Flexibles Forschen

Der Geruch beim Öffnen der Tür von einem chemischen Labor, ist für einen Laien meist undefinierbar – fast angsteinflößend, wenn man jemals selbst mal einen undichten Gasboiler im Bad hatte.

In der organischen Chemie ist dies alltäglich. Dabei ist eine gute Lüftung während des „kochens“ (also dem Erwärmen von Chemikalien) von immenser Bedeutung. Normalerweise wird im NC Gebäude die Laborluft circa achtmal stündlich ausgetauscht. Kochzeiten können in Ihrer Länge stark variieren, anfangs komplett unbekannt sein und bis zu Tage oder Wochen andauern. Eine Promotion in diesem Fach beinhaltet auch das Herausfinden dieser Kochzeiten beim Entwerfen von Experimenten. Ob ein Ansatz (also der Start eines Experiments mit der Startzusammensetzung an Chemikalien) eine, zwei oder mehrere Nächte lang auf einer bestimmten Temperatur kochen muss, ist für manche das Spannendste.

Vor ein paar Monaten stieß der promovierende Paul* auf eine für ihn interessante Änderung an der Ruhr Universität. Im Zuge des letzten Energiesparkonzeptes „Sparen am richtigen Ende“ wird die Lüftung in fast allen Gebäuden werktags ab 22 Uhr auf ein Minimum herunter gefahren. Sonderregelungen gibt es zum Beispiel bei der Versuchstierhaltung. Im NC Gebäude aber war ihm keine Sonderregelung dieser Art bekannt, sondern wurde aufgefordert, jeden Nachtlauf (Kochen über Nacht) anzumelden.

Kurz nach Bekanntgabe dieser Neuerung begann Paul ein neues Experiment und wusste bereits, dass er die Leitwarte anrufen muss, damit die Lüftung über Nacht anbleibt. Telefonisch gab er durch, welche Chemikalien bei welcher Temperatur in welchem Raum über Nacht kochen sollten und die Lüftung war für die Nacht gesichert. Wie das so ist, wenn man die Chemie nicht exakt abschätzen kann, wiederholte er diese Prozedur am nächsten Tag. Am dritten Tag (es war nach 16 Uhr) erfuhr er, dass er ein Formular zur Anmeldung eines Nachtlaufes ausfüllen muss. Dies sei nur bis 15Uhr des Vortages möglich, aber heute würde dann eine Ausnahme gemacht.

Durch viele Beschwerden innerhalb der Fakultät wurde diese Regelung geändert: Anmeldungen zum Nachtlauf waren nun bis 17 Uhr des Vortages möglich. Pauls Ansatz hatte nach der dritten Nacht immer noch nicht genug geköchelt, also füllte er erneut ein Formular für die nächsten zwei Nächte aus. Aus Zeitgründen gab er diesen über einen Mitstudenten ab und rief vorsichtshalber nochmal an, um die niederschmetternde Antwort zu erhalten, dass er dies doch gleich für drei Wochen hätte anmelden sollen. Schließlich würde das doch beiden Seiten Arbeit ersparen.

Das aber konnte nicht Sinn des „Energie sparens“ der Universität sein, somit wurde lehrstuhlübergreifend nach einer Änderung dieser Handhabe gebeten. Ein paar Tage später dann die Erleichterung: Wenn ein Laborraum im NC über Nacht maximal belüftet werden soll, dann muss lediglich ein bestimmter Knopf am Eingang des Labores gedrückt werden. Susanne*, die im gleichen Labor seit über 30 Jahren arbeitet, meinte daraufhin grinsend, dass sie jetzt endlich weiß, „was wenigstens einer der sechs Knöpfe in der über 45 Jahre alten Türleiste für eine Funktion hat.“

*Namen auf Wunsch verändert.

1 Comment

  • frabster sagt:

    Haha, ja so schön kann bürokratie sein aber es macht sehr viel Spaß darüber in so einem „von oben draufbickenden“ Schreibstil zu lesen.
    Weiter so

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert