„Ich studiere nicht trotz meiner Kinder, sondern wegen ihnen“

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Klausurenphasen, Referate, ein bisschen WG-Haushalt und ab und zu mal eine Party oder ein Nebenjob am Wochenende – für die meisten Studenten sieht der Alltag wahrscheinlich ungefähr so aus. Bei Ann-Kristin Szameit und Flint Stelter ist das ein bisschen anders. Denn die beiden sind nicht nur Studenten, sondern auch Mutter und Vater. Sie zeigen, dass Kind und Uni viel besser zusammenpassen, als viele vielleicht denken.

„Die meisten Leute, denen ich im Studium begegne, sagen immer ‚Oh Gott, wie kriegst du das hin mit Kind?‘ Ich denke mir dann immer, dass Mutter sein ja keine Strafe für mich ist“. Ann-Kristin Szameit ist 29 Jahre alt und studiert Erziehungswissenschaften an der TU Dortmund. Die meisten Veranstaltungen hat sie jetzt im sechsten Semester bereits abgeschlossen. Für sie stehen nun noch Praxissemester und Bachelorarbeit an. Ihre Tochter Lena ist neun Jahre alt und geht in die vierte Klasse. „Mittlerweile bin ich aus dem Gröbsten raus. Lena ist alt genug, dass ich ihr sagen kann, ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich, um für die Uni zu lernen“. Das war aber nicht immer so einfach. Als Ann-Kristin schwanger war, steckte sie gerade mitten im Fachabi. Das habe ich dann abgebrochen und bin ein Jahr lang mit Lena zu Hause geblieben“. Mit 20 hat sie ihr Abitur dann nachgeholt, was für sie rückblickend anstrengender war, als Studium und Kind unter einen Hut zu kriegen. „Ich hatte in der Schule ja feste Zeiten und konnte mir nicht aussuchen, zu welchen Veranstaltungen ich gehe und zu welchen nicht“. Solche Probleme hat sie in der Uni kaum. „Die Flexibilität, mir Seminare so zu legen, wie sie in meinen Alltag mit Lena passen, ist schon ein großer Vorteil“.

Es kommt auf die persönliche Einstellung an

An Tagen, an denen die Betreuung ihrer Tochter gewährleistet ist, hat Ann-Kristin auch mal von 8 - 20 Uhr Uni.

An Tagen, an denen die Betreuung ihrer Tochter gewährleistet ist, hat Ann-Kristin auch mal von 8 – 20 Uhr Uni (Foto: Hanna Heine).

Für Ann-Kristin sind es nicht etwa Prüfungsphasen, Seminare mit Anwesenheitspflicht oder einfach Dinge, die sie vorher nicht planen konnte, die ihr das Studium erschweren. „Ich hatte einmal die Situation, dass ich eine Klausur schreiben wollte, Lena aber morgens krank war. Im nächsten Semester hätte aber ein anderer Professor die Klausur gestellt und ich hätte die ganze Veranstaltung noch einmal besuchen müssen. Meine Dozentin hat mir dann angeboten, die Klausur später in ihrem Büro nachzuschreiben.“ Solche Probleme kann Ann-Kristin lösen, indem sie sich einfach sehr gut organisiert. Seminare, die abends stattfinden, kann sie auf ein anderes Semester legen, Klausuren kann sie nachschreiben, wenn ihre Tochter krank ist, kann sie sich dafür ein Attest beim Arzt besorgen. Schwieriger ist für sie ihr persönlicher Ehrgeiz. „Ab und zu habe ich mit mir zu kämpfen, wenn ich mir eingestehen muss, dass das Semester so, wie ich es geplant habe, nicht funktioniert. Ich will ja auch irgendwann fertig werden und arbeiten. Da ist es manchmal nicht leicht, Seminare oder Klausuren zu schieben.“ Aber Ann-Kristin ist in erster Linie Mutter und nicht Studentin. Deshalb ist es für sie auch nicht immer leicht, sich vollkommen auf Prüfungen oder Seminare zu konzentrieren. „Ich habe bestimmt schon ab und zu Ergebnisse abgeliefert, die besser hätten sein können. Aber in solchen Momenten bin ich dann meistens nur froh, dass die Klausur geschrieben ist.“

Mit dem Kind in die Prüfung

Für Flint Stelter ist selbst das kein Problem. Er hat einen seiner zwei Söhne auch schon einmal mit zur Prüfung genommen. Flint ist 39 Jahre alt und studiert Fotografie an der FH Dortmund. Bevor er sich vor knapp zwei Jahren für das Studium entschieden hat, war er selbstständiger Webdesigner. „Ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt noch einmal eine akademische Laufbahn einschlage. Ich war Mitte 30, selbstständig und meine Frau war schwanger. An ein Studium habe ich überhaupt nicht gedacht.“ Letztendlich war sein Sohn der Grund, warum Flint sich doch für ein Studium entschieden hat. „Beim Geburtsvorbereitungskurs habe ich einen anderen Vater getroffen, auch Mitte 30, der mir erzählt hat, dass er demnächst sein Masterstudium anfängt. Daraufhin habe ich mir überlegt, dass mein Alter oder eine Familie ja kein Grund ist, nicht zu studieren.“ 

Nach der Geburt seines ersten Sohnes ist Flint ein Jahr in Elternzeit gegangen.

