NFL-Draft: Der Erste wird der Letzte sein

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Ein Mann im Maßanzug und Krawatte stellt sich ans Podium und spricht einen Namen ins Mikrofon. Danach zehn Minuten nichts. Und wieder hallt ein Name über die Lautsprecher in das Theater. Und wieder. Das ist alles was die Zuschauer im Auditorium Theater in Chicago zu sehen bekommen. Und trotzdem stehen sie für dieses Event Schlange und nicht jeder bekommt einen der begehrten 3901 Plätze. Der Wirbel um den NFL-Draft-Day in den USA ist riesig. In diesem Jahr könnte sogar ein Deutscher eine Rolle spielen. 

Moritz Böhinger

Moritz Böhringer Foto: Unicorns/M. Löffler

Der Draft Day ist der Tag, an dem Amateurspieler den Sprung in die höchste amerikanische Football-Profiliga schaffen können. Der erste große Vertrag winkt den Talenten. Moritz Böhringer, ein 22 Jahre junger Schwabe, könnte der erste Footballspieler sein, der direkt aus einer europäischen Liga gedraftet wird. Er beeindruckte die Beobachter der NFL-Teams bei einem Probetraining in Florida durch seine Physis. 102 Kilogramm verteilt auf 1,94 Meter, 40 Yards in gerade einmal 4,41 Sekunden und aus dem Stand heraus springt er 99 Zentimeter hoch und 3,33 Meter weit. Die Späher ließen ihn auch gegen Gegner testen – Böhringer fing trotzdem jeden Ball. Jetzt darf er sich Hoffnungen machen, dass er zu den 256 Profis gehört, die am NFL-Draft-Day von den Profiteams ausgewählt werden. Aber was ist der Draft-Day überhaupt?

Ziel des Drafts ist eine ausgeglichene Liga

Der NFL-Draft ist eine Veranstaltung der National Football League, bei der die 32 Profiteams die besten Amateur- und Jugendspieler der verschiedenen Colleges verpflichten dürfen. Jedes Team hat pro Runde einen Pick, darf sich also einen Spieler aussuchen. Das läuft dann sieben Runden lang. Gedraftet werden kann jeder Spieler, der mindestens drei Jahre aus der Highschool ist. So kann auch ein Deutscher, der seit drei Jahren das Abitur hat, für die NFL ausgewählt werden. Das Besondere: Das schlechteste Team, erhält den ersten Pick und der Super Bowl-Champion, den Letzten. Warum? Weil man so die Liga ausgeglichener halten möchte. Aber das reicht noch nicht. Für besonders schwache Teams hält die NFL 32 gesonderte Picks bereit, sogenannte Compensatory-Picks. Die erhalten die Mannschaften, die zum Beispiel viele Spieler verloren haben, weil Verträge ausliefen. Highlight ist natürlich die erste Runde, die in der Nacht zum Freitag (ProSieben Maxx überträgt ab 1.45 Uhr live) ausgetragen wird.

Aufteilung der Draft Plätze
Die Teams, die in der Vorsaison nicht in die Playoffs gekommen sind, bekommen die Picks 1 bis 20. Wer in der Wildcard Runde ausgeschieden ist, darf an 21. bis 24. Stelle einen Spieler wählen. Mannschaften, die in der Divisional-Runde ausgeschieden sind bekommen die Draft Plätze 25 bis 28. Die beiden Verlierer der Conference-Championchips teilen sich die Plätze 29 und 30, bevor der Verlierer des Super Bowls als Vorletzter einen Spieler wählt. Der Sieger des Super Bowls hat den letzten Pick. 

Nach den Ergebnissen der Vorsaison entsteht die sogenannte Draft-Order. Diese kann sich jedoch noch bis kurz vor dem Draft ändern, falls sich zwei Teams auf einen Trade einigen. Denn jeder Draft hat eine bestimmte Wertigkeit. Ein Beispiel: Der Top Pick (erste Runde, erster Pick) wird mit 3000 bewertet. Der fünfte Pick ist schon nur noch mit 1700 bewertet. Wenn ich also von der  fünften Stelle an die erste Stelle will, muss ich ganz schön was drauf packen (da reicht es noch nicht, einen Pick der zweiten und dritten Runde anzubieten). So entstehen spannende Verhandlungen unter den Teams. Und das ist es, was die Fans im Theater, aber auch vor den Bildschirmen fasziniert. Denn während der zehn Minuten, die jede Mannschaft für ihren Pick Zeit hat, kann alles passieren.

Entstanden ist der Draft 1936, weil in den Jahren zuvor die Liga von den Bears, Packers, Giants und Redskins dominiert wurde. Man wollte mehr Ausgeglichenheit schaffen, da schwächere Teams bis zu diesem Zeitpunkt fast chancenlos waren, junge Talente zu verpflichten. Ein System, das durchaus Sinn macht. Auch für andere Ligen, vielleicht die Bundesliga? Man stelle sich einmal vor, Hannover 96 dürfe sich nach dieser Saison unbehindert den besten Jugendspieler aussuchen und hätte bei Vertragsverhandlungen keine Konkurrenz. Alternativ hätten sie die Möglichkeit dieses Recht für viel Geld an einen Konkurrenten zu verkaufen oder gegen Erstrundenpicks für die nächsten Jahre zu tauschen. Der FC Bayern könnte nicht problemlos jeden Konkurrenten ausstechen und auch Gehälter würden nicht überdimensional ansteigen.

Collegefootball mit dem großen Ziel: NFL

Aber wie können die Teams denn die Jugendspieler einschätzen? Natürlich hat jedes Profiteam auch eine Scoutingabteilung, die sich mit nichts anderem beschäftigt, als junge Collegefootballer zu beobachten. Zudem gibt es Probetrainings der nordamerikanischen Footballiga. Und bei genau so einem Probetraining konnte sich Moritz Böhringer empfehlen. Der Aalener, der bis 2011 nur Fußball gespielt hatte, begann bei den Crailshaim Titans und wechselte 2015 zu den Schwäbisch Hall Unicorns, die in der German Football League spielen. In der Saison 2015 hat er besonders durch seine schnellen Läufe überzeugt und genau diese Stärke brachte ihn beim Probetraining in den Fokus der Scouts.

 

Böhringer selbst bleibt aber bescheiden. Er sei froh, wenn er gedraftet werde, egal an welcher Stelle. Und wenn er trotz des Hypes um seine Person nicht ausgewählt wird, acht Teams luden das Talent zum Kennelernen in ihre Städte ein, bleibt er gelassen: „Keine Ahnung, ob mich irgendjemand drafted. Ansonsten bin ich undrafted free agent und unterschreibe bei irgendeinem anderen Team“. 

Titelbild: Flickr.com/swimfinfan 
Beitragsbild: Flickr.com/Arnie Papp

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