Studentenspiegel 2010: So wirst Du zum Karrieristen

Beim Casting zu DSDS an Dieter Bohlens Launen gescheitert? Für Germany’s Next Topmodel nicht zickig genug? Bei Popstars nicht die traurigste Lebensgeschichte erzählt? Macht nix: Spiegel, McKinsey und StudiVZ bieten allen Studenten jetzt eine ganz neue Vergleichschance: Der Studentenspiegel 2010 – eine einmalige Gelegenheit Deutschlands Super-Student des Jahres zu werden.

Studentenspiegel 2010: Was zählt sind Noten und schnelles Studium.

Studentenspiegel 2010: Was zählt sind Noten, Praktika und Sprachkenntnisse.

Das Motto lautet „Wer bin ich – und wenn ja, wie gut“. Nach der Umfrage gibt’s zwar weder Platten-noch Arbeitsvertrag, aber die Chance, sich „im Vergleich mit anderen Teilnehmern“ zu sehen. Toll! Denn die Studenten erhalten doch tatsächlich „Anhaltspunkte, worauf sie noch während des Studiums oder beim Berufseinstieg als Kandidat achten sollten“. Wie praktisch, nachdem ich also weiß, dass der durchschnittliche Student genau 6,7 Praktika macht, 2,9 Sprachen spricht und bereits 2,56 Auslandssemester gemacht hat, sollte ich anschließend noch ein wenig an meinen eigenen Nachkommastellen arbeiten.

Nach eigenen Angaben will die Studie folgendes herausfinden: „Die Studenten von heute: Faulenzer oder Karrieristen? Nörgler oder Optimisten?“ An der Stelle gilt ganz klar: Wer will schon Faulenzer sein, wenn er auch Karrierist sein kann? Wer will schon Spaß haben, wenn er auch keinen haben kann? Wer braucht schon Freizeit, wenn er Burn-Out haben kann?

Um also auszuschließen, als Faulenzer oder Nörgler abgestempelt zu werden, zeigt Euch pflichtlektüre, wie Ihr das Casting unfallfrei und ohne schiefe Töne im Lebenslauf überstehen könnt.

Die acht Hürden zum perfekten Lebenslauf

Die erste Hürde, die eigentlich gar keine ist: Studienhauptfach, Bundesland und Studienabschnitt angeben. Das sollte auch für all diejenigen, die ihr Studium nur mit ausmalen, bunt unterstreichen und Multiple-Choice-Klausur verbringen, zu schaffen sein.

Die zweite Hürde: „Mit welchem Notendurchschnitt werden Sie Ihr Studium nach realistischer Einschätzung abschließen?“ Wer hier keine Pluspunkte holt, ist selber Schuld. Nirgendwo ist es einfacher, gleichzeitig als Optimist und Karrierist durchzukommen.

Die dritte Hürde: „In welchem Bundesland haben Sie Abitur gemacht?“ Diskriminierende Frage. Aber da müssen jetzt alle, die ihr Elite-Abi nicht in Bayern gemacht haben, einfach durch.

Die vierte Hürde, ähnlich gemein: „In wie vielen Städten haben Sie seit Studienbeginn für jeweils mindestens acht Wochen gewohnt?“ Da nützt es nämlich jetzt mal gar nix, bei den Sprachkenntnissen Japanisch, Slowakisch und Griechisch angekreuzt zu haben. Wer nicht mindestens fünf Dialekte aus den verschiedensten Ecken Deutschlands beherrscht (zum Beispiel Sächsisch, Schwäbisch, Platt, Berlinerisch und Thüringisch) hat hier keine Chance.

Auf dem Weg zum Super-Studenten gilt es acht Hürden zu überwinden

Keine Sorge, überqualifiziert muss sich keiner fühlen.

Die fünfte Hürde: Hilfe, ich bin überqualifiziert. Keine Sorge, auch wenn ihr eure ganzen Preise und Wundertaten auf der Frageseite „Stipendium und Auszeichnung“ nicht unterbringen könnt. Gar kein Problem, die Umfrage hat einfach an alles gedacht: „Bei mehr als zwei Stipendien geben Sie einfach die beiden wichtigsten an.“ Na Gott sei Dank. Dann wäre dieses Problem ja auch gelöst.

Die sechste Hürde: Einer der McKinsey-Partner spricht von „Attraktivität für Arbeitgeber“. Ihr findet das Tool zum Hochladen Eures super-beeindruckenden Profil-Fotos nicht? pflichtlektüre hat’s auch noch nicht entdeckt.

Die siebte Hürde: Wie ehrlich darf ich bei den Fragen zur „beruflichen Zukunft“ und zum Lebensgefühl“ sein? Darf ich angeben, dass mir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Freizeit wichtiger ist als das Prestige meines Arbeitgebers? Gegenfrage: Sind die erfolgreichsten Menschen immer die ehrlichsten (siehe Bankenkrise)? Hier gilt: Wer nicht an die Lüge auf den ersten Blick glaubt, hat verloren.

Die achte und letzte Hürde: „In unserer Gesellschaft herrschen zu viel Wettbewerb und zu großer Leistungsdruck“. Die Aussage soll auf einer Skala von eins bis sechs bewertet werden. Leistungsdruck in einer Umfrage, die mit der Frage wirbt „Was kann ich besser als meine Kommilitionen?“ Völlig abwegig!

2 Comments

  • Erwin Schargräber sagt:

    Lustig auch, dass McKinsex die Studentenwelt in „selbstbewußte Karriereristen“ (die Guten!) und linke „Weltverbesserer“ (pfui! Wie schwärmerisch-dumm!) einteilt – und sowas druckt dann der Spiegel, der damit den vorläufig letzten Beweis antritt, als vormals linkes Hetzblatt asugedient zu haben und nun ganz auf der Seite der dummen Etablierten Karrieregeilen, Selbstbewussten, Angepassten, Skrupellosen Karrierepsychopathen steht, die sich mit Kadavergehorsam ausbeuten lassen in Unternehmensberatungen wie McKinsey, oder als 5 Euro Nutten beim Spiegel, etc.

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