Einziges Wahlversprechen: Anwesenheit

Von Timm Giesbers und Franziska Jünger

Leute befragen – das ist unser Job, und den machen wir gern. Normalerweise. Dabei geht schon öfter etwas schief. Selten aber haben wir so ein Chaos erlebt wie bei unserem Beitrag über die Stupa-Listen. Und das ist symptomatisch für die gesamte Dortmunder Hochschulpolitik in den vergangenen Jahren. Die Listen wollten bei der vergangenen Wahl um das Vertrauen der Wähler werben – das Einzige, was sie bei uns erwerben konnten, ist diese Stilkritik.

Donnerstagmorgen, 10 Uhr, im Foyer von EF 50. Fragen formuliert, Stifte gezückt, Aufnahmegerät und Kamera bereit – fehlt nur noch der Interviewpartner. Da trudelt – zwei Minuten vor dem Termin – eine formlose Mail ein: „Sorry, ich schaffe es heute doch nicht!“

Manche Listen nehmen es mit der Zuverlässigkeit also nicht ganz so ernst. Das kann jedem Mal passieren? Klar, wären da nicht schon genügend andere Vorfälle gewesen. Das ging schon beim Verschicken der Interviewanfragen los: „Die Kontaktdaten findet man sicher alle im Netz“, denken wir uns. Schließlich wollen die Kandidaten ein öffentliches Amt bekleiden. Humbug! Alles, was wir vorfinden, sind völlig veraltete Websites und Facebook-Auftritte. Oder im schlimmsten Fall: gar nichts.

In den Stupa-Sitzungen des vergangenen Semesters wurde viel diskutiert - und wenig beschlossen. Teaserbild: Marc , Foto: Nicolas Miehlke

In den Stupa-Sitzungen des vergangenen Semesters wurde viel diskutiert - und wenig beschlossen. Teaserbild: Marc Miertzschke, Foto: Nicolas Miehlke

Einige Tage und Nachfragen später erhielten wir immerhin eine Liste vom Wahlleiter. Lauter Namen, aber keine Kontaktdaten. Und wie sollen wir sie nun erreichen? „Ich fürchte, ein paar Leute würden schnell von Datenschutzverletzungen sprechen, wenn ich die rausgebe“, so der Wahlleiter. Nicht mal eine Mailadresse mag man uns geben. Sorry, aber an manchen Stellen ist Datenschutz dann auch kein Datenschutz mehr, sondern ein Datenvorenthalt!

Datenschutz muss wohl auch der Grund dafür sein, dass die meisten Listen, einschließlich des Stupas, keinen ordentlichen Internetauftritt vorzuweisen haben. Schade für alle Studierenden, die sich gerne über Hochschulpolitik informieren möchten, zum Beispiel erfahren wollen, wohin ihr Semesterbeitrag fließt.

Mailadressen? Einfach mal rumprobieren

Über einige Umwege schafften wir es schließlich doch an die Kontakte zu kommen. Im Klartext: Wir nehmen den Namen des Kandidaten, fügen „@tu-dortmund.de“ an und voilà – Mail verschickt. Ein kleiner Tipp an die Listen: Es ist nicht besonders clever, Lesebestätigungen rauszuschicken und dann nicht zu antworten: „Ach das war eure Mail, die ich immer vergesse zu beantworten, naja…“, witzelte einer der Grünen. Nur durch eine Überfall-Aktion während ihrer Sitzung konnten wir seine Liste überhaupt zur Mitwirkung im Artikel bewegen – auf eine Antwort der Jusos warten wir dagegen bis heute. Trotz schlechter Informationspolitik haben sie drei Sitze im Stupa bekommen.

Das alles hat uns doch sehr zum Nachdenken angeregt. Wie muss es erst Studierenden ergehen, die Kontakt zum Stupa aufnehmen möchten, ohne dass sie – wie wir Journalisten – über gesetzlich festgelegte Informationsansprüche verfügen?

Wer wissen will, wie das besser laufen kann, schaue mal nach Bochum an die RUB. Da herrscht eine etwas andere Arbeitsmoral. Und da wäre auch undenkbar gewesen, was in Dortmund passiert ist: Die Stupa-Wahlen, die wie immer im Juni stattfinden sollten, mussten um fast ein halbes Jahr verschoben werden. Damals wurden wichtige Schritte einfach verbummelt. Auch wir wurden verbummelt, nicht ernst genommen.

Präsenz als einziges Versprechen langt nicht

Ernst nehmen konnten wir allerdings auch einiges nicht. Zwar ist es generell löblich, wenn sich neue Listen gründen, das ein oder andere Ziel sollte man dann aber auch haben. Die Anwesenheitsliste trat etwa einzig mit dem Versprechen an, stets in den Stupa-Sitzungen anwesend zu sein. Zugegeben: Schon das war in der vergangenen Legislaturperiode ein großes Problem. Anwesenheit als einziges Wahlversprechen? Wenn das so einfach wäre, säße vielleicht auch die FDP noch im Bundestag. Die ist ja auch ohne richtige Inhalte angetreten. Präsenz als einziges Versprechen langt eben nicht.

Das neu gewählte Parlament könnte die Informationsarmut und Medienscheu endlich kollektiv überwinden. Grund zur Hoffnung sind Mitglieder, die vorbildlich auf Mails geantwortet haben, ihren Internetauftritt pflegen und echte Ideale vertreten. Das würden wir uns von allen Amtsträgern so wünschen. Damit das Studierendenparlament seinen Namen auch wieder verdient, muss es endlich seine Arbeit erledigen – dann lassen sich vielleicht auch mal mehr als acht Prozent der Wähler in die Kabinen locken. Ein faules Parlament bekommt faule Wähler.

6 Comments

  • Daniel sagt:

    Bzgl. „Dass der Wahlausschuss, der einfach eine Frist versäumt hat“ ( Zitat Hansi ) möchte ich kurz folgenden Artikel zitieren : http://www.pflichtlektuere.com/22/05/2013/chaos-um-die-stupa-wahlen-update/ . Diesem ist zu entnehmen, dass kein Versäumnis der Wahlkommission vorlag bzw. der Fehler nicht von der Wahlkommission verursacht wurde.

  • Katrin sagt:

    künftig gibt es auch einen Liveticker (modertiert von Jonathan Büker der Liste Studis für Studis) direkt aus dem Parlament =)
    Zum Nachlesen hier der Ticker von gestern:

    https://www.facebook.com/studisfuerstudis?fref=ts

  • Timm Giesbers sagt:

    Hansi,
    lass mich Stellung zu deinem Kommentar beziehen. Über den Tag „Asta“ lässt sich sicher streiten. Wir haben uns für diese Verbindung entschieden, weil entscheidende Listenmitglieder, etwa der Studis für Studis und der Grünen, auch Mitarbeiter im TU-Asta sind. Sie befinden sich hier also in einer Brückefunktion und deshalb wirft ihre schlechte Arbeit in der Liste auch einen Schatten auf den Asta.

    Ich kann beim besten Willen keine Stelle in unserem Text finden, die Wahlausschuss und Stupa in einen Topf wirft – aber vielleicht kannst du uns noch einmal selbst schreiben, woran du dich störst. Nutze doch dann bitte diese Mailadresse: pflichtlektuere@gmail.com.

    Besonders schade finde ich deine Anschuldigung pflichtlektüre-Redakteure würden (absichtlich) falsch zitieren, recherchieren und so ihrem Auftrag über die Vorgänge an unseren Universitäten zu berichten, nicht nachkommen. Dass wir zudem schlecht informiert sind, weise ich von uns. Als Journalist ist man sowieso zunächst auf der Suche nach Informationen. Diese können wir aber nur bekommen, wenn man sie uns zugänglich macht, auf welche Art auch immer. Das war ja in der Vergangenheit oft nicht der Fall. Gleichzeitig berichten wir aber in zahlreichen Artikeln seit längerem über alle Vorgänge um das Stupa, den Asta und die Wahlen. Ich denke, hier haben sich einige Redakteure durchaus eine breite Wissensbasis erarbeitet.

    So ist es schlicht nicht richtig, dass wir nur Mails verschickt haben, um Informationen zu bekommen. Seit Wochen arbeiten mehrere Redakteure an der Wahl-Serie und haben auf allen Wegen versucht, an die wichtigen Kontakte und Informationen zu kommen. Auch auf Stupa-Sitzungen oder im Asta haben wir vorbeigeschaut. Ansonsten hätten viele Beitrage gar nicht umgesetzt werden können.

    @Hansi hat hier schon Recht, wenn er die Informationspolitik aller hochschulpolitischen Gremien der TU kritisiert.

    Gerne möchten wir dir, Hansi, aber anbieten, selbst mit uns ins Gespräch zu kommen. Wir nehmen Abstand von der Behauptung immer perfekt zu arbeiten und sind offen für neue Impulse.

    Gruß,
    die Autoren

  • @Hansi sagt:

    @pflichtlektüre: danke für die berichterstattung. macht diesen typen ordentlich druck!

  • @Hansi sagt:

    LOL. Wenn man einfach so auf die Leute zukommt, heißt es doch erst Recht „so kurzfristig geht’s leider nicht“. Es ist ein Armutszeugnis, dass es offiziell von vielen keine Kontaktinformationen gibt. Das bekommen sogar Bundestagsabgeordnete hin. Es ist doch wohl das normalste der Welt, dass man für ein Gespräch auch ein Termin vereinbaren will mit Fragenkatalog und allem was dazu gehört. Und das bei EURER Informationspolitik asta, wahlausschuss und stupa gleichgesetzt werden, ist nicht verwunderlich. Die haben alle in gleichem Maße versagt.

    Und das alles sage ich alles als Nicht-Journalist.

  • Hansi sagt:

    Allein schon, dass völlig ohne Grund hier der AStA getaggt ist, zeigt, wie sehr sich die pflichtlektüre selbst mit dem Thema auseinandersetzt. Wegen Hoeneß‘ Steueraffäre tagge ich auch nicht die Bayern-Mannschaft. Das sind nun einmal zwei unterschiedliche Dinge. Leider erlebe ich es sehr oft persönlich oder aus Erzählungen, dass die Leute von der pflichtlektüre total schlecht informiert sind über das, was sie schreiben, oder auch nicht wahrheitsgemäß zitieren.
    Dass der Wahlausschuss, der einfach eine Frist versäumt hat, und das StuPa ebenfalls zwei völlig verschiedene Gremien sind, wird auch einfach mal unter den Teppich gekehrt.
    Man beruft sich auf ein gesetzliches Recht, Informationen zu erhalten, versäumt es aber offensichtlich, einfach mal mehr zu tun als eine Mail zu schreiben. Die Listen während ihres durchaus existenten Wahlkampfes ansprechen, eine der StuPa-Sitzungen besuchen und Kontakte austauschen oder einfach mal im AStA auftauchen und hier die Leute fragen – das bekommen interessierte Studis tatsächlich hin, so genannte Journalisten anscheinend nicht.

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