Liebe hoch zwei – verliebt in mehrere Menschen

Partner einer polyamoren Beziehung versuchen den Teufel "Eifersucht" zu überwinden. © Martin Müller / PIXELIO

Partner einer polyamoren Beziehung haben nicht selten mit dem Teufel "Eifersucht" zu kämpfen. Foto: Pixelio

Aber woher kommt die starke Verlustangst und der Wunsch, seinen Partner nicht teilen zu wollen? Der privat praktizierende Familien- und Paartherapeut Markus Bärlocher aus Simmelsdorf hat folgende Antworten auf diese Fragen: „Diese Urangst stammt noch aus der Kindheit. Schon als Kind bekommt man sehr schnell den Eindruck, dass sich die ganze Welt nicht nur um einen selbst dreht. Das Kind stellt fest, das es teilen muss, zum Beispiel die Mutter mit den andern Geschwistern oder mit deren Partner. So entwickelt sich eine gewisse Eifersucht und die Angst davor, alleine gelassen zu werden. Also schwört man sich schon als Kind: So was passiert mir nie wieder. Und man versucht dieser Angst vorzubeugen, indem man von seinem Partner Versprechen verlangt, zum Beispiel ewige Treue oder Liebe.“

Ob solche Versprechen allerdings ein Leben lang gehalten werden können, bleibt fraglich. Bärlocher hält es außerdem für völlig normal, dass man, obwohl man in einer Beziehung ist, seinen Blick schweifen lässt. „Kommt es dann – was ja in unserer Gesellschaft normaler ist als Polyamory – trotzdem zu einem sexuellen Kontakt mit jemand anderem, belügt man den Partner oder verschweigt es aus Angst davor, wie der andere wohl reagiert. Man kann dieses Vorgehen durchaus als Betrug bezeichnen, da man das Vertrauen des Partners missbraucht. Das wiederum ist also die Normalität. Aber ist sie besser?“ In einer polyamoren Beziehung geht man mit solchen Dingen idealerweise offen um. Dem Partner soll nichts verschwiegen werden, ergo kann auch kein Betrug stattfinden. Er soll Anteil nehmen können an dem, was im Leben des anderen passiert und sich im optimalen Fall mitfreuen.

Auch eine Mutter liebt zwei Kinder gleich stark

Das wiederum fällt auch vielen polyamoren Menschen nicht so leicht. Eifersucht ist ein zentrales Thema. Allerdings geht man mit ihr oft offener um: Der Partner, der jemand neues kennen gelernt hat, versucht, seinem bisherigen Partner bei der Bewältigung zu helfen. Hier ist es immer wieder wichtig zu zeigen, dass der Partner nicht benachteiligt wird, weil eine dritte Person hinzustößt und dass der Wert des Partners dadurch im Idealfall nicht gemindert wird. Johanna vergleicht das mit den Gefühlen einer Mutter: „Wenn eine Frau zwei Kinder hat, liebt sie beide doch auch ähnlich stark und keines wird bevorzugt.“ Diesen Ansatz empfindet Markus Bärlocher aber als kleinen Selbstbetrug: „Auch eine Mutter mit mehreren Kindern hat oft ein Lieblingskind. Man gesteht es sich aber nicht ein, weil es nicht korrekt ist.“ Auch Johanna findet: „ Es nicht unbedingt so, dass polyamore Beziehungen absolut symmetrisch sind. Es geht nicht um vordergründige Bedürfnisse, sondern um Wesentliches, wo man sich an seinem Innern orientieren sollte. Polyamorie läuft auch definitiv nicht konfliktfrei ab.“

Die Grenze in den Köpfen: Die Gesellschaft lehnt Polyamorie ab

Polys outen sich oft nicht offen- aus Angst vor Vorurteilen. © Stihl24 / PIXELIO

"Polys" outen sich oft nicht offen - aus Angst vor Vorurteilen. Foto: Pixelio

Obwohl eine Vielzahl von Menschen sich online dazu bekennen, polyamor zu leben, trifft man sie im wirklichen Leben eher selten. Woher kommt diese Abschottung? Johanna geht mit diesem Thema sehr offen um: Ihre Freunde und Familie wissen um ihren Lebensstil. Auch Matthias Freunde wissen, wie er zum Thema Liebe steht, mit seinen Eltern hat er aber noch nie darüber geredet. Markus Bärlocher spricht hier von einer Grenze in den Köpfen: „Die Gesellschaft lehnt es ab. Ursachen dafür können durchaus solche Fragen sein wie: Was würde meine Mutter dazu sagen? Was denkt mein Partner darüber? Ist es ein Kündigungsgrund?“

