Auf der Suche nach dem perfekten Bier

Kühles Blondes, Gerstenschorle, Hopfenkaltschale: Das abendliche Lieblingsgetränk so mancher Deutscher trägt viele Namen. Insbesondere aus der bei uns in Ehren gehaltenen Feierabendkultur ist das Bier kaum wegzudenken. Kein Wunder also, dass am U-Turm, dem Bierdenkmal schlechthin, an diesem Wochenende bereits zum zweiten Mal das Festival der Dortmunder Bierkultur stattfindet. 

Was haben ein Schiffscontainer und ein Bier gemeinsam? Gut, von zu starkem Seegang rebelliert der Magen vielleicht ähnlich wie von zu starkem Bier, im Fall des Dortmunder Bierfestivals verschmelzen die beiden jedoch zu einer wundersamen Einheit. In den Containern, die die Bremer Logistikfirma Hartmann bereitstellt, wird nämlich emsig gezapft und bedient.

Bier im Schiffscontainer? Für die Jungs vom Bochumer Fiege-Bier kein Problem. „Zapfen geht ja immer gleich.“ Foto: Jochen Duwe

Ein ungewöhnliches Setting, angesichts der Tatsache, dass ich mein Bier in der Regel in schummrigen Kneipen genieße, aber die Umstände sind ja auch besonders. Die Leute neben mir sind –  anders als in der Kneipe –  nämlich nicht primär zum betrinken, sondern zum testtrinken hier. „Hier“ ist in diesem Fall an den besagten Schiffscontainern, aus denen es noch bis einschließlich 1. Mai Bier in allen Formen und Farben geben wird; dunkel, hell, als Cocktail oder mit Holundergeschmack. Das Ganze findet an einem Ort statt, an dem bis 1994 noch täglich mehrere tausend Liter des goldgelben Saftes traditionell gebraut wurden: am Dortmunder U, dem Gelände der ehemaligen Union-Brauerei.

Dortmund ehrt die Braukunst

Jetzt ist das Bier also wieder zurück an seinem damaligen Entstehungsort. Diesmal in rund 100 verschiedenen Sorten, die nur darauf warten, von erfahrenen Geschmacksknospen als würdig befunden zu werden. Beim Festival im vergangenen Jahr kamen dafür bereits rund 11.500 bierliebhabende Besucher. Anlass damals war der 500. Geburtstag des deutschen Reinheitsgebots, Anlass diesmal ist die Tatsache, dass letztes Mal viele Leute so begeistert waren. Beide Male jedoch steckt die Bochumer Agentur „Go Between“ dahinter. Und deren Geschäftsführer Oliver Sopalla bei meiner Ankunft am U-Turm noch mitten in den Vorbereitungen.

Zeit für meine Frage, wie und warum ein Festival einem alkoholischen Getränk huldigt, findet er trotzdem. „Bei dem Thema merkt man einfach, was Bier für ein kulturelles Gut ist. Es ist ein unheimlich verbindendes Element“, erzählt er mir vor einem der insgesamt 19 Bier-Schiff-Container, vor denen sich Menschentrauben bilden.

Elf Stationen, elf Biere: Für 15 Euro geht es mit dem Bierpass auf Test-Reise Foto: Jochen Duwe

„Hier kommen wirklich die unterschiedlichsten Zielgruppen zusammen“, sagt Sopalla. Edwin Jacobs, Chef des Dortmunder U, pflichtet ihm bei. „Bier gehört zur Gegenwart der Stadt, und ganz besonders zum U“, heißt er die Besucher mit seinem niederländischem Akzent zum Festival willkommen. Jacobs und Sopalla sind die beiden Männer, die sich das Ganze im letzten Jahr haben einfallen lassen. Die beiden Männer, die in diesem Jahr nochmal einen draufstehen wollen: 25 Aussteller aus Deutschland, internationale Gäste, mehr als 100 Biersorten und vier Food-Trucks sind dabei. Es wird eine Besucherzahl von 15.000 Leuten an dem gesamten langen Wochenende erwartet.

Ich bin überfordert, mit welchem Bier ich anfangen soll. Es gibt schließlich Gebräu aus diversen deutschen Bundesländern, aus Schottland, Belgien und sogar den USA. Und da „Propeller Aufwind“, „Onkel Herbert“, „Drunken Sailor“ und „In your face“ allesamt auf ähnlich ulkige Art und Weise verlockend klingen, beschließe ich, erst einmal über die kleinen, „Stößchen“ genannten Gläser hinwegzuschauen. Nämlich auf diejenigen Leute, die es leer machen. Ist die Masse an Bierliebhabern wirklich so bunt durchmischt, wie Oliver Sopalla mir weismachen wollte?

