Musik im Fahrstuhl entspannt?!

Musik im Fahrstuhl: Studis vom Institut für Musik haben Songs für den Aufzug komponiert.

Beim Fahrstuhlfahren in der EF 50 ist seit Mittwoch Musik drin. Studierende des Instituts für Musik und Musikwissenschaften haben im letzten Semester Musikstücke komponiert  – exklusiv für die sechs Fahrstühle in der Emil-Figge 50. Die Musik soll entspannen, überraschen, entkrampfen. Sie läuft in Endlosschleife – also 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und auch an Sonn- und Feiertagen. Nach dem halben Jahr wollen die Studierenden checken, was es gebracht hat. Unser Autor meint: Fahrstuhlmusik entspannt!

Ich steige in den Fahrstuhl ein. Und plötzlich: Musik. So klingt es Donnerstag kurz vor dem ersten Seminar des Tages:

Ich denke zunächst an versteckte Kamera oder ein soziologisches Projekt. Gruppendynamik, Kommunikation, Reaktionen beobachten. Wir sind ja schließlich an einer Uni! Daniela neben mir, studiert Erziehungswissenschaften, und war auch überrascht. „Warum läuft hier Musik?“, fragt sie mich und schaut verdutzt an die Decke. Im zweiten Stock steigt ein weiterer Student zu, Marvin, studiert Angewandte Sprachwissenschaften. Auch er: Überraschter Blick an die Decke. Etwas zurückhaltend sagt er. „Das klingt irgendwie strange!“ Ich traue es mich ja fast nicht zu sagen: Aber mir gefällt die Musik!

Die Fahrstuhlmusik haben Studierende des Instituts für Musik und Musikwissenschaft an der TU Dortmund komponiert. Professor Günther Rötter hat das Seminar betreut. „Funktionale Musik“ war der Arbeitstitel. Mit der Fahrstuhlmusik haben die Studis die Theorie gleich praktisch umgesetzt.

Ein halbes Jahr soll die Fahrstuhlmusik laufen, dann wird ausgewertet, welche Effekt sie hatte.

Ein halbes Jahr läuft die Fahrstuhlmusik. Foto: Marius Reichert

„Die Studierenden haben zwölf sehr unterschiedliche Stücke komponiert. Manche Stücke klangen wie Ping-Pong-Spiel oder nach Meeresrauschen. Andere habe klassische Jazz-Stücke und Pop-Musik erarbeitet“, erklärt Günther Rötter. „Die einzige Vorgabe war, dass die Musik ruhig und langsam gestaltet sein sollte. Bei allem anderen habe ich den Studierenden freie Hand gelassen.“

Die Begleitung ist nur dezent, bewegt sich knapp über der Wahrnehmungsschwelle. Die Abspielgeräte und Lautsprecher hat der Prof selbst zusammengeschraubt. Marke Eigenbau. Hausmeister der TU haben die Geräte schließlich in den Fahrstühlen installiert. 

Fahrstuhlmusik soll „entkrampfen“

Der Professor denkt beim Fahrstuhlfahren an einen „verkrampften Prozess“. „Im Aufzug müssen viele fremde Menschen gezwungenermaßen auf engem Raum zusammenstehen“, beobachtet Rötter. „Man will ja eigentlich nicht so nah bei Fremden stehen und ihnen auch nicht in die Augen schauen. Im Fahrstuhl geht das aber nicht anders.“ Die Musik könne helfen, die Situation aufzulösen: „Das Ziel ist, dass die Musik das Fahrstuhlfahren entkrampfen kann und Emotionen weckt.“ Nach dem Seminar steige ich wieder in den Aufzug. Vom dritten Stock geht’s ins Erdgeschoss. Und wieder ertönt die Fahrstuhlmusik.

Im zweiten Stock steigen die beiden Lehramtsstudentinnen Sophia und Pia zu. Auch bei ihnen: Leichtes Zögern, der Blick geht nach oben. Woher kommt diese Musik? „Die Musik ist unnötig für die kurze Zeit, die man Aufzug fährt“, sagt Pia. Ihre Freundin Sophia findet die Musik einfach nur „nervig“.

Pia (l.) und Sophia können mit der Fahrstuhlmusik nichts anfangen. "Das nervt irgendwie."

Pia (l.) und Sophia reagieren eher genervt auf die Musik. Foto: Reichert

Begeistert sind sie nicht. Nervig finde ich die Musik nicht. Im Aufzug schaue ich sonst sinnlos umher. Starre Menschen an oder gucke aufs Smartphone. Die durchschnittlich 90 Sekunden, die ein Mensch für eine Aufzugfahrt braucht, sind ziemlich langweilig. Die Musik überrascht mich. Bei manchen Sounds denke ich an Urlaub oder den Feierabend, und eben für 90 Sekunden nicht ans nächste Seminar oder die Aufgaben, die noch anstehen. Ein kurzer Moment Ablenkung im Uni-Dschungel. 

Unterschiedliche Reaktionen 

Reaktionen wie die von Pia und Sophia hat Projektleiter Rötter schon erwartet. Es sei klar, dass seine Idee nicht jedem gefalle: „Manche waren regelrecht wütend, andere haben den Daumen hochgehalten. Es gibt auch Studierende, die schnell aus dem Aufzug rauswollten“, sagt Rötter. Den Professor interessiert die volle Bandbreite der Reaktionen. Die will er nach der halbjährigen Testphase auswerten und eine Befragung oder eine Beobachtung durchführen. Dann geht es darum, persönliche Erfahrungen und Einstellungen einzufangen und – wenn möglich – daraus auch Erkenntnisse und Wirkungen zu gewinnen. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir dann darauf basierend neue Musik komponieren und weiter ausprobieren, wie das ankommt“, sagt Rötter. 

Ich halte auf jeden Fall den Daumen hoch für die Fahrstuhlmusik. Ich habe jetzt noch einen weiteren Grund, lieber mit dem Aufzug zu fahren als mich die Treppe hochzuquälen. 

Teaser- und Beitragsbild: Roland Baege/TU Dortmund

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