Der Weg führt nach Berlin

Stadionatmosphäre vor dem letztjährigen Pokalfinale. Foto: Flickr.com/Kai

Stadionatmosphäre vor dem letztjährigen Pokalfinale
Foto: Flickr.com/Kai

Es ist das vorerst letzte Mal: Wenn Borussia Dortmund am heutigen Dienstagabend im Pokal-Halbfinale beim FC Bayern München antritt, endet für den Rekordmeister die Ära Jürgen Klopps als Trainer des ärgsten Widersachers der vergangenen Jahre. Wir blicken noch einmal zurück auf die besten und emotionsgeladensten Partien der beiden Kontrahenten und haben auf dem Campus gefragt, was die Studenten mit dem „Deutschen Clásico“ verbinden.  

Während die Duelle zuvor stets großes Konfliktpotenzial boten, sind es fast schon verbale Streicheleinheiten, die beide Vereine vor dem diesjährigen Pokalkracher offenbaren. Zu sehr hat der plötzliche Rücktritt Jürgen Klopps vor zwei Wochen die deutsche Fußballwelt erschüttert. Zum Dank ist der FC Bayern sogar gewillt, dem BVB-Trainer vor der Begegnung öffentlich Blumen zu übergeben. Klopp lehnt dankend ab: „Wir sind auf Krawall gebürstet“, entgegnet er und macht die verdächtig ruhige Idylle, die das Duell umgab, mit einem Satz zunichte. 

Um alles oder nichts geht es für Jürgen Klopp. Sollte seine Borussia gegen den deutschen Meister gewinnen, wäre ein Titel zum Abschied, im Pokalfinale am 30. Mai in Berlin, weiterhin möglich. Verliert der BVB allerdings, würde Klopps Ära mit seiner dritten titellosen Saison in Folge enden. Ein Traum würde platzen. Der Traum, ein letztes Mal mit dem Bus über den Borsigplatz zu fahren – mit dem Pokal in den Händen. Auf seiner Rücktritt-Pressekonferenz hob er dies als oberste Devise für die restlichen Wochen hervor. Dementsprechend motiviert geht Klopps Borussia in den Pokalfight von München, gegen die übermächtig wirkenden Bayern um Startrainer Pep Guardiola. „Wir können nicht viel verlieren“, tönt BVB-Legende und Pokalheld von 1989, Norbert Dickel, um noch einen drauf zu setzen: „Wir wollen nach Berlin und im K.O.-Modus ist es egal, ob du bei Hessen Kassel oder bei Bayern München spielst.“ Selbstbewusste Worte, denen Taten folgen werden.

Wir haben fünf Studenten auf dem Campus der TU Dortmund gefragt, was sie spontan mit dem Duell verbinden:

Simon und Marco, beide 26, Lehramt
Umfrage 1

Simon (rechts): „Was mir als Erstes in den Sinn kommt, ist das Champions League-Finale im Wembley, weil ich da auch selbst war. Aber auch die beiden Meisterschaften fallen mir spontan sofort ein. Den gehaltenen Elfmeter von Weidenfeller gegen Robben – das werde ich nicht so schnell vergessen.“

Marco (links): „Für mich war der 5:2-Pokalsieg des BVB gegen die Bayern der Moment schlechthin. Für Klopp einer der frühesten, aber auch geilsten Momente als Trainer. Ich glaube, er ist danach nie wieder so hoch gesprungen. Auch die Säge war, aus meiner Sicht, nie wieder so intensiv.“ 

Vitali, 27, Maschinenbau
Umfrage 3

„Ich denke bei Dortmund gegen Bayern sofort an das Finale im Wembley. Dann macht der BVB das Ding zum Ausgleich und alle denken, wir reißen das noch rum. Am Ende war die Enttäuschung schon groß, doch der Stolz hat überwogen.“