Auch Johanna findet, dass es Bereiche gibt, in denen man nicht zwingend so offen mit dem Thema umgehen kann, weil die Leute seltsam darauf reagieren. „Gerade am Anfang habe ich gemerkt, dass sich Freunde von mir zurückgezogen haben, nachdem ich ihnen davon erzählt habe.“ Haben wir es hier mit einer neuen, modernen Beziehungsform zu tun? Die Lösung für ein veraltetes und verkrustetes Beziehungsmodell? Markus Bärlocher sieht die alternative Lebensform durchaus als Option: „Polyamory kann eine gute Lösung für das zwanghafte Wir-gehören-Zusammen-Bildnis sein. Da sich das gesellschaftliche Bild immer mehr wandelt, besteht die Chance, dass wir zukünftig unverkrampfter an dieses Thema herangehen.“ Allerdings, so merkt Johanna an, ist auch eine polyamore Beziehung kein Garant dafür, dass man länger zusammenbleibt. Eifersucht und Ängste können dieser Beziehungsform ebenso schaden wie jeder anderen.

Ist der Mensch überhaupt dazu konzipiert, seinem Leben in einer monogamen Beziehung zu fristen? Bärlocher sagt dazu: „Das kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Nur durch Ausprobieren kann man erfahren, ob jemand diese Art der Beziehung führen will oder nicht. Wenn jemand aber für sich entscheidet, dass er es ablehnt, ist das völlig in Ordnung.“ Menschen sind eben so individuell wie ihre Wünsche.

Text: Julia Hortig

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4 Comments

  • Irene Mayer sagt:

    http://www.seitensprung-fibel.de/Polyamorie.php Hier gibt es ebenfalls einen interessanten Artikel mit weitergehenden Informationen zum Thema Polyamorie.

  • Herbert Kühn sagt:

    Freunde, polyarmore Liebe ist das Ursprüngliche, Karl Marx und Wilhelm Reich, tw. auch Hannelore Vonier haben das klargestellt. Der heutige Mensch wird zwangsverwaltet dass es kracht (Patriarchat), die Behörden galoppieren und haben immer Recht, der Mensch ist Untertan, und selbst davor fürchtet er sich. Der Kapitalismus herrscht in doppelter Form, offen und global als Imperialismus, alleine Geld und was der Markt hergibt zählt. Der Kapitalismus herrscht in seiner unsichtbaren Form, alles ist weltweit verknüpft, Mafiastrukturen herrschen wo der lange Arm des Staates nicht kommt, und das ist obendrein noch vernetzt, ohne regelmäßige Schutzgeldzahlungen läuft nichts … Die Kleinfamilie wird erzwungen, weil sich der Konsum (Ersatzbefriedigungen, und alles 10 mal so teuer wie in Gruppenfamilien) nur mit dieser Gesellschaftsform maximal bedienen kann. Und dass die Menschen körperlich und psychisch krank werden, das bringt erst recht Gewinn. Gegenwärtig galoppiert die Verteuerung der Krankenkassen, und das wird täglich ernster. – Das ganze System fliegt immer mehr in die Luft, und es wird noch viel Leid geben weil zu viele nur egoistisch ihr klein kleine sehen und nicht mitkriegen wie sie das system stabilisieren Opfer werden Opfer machen … z. B. ihre eigenen Kinder … ich lebe den kleinen Idealismus der die Welt verändert, und ich suche Dich, ich bin bei veggie community Amore mio … und bei facebook Herbert Kühn … KOMM SPIEL MIT – ES LOHNT SICH

  • Christian sagt:

    Die meisten bekommen doch eine Beziehung schon kaum geregelt, wie bitte sollen sie es dann schaffen, mehrere Beziehungen zu managen? Gerade Männer sind doch in der Hinsicht (Multitasking) völlig überfordert. Da halte ich die Monogamie für die sinnvollere, wenn auch nicht immer funktionierende Variante.

  • Jutta Hortig sagt:

    Sehr interessant, aber eine Beziehung ist doch ausreichend

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