Nach der Geburt seines ersten Sohnes ist Flint ein Jahr in Elternzeit gegangen (Foto: Hanna Heine).

Der Fachbereich Design an der FH ist ein sehr kleiner Fachbereich. „In unseren Kursen sind meistens nur um die 15 Leute und wir duzen unsere Dozenten alle. Es herrscht also grundsätzlich eine sehr familiäre Atmosphäre hier“. Für Flints Söhne ist die FH deshalb auch so etwas wie ein zweites zu Hause. Wenn seine Frau zur Arbeit muss und der Kindergarten geschlossen ist, nimmt er seine Kinder einfach mit in seine Seminare. „Hier ist niemand genervt oder fühlt sich gestört, wenn ich die beiden mitbringe. Unser Fachbereich ist einfach so, meine Kommilitonen spielen sogar mit den Kindern und meine Dozenten freuen sich, die beiden zu sehen.“ Für Studenten mit Kind gibt es sogar extra Kidsboxen mit allem, was Eltern so für ihre Kinder brauchen. „Da sind Windeln drin, Spiele, Legosteine oder Vorrichtungen für den Tisch, in die man seine Kinder dann reinsetzen kann“. 

Probleme macht die finanzielle Unterstützung

Mit zwei kleinen Kindern und in einem Studiengang, der viel Kreativität und eigenständiges Arbeiten in der Freizeit verlangt, liegen aber selbst Flints Nerven manchmal blank. „Ich habe natürlich auch Momente, in denen mir einfach alles zu viel wird. Ich würde dann am liebsten einfach nur in Ruhe meine Fotoprojekte machen oder in der Werkstatt arbeiten. Aber solche Momente sind ganz normal“. Flint versucht dann daran zu denken, dass er nicht der Einzige ist, dem es so geht. Die Vernetzung mit anderen Eltern, die studieren, ist für ihn sehr wichtig. Unter anderem deshalb ist er vor knapp einem Monat den familyscouts der FH Dortmund beigetreten. „Wir suchen den Kontakt zu Studierenden mit Kind, Vernetzen Leute, betreiben Bedarfsermittlung und halten Vorträge.“ Vor allem wollen sie aber Öffentlichkeitsarbeit leisten. „Studium und Kind passen ja für die meisten nicht wirklich zusammen.“ Das würde Flint gerne ändern. 

Was für ihn — und auch für Ann-Kristin — aber weiterhin ein Haken beim Studieren mit Kind ist: der finanzielle Aspekt. Mütter und Väter im Studium sind zwar Bafög-berechtigt und dürfen neben dem Studium mehr Geld verdienen, als andere Studierende, die Bafög beziehen, aber das geht nur bis zu einem gewissen Alter. „Was damit nicht abgedeckt ist, sind so Dinge wie Ausflüge oder Klassenfahrten. Dafür müssen wir selbst aufkommen. Natürlich kann man das auch teilweise über den Förderverein der Schule regeln, aber manchmal wünsche ich mir schon, dass solche Sachen etwas einfacher wären“, erklärt Ann-Kristin. Dennoch unterstreichen Ann-Kristin und Flint, dass Kind und Studium keine doppelte Belastung darstellen, wie viele häufig denken. „Meine Kinder sind ja keine Belastung, deswegen kann ich da auch nicht von Doppelbelastung sprechen,“ sagt Flint. Die beiden zeigen: Mit der richtigen Einstellung, guter Organisation und einem verständnisvollen Umfeld sind Studium und Kind keine Optionen, die sich gegenseitig ausschließen – im Gegenteil.

Unterstützung für Studierende mit Kindern
Im Elterncafé an der TU Dortmund können sich Eltern, die studieren, treffen, vernetzen und austauschen. Das nächste Treffen findet am 14. Dezember um 15 Uhr in der Emil-Figge-Str. 61 statt. Die TU hat keine eigene Kindertagesstätte, aber am Campus Nord auf der Emil-Figge-Str. 57 befindet sich beispielsweise die Kindertagesstätte HoKiDo e.V.

Die familyscouts der FH Dortmund veranstalten am kommenden Mittwoch, 30. November 2016, ein Treffen für alle, die sich für das Thema „Vereinbarkeit von Studium und Familie“ interessieren. Das Treffen soll die Vernetzung von Studenten mit Kindern fördern und ihnen eine Möglichkeit geben ihre Fragen, Sorgen und Anregungen zu teilen. Los geht es um 10 Uhr im Fräulein Meier (Große Heimstraße 45).
Eine Facebookgruppe für Studierende mit Kind und alle, die das Thema interessiert, soll es auch bald geben.

 

Beitragsbild: Universität Salzburg (PR) / Flickr.com, lizensiert nach Creative Commons

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