Buchrezension: „Privatsache Handtasche“

Es gibt sie aus Leder, als Jutebeutel oder mit bunt gemusterten Stoffen – die Handtasche. Frauen tragen sie täglich mit sich herum, für Männer ist sie aber eines der größten ungelösten Rätsel des Alltags. Das behauptet zumindest der Soziologe Jean-Claude Kaufmann und schrieb deshalb eine Ode an die Handtasche, die Frauen entzücken und Männer aufklären soll.

Privatsache Handtasche Cover

Neben den persönlichen Erzählungen greift „Privatsache Handtasche“ auch die Geschichte der Tasche und den Wandel ihrer Bedeutung auf. Foto: UVK-Verlag

Jean-Claude Kaufmanns erste Schritte zum Thema Handtasche waren relativ spontan. „ In einer Kolumne für die Zeitschrift Psychologies Magazine rief ich daher ganz ungezwungen zu Zuschriften zu diesem Thema [der Handtasche, Anm. d. Redaktion] auf. Mein Traum war, dass mir die Frauen von ihrem Leben/ihren Taschen erzählten“, schreibt er in seinem Vorwort.

Kaufmann erhielt 75 Antworten von verschiedenen Frauen, was seine Entscheidung für das Thema besiegelte. 18 Monate lang untersuchte er daraufhin die Geschichte der Handtasche und traf sich mit Frauen, die ihm ganz persönliche Geschichten erzählten.

Er traf sich zum Beispiel mit Kathryn, die sagt, dass nur ein Wahnsinniger einen Blick in die Handtasche einer Frau werfen würde. Ein Blick in die Handtasche einer Frau sei nämlich ein Blick in ihre Seele. Kathryn zieht für sich eine klare Grenze, wenn es um die Geheimnisse geht, die in ihrer Tasche schlummern. Anders als Sabrina, die jedem gern ihre Tasche öffnet und die Vorstellung für lächerlich hält, dass Frauen einen Teil von sich selbst in ihrer Tasche verstecken. Dann gibt es noch Nina, die lieber über die ästhetischen Gründe philosophiert, die sie zum Kauf einer Tasche bewegen – und 72 andere Geschichten, die der von Nina stark ähneln.

Zu viele Frauen, zu viel Verwirrung

Valmontine, Ingrid, Marion, Apolline, Noisette, Elvie, Sandra, Melody, Zoé… jede von ihnen hat etwas zu sagen. Über Style, Selbstfindung und das Ordnungssystem in ihrer Tasche. Das Problem: Bei so vielen Namen kann sich der Leser  kaum eine einzelne Geschichte merken, geschweige denn sich mit der Anschauung einer Befragten identifizieren. Man verliert einfach den Überblick. Leider handelt Kaufmann die Erzählungen der Frauen zudem sehr schnell ab, so dass sie jeweils kaum mehr als eine halbe Seite Text im Buch einnehmen. Daher hätte es „Privatsache Handtasche“ vielleicht besser gestanden, nur zehn detailliertere Schilderungen zu veröffentlichen, die sich die Zeit nehmen, den Leser wirklich zu packen und zu berühren.

Neben den persönlichen Erzählungen greift „Privatsache Handtasche“ auch die Geschichte der Tasche und den Wandel ihrer Bedeutung auf. Vom praktischen Transportmittel bis zum sexy Accessoire – die Tasche hat eine lange Reise hinter sich, die Kaufmann detailliert erläutert. Dieser historische Wandel wird im Buch sehr formell beschrieben und erinnert an eine  Dokumentation. Auch die psychologischen Aspekte der Handtaschenbenutzung sind ein Thema.

Die Tasche kann zum Beispiel als psychologische Waffe benutzt werden, um sich bewusst von anderen abzusetzen. Bestätigung für diese These fand Kaufmann in dem Modeblog „Sexy Handtasche“, den er zu diesem Thema zitiert. Fundierte wissenschaftliche Quellen gibt er zu dieser Annahme aber nicht an.

Viel Lärm um nichts?

Kaufmanns Werk kann sich leider nicht entscheiden: Wissenschaftliche Untersuchung oder seichte Unterhaltung – was will „Privatsache Handtasche“ letztendlich sein? Die Frage bleibt offen und der Leser muss sich mit der Mischung aus humorvollen Anekdoten und wissenschaftlichen Informationsblöcken arrangieren. Der 64-jährige Soziologe beschäftigt sich in seinen Beobachtungen schon lange mit Themen zwischen menschlichen Beziehungen und dem Alltagsleben. Dieses Mal hat er jedoch zu tief in die Klischeekiste gegriffen und ausgerechnet die Beziehung der Frau zu ihrer Handtasche herausgezogen. Fast 200 Seiten widmet Kaufmann einem Gegenstand, der zweifelsohne das Leben einer Frau berührt, fraglich bleibt allerdings, ob er der einfachen Tasche nicht etwas zu viel Bedeutung beimisst.

Das Thema Handtasche ist doch etwas abgegriffen, neue Erkenntnisse bietet das Buch den Lesern nicht. Den meisten Frauen dürfte ohnehin bekannt sein, was sich – von Kugelschreibern bis Make-Up-Täschchen – in den rätselhaften Beuteln verstecken kann.

Eine ganze Wissenschaft daraus zu machen ist wohl etwas übertrieben. „Privatsache Handtasche“ richtet sich daher nur an passionierte Trägerinnen und Sammlerinnen von Taschen, die erfahren möchten, wie Gleichgesinnte den Umgang mit dem heißgeliebten Alltagsgegenstand empfinden. Sie jedenfalls dürften von der Ansammlung an Erfahrungsberichten in Kaufmanns aktuellem Werk begeistert sein.

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