Bier, eine internationale Angelegenheit

Gastschmecker aus Amerika: Jared (links) und Ryan. Foto: Jochen Duwe

Es stellt sich ziemlich schnell heraus: Herr Sopalla hat Recht. Ich laufe kaum ein paar Meter bis ich amerikanisches Englisch höre und zwei jungen Männern aus Utah auf ihrer Suche nach einem Bierpass unter die Arme greife, mit dem man auf dem Festival für 15 Euro an elf Stationen elf verschiedene Biersorten entdecken darf. Jared und Ryan heißen die beiden Amerikaner. Jared studiert seit zwei Semestern an der FH in Dortmund, Ryan ist zu Besuch. „Ihm die deutsche Bierkultur näher zu bringen, ist ja quasi so etwas wie meine Pflicht“, erklärt Jared auf Englisch. Festivals mit verschiedenem Craft-Beer gebe es in seiner Heimat auch, sagt Jared, muss dabei aber auch zugeben, dass das hier ausgeschenkte Brooklyn-Gebräu aus den USA neben einigen deutschen Sorten doch ein wenig verblasst.

Arjen (links), Fioma (2 v.l.) und ihe holländischen Truppe kamen auf den internationalen Biergeschmack. Foto: Jochen Duwe

Etwas später höre ich Holländisch. Eine Gruppe Niederländer macht ein Foto mit ein paar Dortmunder Bierfans. „Wir haben schon Bier gebraut, da gab es Holland noch gar nicht“, flachsen diese und weisen auf die überlegene deutsche Braukunst hin. Dass die Niederländer auch gutes Bier brauen, kann die Gruppe heute leider nicht beweisen; nach einem Bier aus ihrer Heimat sucht man in der Containerlandschaft leider vergeblich. „Ist aber auch ok. Wir kommen schließlich für das deutsche Bier und die deutsche Bratwurst“, versichern mir Arjen und Femia, die extra aus Alkmaar bei Amsterdam angereist sind. Die beiden und ihre Gruppe sind mit U-Chef Edwin Jacobs befreundet. Der hatte sie vorfreudig bereits Monate im Voraus eingeladen. Ihre Favoriten? Arjen gefiel bislang das Bochumer Fiege am besten, Femia das schottische Brew. Daran kann sich aber noch etwas ändern, ihr Bierpass ist schließlich erst zur Hälfte abgestempelt.

Besuch aus Übersee: Das Bier der Brauerei Brooklyn in New York in Dortmund vertreten. Foto: Jochen Duwe

Sortensuchen: Nächstes Jahr wieder

Etwas später höre ich wieder eine fremde Sprache. Naja, eigentlich ist es zwar Deutsch, aber mit derartig viel Expertenvokabular aus der Bierbrauerei durchsetzt, dass ich nur jedes zweite Wort verstehe. Tatsächlich sind die beiden auch Experten: Christian und Stefan sind Brauerei-Azubi und Hotelgastronom. Beide übrigens hellauf begeistert, weil sie mit derselben Biersorte anfangen, mit der sie auf dem letzten Festival aufgehört haben – einem Doppelbock vom Hamburger Elbpaul.

Bevor ich „Und, ist lecker?“ fragen kann, ist Christian auch bereits aufgestanden, wiedergekommen und stellt mir ebenfalls eins vor die Nase. Meine Frage beantwortet sich anschließend von selbst: Kräftiges, malziges Starkbier, das schmeckt wie eine flüssige Scheibe Brot. Ich bin beeindruckt. „Hier strengen sich die Marken wirklich an, zu überzeugen, und eine Zusammenstellung wie hier findest du in keinem Supermarkt“, sagt Christian, und Stefan stimmt zu. Er habe auf der Arbeit die Erfahrung gemacht, dass die Leute experimentierfreudiger seien. „Die wollen acht Zapfhähne, und die wollen auch alle acht mal ausprobieren. Und so ein Festival leistet genau das.“

Ein Glück also, dass ich später nochmal Oliver Sopalla treffe. Ob schon klar sei, dass das Festival im nächsten Jahr wieder stattfindet, will ich von ihm wissen. Er nickt. „Auf jeden Fall“, antwortet er, zur Freude von vermutlich hunderten Bierliebhabern aus allen Ecken der Welt.

Beitragsbild: Jochen Duwe

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