Expedition ins Schuhtestlabor

Von Emmanuel Schneider und Martin Schmitz

Die ganze Welt kennt Edson Arantes do Nascimento unter seinem Künstlernamen „Pelé“ als einen der größten Sportler unserer Zeit. Jetzt möchte der 71-jährige Brasilianer mit seiner eigenen Sportartikelmarke auch in der Wirtschaftswelt Fuß fassen. Dabei helfen ihm unter anderem Forscher des Biomechaniklabors der Universität Duisburg-Essen. Derartige Kooperationen haben eine lange Tradition. Auch Nike und die Stiftung Warentest gehörten schon zu den Auftraggebern. Ein Besuch im Schuhtestlabor.

Der junge Testkicker sprintet leichtfüßig und sicher durch den Parcours. Er umkurvt alle aufgestellten Pylonen und überquert die imaginäre Ziellinie zwischen den beiden Lichtschranken. Katharina Althoff nickt zufrieden. „Man sieht schon jetzt, dass der Schuh eine sehr gute Standfestigkeit und Stabilität bietet.“

Pele-Schuhtest auf der Außenanlage Foto: Martin Schmitz

Pele-Schuhtest auf der Außenanlage Foto: Martin Schmitz

Sie muss es wissen: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Biomechaniklabors der Universität Duisburg-Essen arbeitet sie intensiv an der stetigen Verbesserung dieser Eigenschaften bei den Testschuhen mit. Diesmal wird also das neue Modell des Pelé-Fußballschuhs unter die Lupe genommen. Es ist der letzte Termin für die Praxistests auf der Außenanlage. Im Vordergrund stehen heute Untersuchungen zur Stabilität, Flexibilität und zum Grip des – mit etwa 170g pro Schuh ultraleichten – Modells. Durch die neu entwickelten Stollen verspricht der Hersteller eine höhere Geschwindigkeit des Spielers. Dies will das Wissenschaftlerteam mittels Computeranalyse überprüfen.

Ein Amateurkicker wird verkabelt, dann absolviert er, mit Einlagen in den Schuhen, mehrere Testläufe. Gemessen wird das Druck- und Kräfteverhältnis beim Auftreten und Abstoßen des Fußes auf dem Boden. Sowohl auf gerader Strecke im Sprint, als auch beim schnellen Richtungswechsel beim Slalomlaufen. Die Ergebnisse werden erfasst und später im Labor ausgewertet. Anschließend berät das Team die Firma, an welchen Punkten noch getüftelt werden muss.

Im Labor

Ein paar Tage später sind wir wieder vor Ort. Diesmal nicht auf dem Platz, sondern im Messraum des Biomechaniklabors. Auch heute stehen Tests auf dem Programm. Allerdings nicht für Fußballschuhe oder für Pelé, sondern an Laufschuhen.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter verkabeln die Schuhtester. Foto: Martin Schmitz

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter verkabeln die Schuhtester. Foto: Martin Schmitz

Die ersten freiwilligen Probanden sind bereits da und zwängen sich in ihre enge Läuferkleidung. Auch pflichtlektüre-Autor Martin Schmitz schlüpft in die Tester-Rolle und zieht sich Laufschuhe an.
Heute experimentieren die Essener Forscher für interne Zwecke. In die Laufschuhe kommen angeschrägte Einlegekeile. Dann analysieren die Forscher, inwieweit die Läufer nach innen oder nach außen abknicken. Ein mögliches Ergebnis wäre, dass es sinnvoll ist, solche erhöhten Einlegekeile serienmäßig in Laufschuhe zu integrieren. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Stephan Fischer und Marco Hagen präparieren die Schuhe und verkabeln die Beine der Tester mit Mess-Sensoren.

Laufen für die Wissenschaft

Die Probanden müssen nun mit dem rechten Fuß über eine Kraftmessplatte abrollen. Dort wird das Abrollverhalten des Fußes gemessen. Hierfür müssen die Testläufer bei jedem Versuch eine ähnliche Geschwindigkeit erreichen: 3,2 bis 3,4 Meter pro Sekunde muss diese betragen, also ungefähr 12 Km/h. Dadurch lassen sich die Ergebnisse hinterher besser vergleichen.
In der rechten Hand halten die Läufer beim Rennen das Kabel. Dazu müssen sie die Platte treffen und möglichst natürlich abrollen.

Marco Hagen im Essener Arbeitsraum. Fotos: Martin Schmitz

Marco Hagen im Essener Arbeitsraum. Foto: Martin Schmitz

Alles gar nicht so einfach. Manch einer braucht erst ein paar Versuche, um seine Test-Routine zu finden. „Wenn man einmal im Rhythmus ist, geht es aber“ sagt Martin nach seinen Testläufen.

Derweil sitzt Stephan Fischer am PC und sichtet die Ergebnisse. Bis die Daten ausgewertet sind, dauert es ein paar Wochen. Auf Anhieb lassen sich noch keine Schlussfolgerungen ziehen.
Jeder Tester muss pro Schuh fünf auswertbare Versuche abliefern.

Ewald Hennig ist der Kopf des Biomechanik-Labors der Uni Duisburg-Essen. Seit Jahren erforscht, misst und analysiert er alle möglichen Schuhe.
Hennig kommt gut gelaunt in den Arbeitsraum der Forscher. Nachdem sich Hennig einen Kaffee zubereitet hat, setzt er sich an den Tisch, lächelt seine Mitarbeiter an und beobachtet die Laufschuhtests.

Marco Hagen Quelle: UDE

Marco Hagen Quelle: UDE

Neben dem Laufbereich, in dem die Laufschuhe getestet werden, steht der Prototyp einer neuentwickelten Trainingsmaschine. Mit ihr lässt sich die Muskulatur im Fußbereich stärken. Durch eine Schwenkbewegung nach innen und außen kann der Trainingswillige die Muskeln im Fuß trainieren.
Marco Hagen steht stolz neben der Trainingsmaschine. Der 37-jährige wissenschaftliche Mitarbeiter hat sie während seiner Dissertation hier in Essen entwickelt und realisiert.

O-Ton Marco Hagen: So kam er auf die Idee der Trainingsmaschine

Autor Ingo Martin Schmitz testet die Fußtrainingsmaschine. Foto: Emmanuel Schneider

Autor Martin Schmitz testet die Fußtrainingsmaschine. Foto: Emmanuel Schneider

Laut Hagen zeigen Umknicksituationen, dass mit dem Gerät sehr effektiv trainiert werden kann. Der Fuß werde besser stabilisiert und knicke daher nicht so leicht um.
Der junge Wissenschaftler hat die Trainingsmaschine in mehreren Schritten umbauen lassen. Zu Hilfe kam ihm dabei ein Ingenieur an der Universität. Die gesamte Konstruktion lag in den Händen der beiden Tüftler. Bis die Maschine fertig war, dauerte es zwei Jahre, anschließende Experimente an dem Gerät zogen sich noch über ein knappes Jahr. Mittlerweile hat Marco Hagen zwei Patente für die Maschine angemeldet. Mit Erfolg: Eine große Fitnesskette hat diese übernommen und stellt im kommenden Sommer die Trainingsmaschine in ihren Filialen auf. Innovative Technik made in Essen.