

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert