Duell: Frauenquote – Diskriminierung oder Chance?

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In Deutschland gibt es ungefähr gleich viele Männer und Frauen – trotzdem haben in der Wirtschaft fast nur Männer das Sagen. Klingt unfair, aber sollte man Firmen deshalb dazu zwingen, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen? Oder ist eine Frauenquote Diskriminierung?

pro contra
Diese Zahlen können wahrscheinlich nur noch von katholischen Priestern getoppt werden: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung lag 2011 der Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten Unternehmen Deutschlands bei lediglich 3,2 Prozent. 10,6 Prozent der Aufsichtsräte waren Frauen, die Mehrheit von ihnen waren aber Arbeitnehmervertreterinnen und keine Managerinnen. Die weibliche Hälfte Deutschlands hat in der Wirtschaft nichts zu sagen. Dort, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden, gedeiht noch immer eine jahrhundertealte männliche Monokultur.

Denken in Kategorien

Dass diese „Männergesellschaften“ Frauen bewusst ausschließen, kommt mit Sicherheit vor – trotzdem ist Frauenfeindlichkeit nicht die Hauptursache des Problems. Es mangelt auch an Frauen, die in Spitzenpositionen der Wirtschaft vordringen wollen. Denn Managerinnen werden in Deutschland ebenso schief angesehen wie Geburtshelfer oder Kindergärtner. Viele Menschen denken immer noch in den Kategorien „Männerberuf“ und „Frauenberuf“. Ebenso ist es für Frauen schwer, Karriere und Kind miteinander zu vereinbaren. Doch nicht zuletzt ist die Chefetage ein Hort der Männlichkeit. Alles, von den Wertvorstellungen bis zu den Umgangsformen, ist von Männern geprägt. Frauen haben es schwer, sich dort zu etablieren.

Die gesetzliche Quote muss kommen

Um diese, von Testosteron verkrusteten, Strukturen aufzubrechen braucht Deutschland eine Frauenquote. Die Unternehmen müssen gezwungen werden, mehr Frauen in Spitzenpositionen einzustellen. Ist der Anfang erst gemacht, wird der höhere Frauenanteil dafür sorgen, dass es für die nächste Generation der Managerinnen leichter und attraktiver wird, einen Posten zu ergattern. Außerdem werden die Unternehmen feststellen, dass Frauen ebenso so gute Manager abgeben wie Männer.

Die Frauenquote muss gesetzlich festgeschrieben werden, da die freiwilligen Initiativen der Wirtschaft bislang wenig erreicht haben. Zehn Jahre nach der 2001 unterzeichneten „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“, sitzen in den Chefsesseln immer noch zu wenig Frauen. Warum sollten die Männer auch von ihrer Macht abgeben?

Zeitweilige Diskriminierung

Natürlich ist es ein wenig schizophren, Gleichbehandlung mithilfe einer gesetzliche Quote durchzusetzen. Denn eine Frauenquote diskriminiert schließlich wieder die Männer. Ein Unternehmen könnte beispielsweise gezwungen sein, eine Frau einzustellen, obwohl der männliche Bewerber besser qualifiziert war. Außerdem könnte die Frauenquote andere Quoten nach sich ziehen, zum Beispiel zu Gunsten von Menschen mit Migrationshintergrund.

Doch trotz dieser Probleme muss ein Anfang gemacht werden. Jetzt. Und ich gehe lieber das Risiko ein, für eine gewisse Zeit diskriminiert zu werden, als die Zukunft der Wirtschaft in die Hände ein paar alter, weißer Männer zu legen – während der Rest keine Chance hat mitzureden.

Wir schreiben das Jahr 2017: Anna (24) sitzt neben Ben (25) im Foyer der Firma XY. Beide haben sich dort auf ein und dieselbe Stelle beworben und warten nun auf das Ergebnis ihres Vorstellungsgesprächs. Ben hat BWL studiert. Anna auch. Ihr Schnitt: 1,0. Seiner auch. Er kann bereits zig Praktika vorweisen. Sie – auch. Absolut identische Qualifikationen also. Der einzige Unterschied: Ben ist ein Mann und Anna eine Frau. Der Personalchef kommt raus. Es gibt ein kurzes Gespräch. Anna hat den Job. Hurra, Hurra, die Frauenquote ist da!

Diversität in der Runde

Die EU-Kommission will, dass große Unternehmen bis 2020 40 Prozent ihrer Stellen in den Aufsichtsräten mit Frauen besetzen. Wenn das nicht klappt, gibt’s Geldbußen. Na das ist doch mal ein großartiger Vorschlag! Den Unternehmen wird einfach aufgezwungen auch mal den Frauen ‘ne Chance zu geben und Bewerberinnen müssen sich also in Zukunft gar keine Mühe mehr machen. Denn haben sie erst einmal dieselben Kompetenzen wie ihre männlichen Mitbewerber (was gar nicht mal so selten vorkommt), gibt es direkt den Freifahrtschein in die Chefetage.

Anna sitzt nun also im Vorstand der Firma XY. Anna soll Diversität in die Runde bringen. Anna soll Kreativität in die Runde bringen. Anna soll jetzt mit ihrer weiblichen Meinung zu Wort kommen. Doch wie genau soll das funktionieren? Jeder Mitarbeiter, auch Anna, muss sich beweisen, um weiterhin Teil der Firma zu sein. Das oberste Gebot dabei: Aufgaben gut und schnell lösen. So weit, so gut. Aber wo bleibt da der Platz für kreative Entfaltung? Nirgendwo. Wo bleibt die Chance auch mal gegen den Strom zu schwimmen? Nirgendwo. Wo bleibt also Annas weibliche Meinung? Richtig, nirgendwo. Was in Unternehmen zählt ist Leistung und das wird auch keine Frauenquote ändern. Durch mehr Frauen gäbe es Diversität, klar. Doch bei einem solchen Arbeitsklima ist diese wohl eher biologischer Natur.

Quoten für alle

Außerdem: wenn das so ist – wo ist dann die Männerquote für Kindergärten und Grundschulen? Dort sind nämlich die Frauen gnadenlos überrepräsentiert. Wenn schon Frauenquote, dann müssen wir schließlich auch konsequent sein! Das bedeutet: Quoten für alle, die sich irgendwann, irgendwie von irgendwem diskriminiert fühlen könnten. Ein wahrer Quotenregen steht Deutschland bevor. Bis Personalchefs vor lauter Quoten gar nicht mehr wissen, wen sie jetzt bevorzugt einstellen sollen. Und Bevorzugung ist genau das richtige Stichwort.

„Die hat die Stelle doch bloß wegen der Quote bekommen“, denken jetzt schließlich Annas Kollegen. Richtig, Anna ist jetzt nämlich eine Quotenfrau. Und diesen Stempel wird sie nie wieder los. Nicht sehr förderlich für ihr Selbstbewusstsein. Denn, wer eine Sonderbehandlung genießt, muss doch irgendeinen Fehler haben – sonst könnte er schließlich wie jeder andere behandelt werden.

Aus eigener Kraft aufsteigen

Die Frauenquote versetzt Frauen in die Rolle der Unterlegenen. 
Frauen möchten doch aus eigener Kraft beruflich aufsteigen. All die Mühe, die sie sich im Vorfeld geben, wird wertlos, sobald sie die Stelle nur aufgrund ihres Geschlechts bekomme. Die Tatsache, dass sie Frauen sind, sagt nichts über ihre Persönlichkeit aus. Und gerade die ist es, die den Menschen in seinem Beruf ausmacht. Frauen brauchen keine Sonderrechte. Sie brauchen Gleichbehandlung. Und das ist doch auch das Ziel der Frauenquote. Aber Gleichbehandlung durch Sonderrechte? Völliger Schwachsinn.

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann, Teaserfoto: Marianna Deinyan

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