„Frühling, Ahoi“: So wirbt das Hafen-Viertel

Ein Beitrag von Annika Koenig

Wer in Dortmund ausgehen will, den treibt es oft direkt in die Innenstadt. Hier suchen sich die Nachtschwärmer ihre Cocktail-Bars und Kneipen. Scharen besonders hipper Studenten mit Nerd-Brillen und Bloggerinnen-Dutt zieht es vielleicht ins Kreuzviertel. Dabei ist es nicht der einzige Stadtteil mit jungen Anwohnern, Bars und gutem Essen. Deswegen startet am Wochenende ein Flirt-Versuch des Hafen-Viertels mit neuen, potentiellen Nachteulen.

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Einsam dreht der Affe seine Runden an der Decke. Fotos: Annika Koenig

Es ist 18.15 Uhr. Im Hafen-Viertel zwitschern immer noch die Vögel (sogar relativ penetrant). Aus einer Eck-Kneipe an der Gneisenaustraße tönen eher elektrische Geräusche: „Pling“, „Pling“, „Schnarr“. Hier liegt das „Subrosa“. Ein urgemütlicher „Musik-Schuppen“, wie der Besitzer Cornel Alex seine Kneipe nennt. Sie lädt heute offiziell zum „Frühlingserwachen“ ein. Wer aber Ostereier und bunte Blümchen erwartet, liegt falsch. Die Besucher treffen vielmehr auf eine Mischung aus Hafen-Kneipe, Ruhrpott-Charme und jeder Menge bunten „Krams“. Da baumelt zum Beispiel ein Stoff-Affe samt Sonnenbrille und Mütze von einer sich drehenden Meisterschale (BVB) von der Decke. Und ein Plakat vom ABBA-Sänger Björn Ulvaeus ersetzt das „Männlein“-Schild an der Toiletten-Tür. Irgendwie hat jedes Stück seinen Platz und schafft ein großes Ganzes. Wie eine riesige Collage wirkt es, das Subrosa.

Mehr Leute ins Hafen-Viertel

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Cornel Alex hat über Jahre den "Tinnef" für das Subrosa zusammengetragen.

In der Deko ist es also nicht zu finden, das Frühlingserwachen. Worum es wirklich geht, erklärt Cornel (Hier, in der Kneipe, duzt man sich). Seit 19 Jahren hat er seinen Laden und es läuft gut, sagt er. Aber außerhalb des Viertels sei das Subrosa eben doch immer noch ein Geheim-Tipp. „Das wollen wir ändern und auch anderen Leuten aus Dortmund das Viertel näher bringen.“ Wir – das sind nicht nur Cornel, sondern auch das Veranstaltungs-Boot „Herr Walter“ und die „Hafenliebe“, die ebenfalls im Hafen liegen. „Wir haben eine Reihe von Veranstaltungen geplant, die wir zusammen unter das Motto ‚Unten am Hafen‘ stellen.“ Das erste gemeinsame Wochenende ist das Frühlingserwachen, es folgen noch drei in diesem Jahr. Passend zum Wechsel der Jahreszeiten, wollen die drei Vertreter der Hafen-Gastronomie für mehr Betrieb und auch ein wenig positive Promotion sorgen. Gesponsert wird das Projekt vom Dortmunder Unternehmen DSW21.

Man habe nämlich ein kleines Standortproblem, scherzt Cornel. „Das ist nicht wie im Kreuzviertel, da haben die Leute das Geld gleich in der Tasche. Es ist eben doch auch ein sozialer Brennpunkt hier. Deswegen sind die Mieten günstig, dass zieht viele Studenten an. Die machen das Viertel aber besonders lebendig.“ Doch am Anfang haben die Anwohner sich Sorgen gemacht. „Sie dachten, hier würden nur Uselige hinkommen oder es wäre eine Drogenhöhle. Aber hier macht keiner was, wir sind harmlos“, lacht Cornel und zieht die Augenbrauen hoch, als wollte er sagen: „Meistens.“

Im 3-Klang

Dass man hier nicht nur nette Leute, sondern auch gute Musik antreffen kann, will man mit dem Frühlingserwachen zeigen. Im Subrosa putzt man dafür aber nicht die Diskokugel und schmeißt sich hübsch und ordentlich in Schale, sondern zeigt was man am besten kann. Und dazu gehört die Konzertreihe  „3-Klang – Das Bonsaifestival“. Ein Mini-Festival: drei Bands, 33 Minuten, um zu überzeugen. Veranstaltet wird es von Hannes Weyland, der selbst Musiker ist und bald seine eigene Platte herausbringt. Hannes kommt eigentlich aus dem Sauerland und ist zum Studieren nach Dortmund gezogen. „An der Uni bin ich wohl immer noch eingeschrieben“, sagt er und grübelt. Und das passt zu ihm, denn wie er selbst sagt, ist er immer noch ein bisschen auf der Suche. Als er hier ankam, wurde das Subrosa durch einen Kumpel seine erste Anlaufstelle im Viertel und dann ist er dort hängen geblieben. Erst selbst auf der Bühne als Musiker, dann als Moderator und jetzt als Veranstalter des 3-Klangs. Der Fokus liegt auf Singer-Songwriter-Musik. „Rock-Konzerte, in der Woche und in einem Wohngebiet, das geht ja nicht“, erklärt der Besitzer.

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Hannes Weyland gibt auch Bands eine Chance, die noch nie zuvor aufgetreten sind.

Gute Musik auf die Bühne

„Wir wollten das Feeling der offenen Bühne, dem Talentschuppen, aber mit mehr Abwechslung.“, erklärt Hannes und Cornel ergänzt: „Und wenn wir mal ehrlich sind auch mit mehr Qualität.“ Die Bands für das Festival entdecken sie manchmal trotzdem bei dem „Talentschuppen“. Und sie durchforsten die Anfragen, die bei Cornel und Hannes im Postfach landen. Und das sind viele. „Das Festival hat einen guten Ruf, nicht nur in Dortmund. Viele möchten sich und ihre Musik hier zeigen.“ Dann muss Cornel wieder los zum Mischpult. In Jeansjacke und mit Zigarette hinterm Ohr steht er da und schiebt geschäftig Regler hoch und runter. „Ist gut.“, sagt er zu dem Musiker auf der Bühne. Heute Abend ist er nicht nur der Besitzer des „Subrosa“, sondern auch der „Ton-Mann“. „Die Arbeit macht natürlich nicht nur Spaß, wie bei allen anderen Jobs auch.“, erzählt er zwischen bunten Mischpult-Knöpfen und Herumgeschraube an einem Verstärker. „Es ist echt zeitintensiv. Aber als ich mit 26 hier angefangen habe, war ich jung und mutig. Da war gerade Grunge besonders in, vor allem Nirvana. Dabei war der Laden vorher eine gutbürgerliche Kneipe.“

Keine Panik, auf der Titantik

Gegen halb sieben laufen dann nach und nach die ersten Vorbereitungen für den Auftakt des Frühlingserwachens an. Gitarren-Seiten werden gestimmt und der Ton abgemischt. Die ersten Gäste beziehen die besten Plätze, darunter viele Mädchen, mit einer alten Kamera oder einem Zeichenblock bewaffnet. Über ihren Köpfen dreht sich schon eine Diskokugel. Auf der Bühne stehen auch schon Instrumente, etwas verloren sehen sie aus, im Licht der behelfsmäßigen Neon-Röhre. Auch eine Holzkiste steht dort. Später stellt sich heraus, dass es ein Blasebalg-betriebenes Musikinstrument ist.

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"Bitte, glaub mir" heißt ein Lied von Helmolt. Ihr erster Auftritt war im Subrosa.

„Mann muss dem Kind ja einen Namen geben!

Welche Musik denn heute Abend läuft? „Ja, Pop, Jazz und viel Singer-Songwriter-Musik. Man muss dem Kind ja einen Namen geben. Helmolt aus Köln, die heute auch auftreten, machen Indie und Pop.“ Cornel unterbricht Hannes: „Ne, eher Folk!“ „Folk? Dann sag doch lieber experimentell.“ Und irgendwie sind sie das alles auch, als Helmolt dann zu viert durch die dichtgedrängte Menge der Zuschauer schüchtern auf die Bühne schleichen. Und eine Spur Philipp-Poisel. Und vor allem machen sie ihr eigenes Ding. Sie benutzen Gitarre, Geige, Mini-Metallophon, Mundharmonika. Und Sänger und Sängerin singen davon, wie sie sich bei einem Musik-Festival kennengelernt haben. Der Affe dreht währenddessen völlig unberührt weiter seine Runden. Viel später am Abend fühlen sich die 33 Minuten pro Band viel länger an und es stellt sich tatsächlich ein klein wenig Festival-Ende-Melancholie ein.

Das war aber noch nicht alles

Aber HALT: Das Frühlingserwachen geht doch noch weiter und zwar am Samstag, 31. März. Die Hafenliebe eröffnet im renovierten Zustand ihre Türen. Um 16 Uhr geht es los, der Eintritt ist frei und dabei sind: Kaptain Hannes, Rocco ‚Guitar‘ Wiersch, Captain Twang & his Rhythm Cat und Higher BuBU. Auf und um das Schüttgüterschiff Walter spielen ab 20 Uhr die „Country Boys“. Anschließend gibt es eine „Ü-30 Party“. Und auch im Subrosa gibt es Musik. „The Stewardesses“ bringen bekannte Hits wie „Türlich, Türlich“ von das Bo, „Is it cos´ I’m cool“ von Mousse T. auf ihre ganz eigene Art auf die Bühne.

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