Teste dich: Das sagt deine Tasche über dich aus

Am roten Teppich, auf dem Kudamm oder in Mailand – überall kippen Frauen ihren Tascheninhalt für sie aus. Handtaschentherapeutin Rosanna Pierantognetti hat bereits über 1000 Taschen analysiert. Im Interview spricht sie über Taschentypen, schockierende Inhalte und die Bedeutung des Reißverschlusses.

Frau Pierantognetti, was sind Sie selbst für ein Handtaschen-Typ?
Rosanna Pierantognetti: Ich bin eine typische Pippilotta-Deluxe, eine Glückstrategin. Das sieht man schon an den ganzen Farben: Unheimlich bunt und schillernd. Bei mir muss alles farbig sein. Das macht mir einfach gute Laune.

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Rosanna Pierantognetti ist eine Glücksstrategin.

Was genau macht eine Taschentherapeutin?
Ich analysiere Frauen anhand ihrer Handtaschen und ihres Handtaschen-Inhaltes. Ich schaue mir Form, Farbe, Materialien, Marke und die Anzahl der Dinge darin an. So erkennen ich, was für eine Frau die Besitzerin ist oder was für einen Charakter sie hat. Ich helfe ihr, ihre eigene Work-Life-Bag-Balance zu verbessern. Das ist die Balance zwischen Leben, Arbeit und der Tasche, die man täglich mit sich herum schleppt. Sie sollte möglichst ausgeglichen sein.

Wie kann man diese Balance verbessern?
Ich schreibe ein Rezept auf und sage der Frau zum Beispiel, dass sie eher eine rechteckige, gerade Form in dunklen Tönen braucht. Diese Taschen sind besonders für Frauen geeignet, die sehr strategisch oder strukturiert vorgehen. Oft empfehle ich auch zukünftig etwas Fröhliches, Emotionales in die Tasche zu packen. Das können Glücksbringer, Erinnerungsfotos, Geschenke von Freunden oder Spielzeuge der eigenen Kinder sein.

Welche Handtaschentypen gibt es?
Ich habe jetzt in mehr als 1000 Taschen geschaut und dabei vier Haupttypen ausgemacht: Das sind einmal die Spaßhaberinnen, das sind meist sehr junge Frauen. Die Glücksstrateginnen sind ein bisschen ältere Frauen, die wissen, wo sie ihr Glück finden. Die Alleskönnerinnen sind meist Business-Frauen: Sehr organisiert, strukturiert und fokussiert. Und zuletzt die Friedensstifterinnen: Das ist der Typ Frau, der eher auf Nachhaltigkeit Wert legt und dementsprechend auch eher Stofftaschen hat.

 

Funktioniert das Ganze auch mit Rucksäcken und Beuteln?
Das Thema funktioniert im Grunde genommen sogar mit Kühlschränken. Man kann mit der Persönlichkeits-Diagnostik bei der Tasche anfangen und beim Auto enden. Beutel und Rucksäcke sind eben auch Behältnisse, die wir den ganzen Tag um uns haben, die unser zweites Zuhause geworden sind oder unsere beste Freundin.

Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen- und Männertaschen?
Es gibt große Unterschiede zwischen Männern und Frauen! Und da muss ich jetzt ein bisschen ausholen, denn das hat was mit der Geschichte der Handtasche zu tun. Die Ursprünge waren reich verzierte Jagdtaschen der Männer. Die Frauen hatten ursprünglich gar keine Taschen, sondern nur unter ihren Röcken kleine Beutel für den Hausschlüssel oder ganz früher Sammelkörbe.

Wie kamen die Frauen dann zur Handtasche?
Die älteste Handtasche stammt aus dem 5. Jahrhundert. Zur Zeit von Napoleon hat die Tasche dann ihre Renaissance erlebt. Als Frauen anfingen, auszugehen, zu reisen und später auch zu arbeiten, verließen sie mehr und mehr das Haus. Je emanzipierter sie wurden, desto größer wurden die Frauenhandtaschen. Die Männer nannten das dann ursprünglich „Retikulum“, „Retikül“ – das Lächerliche – und haben dann ihre Taschen weggelassen.

Frauen und ihre Handtaschen führen anscheinend schon lange eine sehr innige Beziehung. Woher kommt diese Faszination?
Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk hat dazu mal gesagt: Was früher beim Mann der Speer war, ist heute der Fußball. Was früher bei der Frau der Sammelkorb war, sind heute ihre Taschen. Und deswegen ist die Frau auch so stolz, wenn sie mit einer voll gefüllten Tasche vom Shoppen nach Hause kommt, das ist evolutionsbedingt. Das kriegt man so einfach nicht mehr raus.

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Sie hat bereits über 1000 Taschen analysiert.

Gibt es etwas, das sich in jeder Tasche findet?
Die Grundausstattung ist natürlich das Portemonnaie, das Handy und der Schlüssel. Das haben auch die meisten Männer. Dann kommen bei den Frauen natürlich noch Kosmetik- und Hygieneprodukte dazu.

Welchen Tascheninhalt zeigen die Menschen Ihnen nicht gerne?
Häufig schämen sich die Damen, wenn sie Tampons oder Kondome aus ihren Taschen holen. Der Gegenstand an sich ist dabei nicht peinlich, sondern bloß die gedankliche Verknüpfung der jeweiligen Frau. Ich finde es schön, wenn man damit offen umgeht. Tampons und Kondome müssen einem nicht peinlich sein.

Was war das Außergewöhnlichste, was Sie in einer Handtasche gefunden haben?
Ich muss dazu sagen: Mich schockt eigentlich nichts. Bei einer Französin habe ich mal den toten Fingerknochen eines Vorfahren aus dem 15. Jahrhundert gefunden. In Berlin hatte eine Frau 18 Kilogramm Erotikspielzeug in der Tasche – jedoch berufsbedingt. Dann gab es noch eine ältere Frau mit einer Trillerpfeife in ihrer Tasche. Die hatte sie dabei, um ihren Mann wiederzufinden.