Benjamin, 33, Kommunikationswissenschaften
 Umfrage 4

„Das größte Erlebnis war für mich in dem Zusammenhang ganz klar das Champions League-Finale. Wobei ich als Schalker nicht ganz wusste, für wen ich halten sollte. Ich habe mich letztendlich für den BVB entschieden, damit die Bayern nicht auch noch den Titel holen. Gebracht hat es ja leider nichts.“ 

Sandra, 31, Lehramt Deutsch
Umfrage 5

„Ich habe das seit dem Rücktritt von Jürgen Klopp näher verfolgt. Dieser ganze Hype hat mal wieder gezeigt, wie wichtig der Fußball hier ist. Ich kann dem Ganzen allerdings eher weniger abgewinnen.“

Ganz anders die Situation beim FC Bayern. Nach der seit dem Wochenende feststehenden und fest eingeplanten 25. Deutschen Meisterschaft soll nun auch der Pokalsieg her. Da ist der BVB nur Übergangsstation zu höheren Aufgaben, der Finaleinzug eine Pflichtaufgabe. Denn, anders als im beschaulichen Dortmund, wird der Trainer in München am Triple gemessen, dem Gewinn der Meisterschaft, dem deutschen Pokal und der Champions League. Sollte die Mannschaft, gespickt mit zahlreichen Weltmeistern um Final-Torschütze Mario Götze, dies wie im Jahr 2014 verpassen, würde auch diese Spielzeit als Enttäuschung abgestempelt. Vielleicht gibt es auch deshalb keine erwähnenswerten Sticheleien in Richtung Ruhrgebiet, um nicht die Gefahr einzugehen, den wiedererstarkten BVB zu ärgern und so einen schlafenden Löwen zu wecken. 

Es gab in der Ära Jürgen Klopp seit seinem Amtsantritt 2008 genau 18 Duelle des BVB gegen den FCB. Die Bilanz ist bei sechs Siegen, drei Unentschieden und neun Niederlagen des BVB recht beachtlich.

Wir haben die fünf Duelle herausgesucht, die in dieser Epoche für den meisten Gesprächsstoff gesorgt haben: 

26.02.2011 – Bayern München gegen Borussia Dortmund, 1:3

Dieses Spiel gilt bis heute als Türöffner für den ersten Meistertitel des Jürgen Klopp mit seiner Borussia. Es ist der 24. Spieltag der Saison 2010/11, der die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga für die kommenden eineinhalb Jahre neu ordnet. Vor dem Spiel haben die Bayern bereits 15 Punkte Rückstand und wollen vor heimischem Publikum zum letzten Marsch blasen, um den BVB doch noch einzuholen. Was folgt, ist eine der größten sportlichen Niederlagen der erfolgsverwöhnten Bayern in diesem Jahrzehnt. Nachdem Luiz Gustavo Dortmunds frühe Führung durch Lucas Barrios noch ausgleichen kann, bringt Nuri Sahin den BVB postwendend wieder in Front. Als Bayern-Coach Louis van Gaal nach der Pause alles nach vorne wirft, macht Mats Hummels nach einer Stunde Spielzeit den Deckel auf die Begegnung. Der BVB wird nur wenige Spieltage später vorzeitig Meister. Der FCB entlässt Louis van Gaal noch vor Saisonende und wird am Ende nur Dritter.

11.04.2012 – Borussia Dortmund gegen Bayern München, 1:0

Türöffner Nummer zwei: Am 30. Spieltag der Saison 2011/12 kommt es wie im Vorjahr zum vorentscheidenden Duell BVB gegen FCB. Und auch im Jahr 2012 hat die Borussia das bessere Ende für sich. Doch diesmal sind die Voraussetzungen ganz Andere: Tabellenführer Dortmund hat nur drei Punkte Vorsprung auf die Bayern, die ihrerseits mit einem Sieg vier Spieltage vor Schluss die Spitzenposition übernehmen könnten. Doch dazu kommt es nicht. In einem hochklassigen Spiel bringt Robert Lewandowki seinen BVB in der 77. Minute in Führung. Alles sieht nach der Vorentscheidung im Titelkampf aus – bis Roman Weidenfeller Arjen Robben im Strafraum regelwidrig zu Fall bringt und Schiedsrichter Kircher auf den Punkt zeigt. Robben tritt zum Elfmeter selbst an und scheitert am Dortmunds Schlussmann. Am Ende verteidigt der BVB seinen Meistertitel und setzt sich auch im Pokalfinale die Krone auf. Der FCB geht leer aus.

 12.05.2012 –  Borussia Dortmund gegen Bayern München, 5:2

„Dortmund deklassiert die Bayern“ lautet der Titel über dem Pokalfinale des Jahres 2012 in Berlin. Nicht den Hauch einer Chance lässt Klopps Elf den Münchern, die langsam, aber sicher ein BVB-Trauma entwickeln. Der Albtraum in Schwarz-Gelb geht für die Rothosen bereits in der dritten Spielminute los, als Kagawa die frühe Führung erzielt. Nach dem Ausgleich Arjen Robbens nach einer knappen halben Stunde schöpft der Rekord-Pokalsieger neue Hoffnung, die nach dem Dortmunder Doppelschlag durch Mats Hummels und Robert Lewandowski vor der Halbzeit allerdings im Keim erstickt wird. Was folgt, ist eine Fußballgala in Schwarz-Gelb. Lewandowski mit seinen Toren Nummer zwei und drei schießt den BVB zum Double. Da hilft auch Riberys zwischenzeitlicher Anschlusstreffer nichts mehr. Eine Woche später verliert der FC Bayern auch das Champions League „Finale dahoam“ und stürzt damit in eine tiefe Krise.

25.05.2013 – Borussia Dortmund gegen Bayern München, 1:2

Am Ende der Saison 2o13 stehen sich mit dem Double-Sieger Bayern München und dem BVB erstmals in der Fußball-Geschichte zwei deutsche Mannschaft im Endspiel der Champions League gegenüber. Für den FCB unter Erfolgstrainer Jupp Heynckes geht es noch um das prestigeträchtige Triple – das Erste der Vereinsgeschichte. Und am Ende des Abends haben sie es tatsächlich geschafft – sie recken den „Henkelpott“ in die Höhe. Nachdem eine Stunde lang nicht viel passiert, bringt Mario Mandzukic die Bayern in Führung. Nur wenige Minuten später kann der BVB durch einen Foulelfmeter ausgleichen. Ilkay Gündogan verlädt Manuel Neuer vom Punkt. Als alles schon auf eine Verlängerung hindeutet, schlägt die Stunde des Arjen Robben: Perfekt freigespielt lässt er sich die Chance nicht nehmen, zwei Minuten vor dem Ende das entscheidende Tor zu erzielen und die Bayern in den siebten Fußball-Himmel zu bugsieren. Sein Torjubel vor den mitgereisten Fans im Wembley-Stadion mit den ausgestreckten Armen ist schon jetzt legendär.

17.05.2014 –  Borussia Dortmund gegen Bayern München, 0:2

Die wohl bitterste und tragischste Niederlage des BVB nach dem verlorenen Champions League-Finale war zugleich Guardiolas erster Pokalerfolg mit seinen Bayern. Eine Stunde lang bietet sich ein Duell auf Augenhöhe, ehe Mats Hummels eine Freistoß-Flanke an Manuel Neuer vorbei auf das Tor köpft. Dante versucht zu klären, allerdings hinter der Linie – dem regulären Tor aber wird die Anerkennung verwehrt. So geht es in die Verlängerung, wo die Münchner das bessere Ende für sich haben sollen. Robben und Müller treffen. Mit dem zweiten Double in Folge für die Bayern, sowie der zweiten titellosen Saison in Serie für die Dortmunder scheinen die Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball aus Sicht des Rekordmeisters wiederhergestellt.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert