Duell am Donnerstag: Torlinientechnik

Duell Tobias Schulte vs. Pierre Loevenbruck

64. Minute, DFB-Pokalfinale 2014. Mats Hummels erzielt den entscheidenden Treffer für Borussia Dortmund. Dante hatte noch geklärt, doch der Ball war einen halben Meter hinter der Linie. Der Schiedsrichter gab das aber Tor nicht, später musste die Borussia den Bayern beim Jubeln zugucken. Das kann den Dortmundern im Finale am Samstag gegen Wolfsburg nicht wieder passieren – zum ersten Mal wird in Deutschland die Torlinientechnik „Hawk Eye“ eingesetzt. In der kommenden Bundesliga-Saison wird das „Falkenauge“ bei jedem Spiel in der ersten und zweiten Bundesliga über Tor oder nicht Tor entscheiden.

„Die Torlinientechnik sorgt für mehr Gerechtigkeit“,

findet Tobias Schulte

Generell ist das „Hawk Eye“ eine Unterstützung für den Schiedsrichter, bei der wichtigsten Entscheidung – ob Tor oder kein Tor – richtig zu liegen. Die Technik macht die Entscheidung des Unparteiischen nachvollziehbarer und gerechter. Wie bei der WM gesehen, arbeitet das „Falkenauge“ schnell – eine Entscheidung lässt nicht länger als eine normale Einwechslung auf sich warten. Außerdem werden die Schiedsrichter größtenteils vor Wutausbrüchen à la Jürgen Klopp und medialen Hetzjagden geschützt.

Zum Hawk Eye
Das Hawk-Eye-System ist größtenteils aus dem Tennis bekannt. Pro Tor erfassen sieben Hochgeschwindigkeits-Kameras am Stadiondach ständig den Ball in Tornähe. Auf Grundlage der sieben Bilder aus verschiedenen Winkeln berechnet sich die exakte Position des Balles.

Keine Emotionen mehr?

Die Bilder wutentbrannter Trainer und erhitzte Stammtisch-Diskussionen – für viele Fans macht gerade das den Fußball aus. Sie befürchten deshalb, der Sport werde zum Beispiel durch die Torlinientechnik weniger emotional. Durch das „Hawk Eye“ werden die Schiedsrichter allerdings nicht zu Robotern. Handspiel im Strafraum? Foul oder Ball gespielt? Darüber haben die Schiris weiterhin alle Entscheidungsgewalt. Außerdem würde wohl niemand behaupten, dass Sportarten wie Tennis, Basketball oder American Football emotionslos sind – nur wegen technischer Hilfe für die Schiedsrichter. Absurd ist auch der Gedanke, dass Fans bald nicht mehr über ein Tor jubeln, nur, weil es durch die Torlinientechnik gegeben werden konnte.

Auch eine völlige Technisierung des Fußballs ist für mich unvorstellbar. Natürlich ist das „Hawk Eye“ ein erster Schritt, die Schiedsrichter technisch zu unterstützen. In Deutschland haben sich die Vereine der 1. und 2. Bundesliga im März 2014 noch gegen das „Hawk Eye“ entschieden, erst nach dem Finale 2014 ging eine zweite Abstimmung der Bundesligisten positiv aus. Bei diesem großen Widerstand scheinen weitere Maßnahmen wie der Videobeweis in nächster Zeit unvorstellbar. Dafür gibt es auch während eines Spiels zu viele knifflige Szenen, die auch nicht so relevant sind wie die Entscheidung ob Tor oder kein Tor.

Fußball und das große Geld

Fußball ist heutzutage viel mehr nur als eine Sportart – es ist zu einem wirtschaftlichen Geschäft geworden. Werbung und Stadionnamen werden für Millionen von Euro verkauft, Spieler sind sportlich, aber vor allen Dingen wirtschaftlich eine Investition. In der (leider) so kommerzialisierten Welt des Fußballs entscheidet ein nicht gegebenes Tor wie im DFB-Pokalfinale 2014 nicht nur über Titel, sondern auch über ein- bis zweistellige Millionengewinne.

Die Kosten von etwa 8000 Euro pro Spiel für das „Hawk Eye“ sind gerade den kleinen Vereinen ein Dorn im Auge. Angesichts immer weiter steigender Ticket-, Werbe- und TV-Einnahmen sollte allerdings jeder Verein die Technik gut bezahlen können und als Investition für Gerechtigkeit ansehen.

 

 

„Die Torlinientechnik ist eine ineffiziente Lösung für seltene Fehler“,

findet Pierre Loevenbruck

Fußballweltmeisterschaft 2010. Die ganze Welt erinnert sich an diesen Schuss von Frank Lampard gegen Deutschland. Der Ball passierte die Linie, aber der Schiedsrichter verweigerte das Tor. Um sich vor diesem Fehler zu schützen, hat die Fifa für die folgende Weltmeisterschaft in Brasilien die Torlinientechnik eingeführt. Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat sich inzwischen dazu entschieden, die Technik für die kommende Saison in der Bundesliga einzuführen. Ihre Premiere wird die Torlinientechnik bereits am kommenden Samstag im DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und dem VfL Wolfsburg feiern.

Voreilige Reaktion

Doch der Einsatz der Technik wirft Fragen auf. Ob die Torlinientechnik effizient ist, ist nicht erwiesen. Deshalb ist schon einmal fragwürdig, ob sie überhaupt nützlich ist. Wir haben während der Weltmeisterschaft 2014 nur eine Situation erlebt, bei der die Torlinientechnik einen Fehler des Schiedsrichters korriergt hat. Solche Szenen kommen also vor, allerdings ist festzuhalten, dass diese Fehler kein sehr überlicher im Fußball ist. Die Schiedsrichter treffen sehr oft gute und richtige Entscheidungen. Deshalb ist die Einführung der Torlinientechnik eine voreilige Reaktion auf vereinzelte Fehler während wichtiger Partien. Noch dazu stellt sie einen massiven Eingriff in das Schiedsverfahren dar.

Video-Beweis bietet mehr Möglichkeiten

Die Torlinientechnik beantwortet zudem nicht die Frage: „Müssen wir diese Technologie im Fußball einführen oder sollten wir eher betrachten, dass die Fehler der Schiedsrichter eben zum Spiel gehören?“ Als Partisan des Video-Beweises im Fußball finde ich persönlich, dass die Torlinientechnik nicht zufriedenstellend ist. Wenn wir dem Schiedsrichter helfen wollen, eignet sich das Video viel besser, um ihn vor Fehlern zu schützen. Denn die Probleme im Fußball betreffen nicht nur die Torlinie, sondern auch die Position der Spieler auf dem Platz und Elfmeterentscheidungen. Für den Schiedsrichter ist es schwieriger, eine Abseitsposition zu erkennen, als auf Tor oder kein Tor zu entscheiden.

Das Problem mit dem Video-Beweis ist nur, dass die Institutionen diesen nicht wollen, weil das die Autorität des Schiedsrichters schwächen würde. Das ist ein gutes Argument. Aber es macht auch die Einführung der Torlinientechnik noch unverständlicher, weil die Institutionen sich damit selbst widersprechen.

Kosten nicht gerechtfertigt

Auch wirtschaftliche Gründe sprechen gegen die Torlinientechnik. Die Vereine erklären zwar, die Technik sei gut, weil nur ein Fehler des Schiedsrichters gravierende Folgen für ein Team haben kann, wenn die Mannschaft sich deshalb nicht für den Europa-Pokal oder die Champions League qualifiziert – oder sogar absteigt. Aber die Torlinientechnik soll ungefähr 200.000 Euro kosten. Im Vergleich zu ihrer Nützlichkeit ist das teuer. Deshalb ist es unverständlich, warum die DFL Ausgaben für diese Technologie akzeptiert, obwohl sie vielleicht nur zwei Mal während der Saison gebraucht wird.

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Foto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Fehling/Schweigmann 
Teaserfoto: Maxxl2/Wikimedia Commons

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