Beschreiben Sie doch mal eine typische Studentinnen-Tasche. 
Da gibt’s den Typ Community: Super vernetzt und verdrahtet, mit tausend Kabeln und natürlich einem Tablet oder Laptop in der Tasche. Vielleicht noch etwas Essbares und ein Buch dazu. Und dann gibt’s da den Typ Starshine – die schickere Studentin. Sie will während des Studiums nicht auf Lifestyle verzichten. Die geht dann auch mal mit Mamas Birkin Bag, die mehrere Tausend Euro kostet, in die Uni. Habe ich in München alles schon gesehen.

Von außen betrachtet: Was sagt allein die Wahl zum Rucksack oder der Tasche über die Studentinnen aus?
Rucksäcke haben vor allem Frauen, die auch Macherinnen sind. Die brauchen einfach Freiheit. Auch sportliche Studierende, die mit dem Fahrrad zur Uni kommen, tragen einen Rucksack, um die Hände frei zu haben. Die Schultertasche oder die Messenger Bag erfüllt dabei einen ähnlichen Zweck. Sie sind wie der Rucksack für Macherinnen geeignet. Unabhängig von der Tasche ist aber auch der Reißverschluss ein großes Thema.

Der Reißverschluss als Zeichen sexueller Offenheit.

Der Reißverschluss als Zeichen sexueller Offenheit.

Warum das? Was sagt der Reißverschluss aus?
Freud sagt, dass die Tasche einer Frau ihre verborgene Gebärmutter ist. Da darf kein Mann reingreifen, das ist was ganz Intimes. Und wenn eine Frau den Reißverschluss geschlossen hat, ist sie auch sexuell zugeknöpft. Wenn sie ihn auf hat, ist sie sexuell aufgeschlossen. Ich gehe nicht ganz soweit wie Freud. Für mich bedeutet ein offener Taschenverschluss, dass die Frau aufgeschlossen, kommunikativ und offen fürs Leben ist. Ein kleiner Tipp für die Herren, die auf der Suche sind.

Was halten Sie vom Trend der Jutebeutel?
Finde ich total gut. Zeigt eine Harmonie zur Umwelt. Ein ganz toller Trend!

Oft haben Studentinnen nicht nur eine Tasche dabei, sondern einen Rucksack, einen Beutel und eine Sporttasche. Wie erklären Sie sich mehrere Taschen gleichzeitig? Sind das etwa verschiedene Persönlichkeiten, die man mit sich herumträgt?
Ich glaube nicht. Das ist ein bisschen wie ein Zuhause, wo man sich dann noch ein Zimmer mit dazu nimmt.

Was sagt es über Studentinnen aus, die keine Tasche dabei haben?
Studieren die überhaupt? Oder sind die schon so weit entwickelt, dass die in ihrem Finger alles drin haben? Den Chip der Zukunft? Nein, natürlich gehe ich auch nicht immer mit Tasche raus. Ich mache mal ganz gerne eine Taschen-Diät. Man lernt wieder spontan zu sein. Viele Frauen neigen leider dazu, immer mehr Zeug dabei zu haben.

Was ist der Grund dafür?
Sie fühlen sich ohne die ganzen Dinge unperfekt und haben Angst. Nach dem Motto: Jetzt könnte was passieren und ich hab ausgerechnet heute meine Ersatzunterwäsche nicht dabei. Das sagt schon die Mama immer: Pack dir eine saubere Unterhose ein.

Nehmen wir mal an, ich möchte jetzt eine ordentliche Studentin werden. Was kann ich nur mit dem Inhalt meiner Tasche dafür machen?
Erst mal komplett auskippen und staubsaugen. Und dann den Inhalt sortieren: Was sind Beauty-Hygieneartikel, was Stifte und was Kabelsalat. Für jede Kategorie ein eigenes Täschchen machen und diese Taschen in die Tasche packen. Oder direkt eine Tasche mit Struktur kaufen.

Die Therapeutin packt ihre Tasche aus: „Ich habe Ihretwegen auch nicht aufgeräumt.“

Lassen Sie andere Leute denn auch in Ihre Tasche schauen? Uns zum Beispiel?

Ja, wir können gerne meine Tasche auspacken. Am Anfang hab ich gedacht ich muss mich ändern und total aufgeräumt sein. Dann habe ich gemerkt, dass ich das nicht bin. Das will ich den Frauen vermitteln: Bleibt so, wie ihr seid. Ihr müsst euch nicht ändern. Neunzig Prozent der Frauen haben Chaos in ihren Taschen.

In Ihrem ausgeschütteten Tascheninhalt fallen benutzte Taschentücher und Parfum-Duftstäbchen ins Auge. Warum tragen Sie so etwas mit sich herum?
Ich nutze meine Tasche auch als Müllbeutel. Das heißt, ich pflege sie nicht so. Das ist natürlich auch ein Zeichen dafür, dass ich latent oberflächlich und lebenslustig bin. Das weiß ich.

In welche Handtasche würden Sie gerne einmal einen Blick werfen?
Frau Merkels Tasche reizt mich natürlich schon sehr. Sie drückt mit ihren Taschen immer etwas aus. Sie weiß ganz genau, wie sie Accessoires gezielt einsetzen muss. Als sie damals sehr dicke mit Sarkozy war, hat sie zum Beispiel eine Tasche von einem französischen Label mitgenommen, um dem Staat Frankreich ihre Freundschaft zu zeigen.

Beitragsbilder: Christopher Holletschek

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