Integration bei Kaffee und Tee

Das Haus Storp 9, in dem sich das Integrationscafé befindet, ist kaum zu übersehen. Foto: Corinna Jedieß

Das Haus Storp 9, in dem sich das Integrationscafé befindet, ist kaum zu übersehen. Foto: Corinna Jedieß

Im Essener Integrationscafé treffen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen aufeinander – um Deutsch zu lernen. Aber auch, um zu diskutieren. Dass es dabei manchmal lauter werden kann, hat unsere Autorin Corinna Jedieß erlebt.

Der gebürtige Iraner Mori erklärt offen in die Runde, er sei Atheist. Eine der anwesenden muslimischen Frauen beschimpft ihn daraufhin. Er würde in der Hölle landen, sie im Himmel. Er seinerseits schimpft mit den Worten zurück: „Scheiß Islam“. Auch so kann es im Integrationscafé zugehen. Ernste und schwierige Themen werden hier nicht gemieden.

Das Haus Storp 9 befindet sich in der Storpstraße in Essen Huttrop und sticht durch seine bunt bemalte Fassade hervor, die von außen sehr einladend wirkt. Am Eingang hängt ein Schild mit der Aufschrift „Storp 9 – Haus für Bildung und Kultur“. Das Haus ist ein Kooperationsprojekt von Allbau, der Bürgerinitiative Südostviertel, der Caritas, des Jugendamts der Stadt Essen, der katholischen Kichengemeinde Heilig Kreuz und der Jugendhilfe Essen. All diese Institutionen nutzen die Räumlichkeiten des Hauses. Im Erdgeschoss befindet sich das Integrationscafé.

Kinder bedeuten Stress

Durch seine vielen großen Fenster und seine Glastüren hat es als ein helles, einladendes und freundliches Ambiente. Im hinteren Bereich befindet sich eine große Küche, der Raum ist von Tischen und Stühlen gesäumt, an den Wänden hängen farbenfrohe Bilder. Gerade bekommt Elena Catania einen Anruf. Die Kinderbetreuerin kann heute nicht kommen. „Ich hoffe, niemand bringt seine Kinder mit, sonst wird es wirklich stressig. Aber wenn wir so was nicht anbieten würden, würden viele Frauen nicht kommen“, erzählt sie.

Das Haus für Bildung und Kultur beitet verschiedene Kurse an. Da für einige Frauen ungern mit Männern am selben Tisch zu diskutieren, gibt es auch Integrationskurse nur für Frauen. Foto: Corinna Jedieß

Das Haus für Bildung und Kultur bitet verschiedene Kurse an. Da für einige Frauen ungewohnt ist, mit Männern am selben Tisch zu diskutieren, gibt es auch Integrationskurse nur für Frauen. Foto: Corinna Jedieß

Elena Catania (25) studiert Philosophie und Religionswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Für das Seminar „Soziale Kompetenz“ des Optionalbereichs sollte sie ein zweiwöchiges Praktikum machen und entschied sich dazu, dieses im Integrationscafé Storp 9 zu absolvieren. Jeden Mittwoch kommt sie früher ins Café und bereitet alles für das wöchentliche Treffen vor, das von halb drei bis halb fünf stattfindet. Das heißt, sie kocht Kaffee, stellt Tee und Gebäck auf den Tisch und präsentiert der Gruppe gelegentlich Aufgaben.

Das Integrationscafé soll ein Treffpunkt für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sein, um erlernte Sprachkenntnisse praktisch anwenden und sich über Alltagsthemen austauschen zu können. „Allerdings finde ich, dass es darüber hinaus gehen sollte“, sagt Elena. Zwar sei die Situation zwischen Mori und der muslimischen Frau sehr heikel gewesen, allerdings finde sie, dass Menschen, die aus Ländern kommen, in denen Meinungsfreiheit über politische und religiöse Dinge nicht möglich ist, hier darüber sprechen sollten. Differenzen innerhalb der Gruppe, wie das Atheisten-Bekenntnis von vergangener Woche, kämen gelegentlich vor. In diesem Fall ist Elena bemüht, diese zu schlichten, die jeweilige Perspektive zu berücksichtigen, aber auch die in Deutschland gesetzlich verankerten Werte anzuführen.

Deutsch reden, Deutsch lernen

Die Integrationsagentur macht über verpflichtende Sprachkurse auf das Integrationscafé aufmerksam. Viele kommen hierhin, um ihre Sprachkenntnisse anzuwenden und sich mit Deutschen zu unterhalten, wozu sie ansonsten keine Möglichkeit haben. Es kommen Menschen ganz verschiedener Herkunft ins Café, unter anderem aus dem Iran, der Türkei, dem Libanon, China, Australien, Russland und Arabien.

Um Punkt halb drei kommt der erste Teilnehmer zur Tür herein, Mori, der Iraner. Lächelnd blickt er in die Runde und begrüßt jeden mit einem freundlichen „Hallo“. „Mori ist sehr extrovertiert, manchmal muss ich ihn etwas bremsen. Aber ich möchte natürlich auch, dass er viel reden kann. Er ist wirklich darum bemüht, Deutsch zu lernen, und dazu nun einmal ein sehr offener Mensch“, erzählt Elena. Nur manche fühlten sich gelegentlich durch seine Art gestört. Neben Mori erscheinen Irakerin Fadia, Russin Olga sowie Fariba und Alia aus Syrien. Niemand hat seine Kinder mitgebracht.

Die Teilnehmer des Integrationscafés waren unserer Autorin gegenüber zwar sehr offen, wollten sich aber nicht fotografieren lassen. Foto: Corinna Jedieß

Die Teilnehmer des Integrationscafés waren unserer Autorin gegenüber zwar sehr offen, wollten sich aber nicht fotografieren lassen. Foto: Corinna Jedieß

Elena verteilt Namensschildchen, die Stimmung ist familiär, alle duzen sich und gehen offen miteinander um. Die muslimischen Frauen von voriger Woche sind nicht aufgetaucht. „Ich hoffe, dass sie wiederkommen. Manche von ihnen haben Probleme damit, dass auch Männer hier sind“, sagt Elena. „Aber sie müssen sich daran gewöhnen, dass wir in einem Staat ohne Geschlechtertrennung leben.“ Als sie das sagt, fängt Mori wieder an, leicht zu schimpfen. Er fühlt sich angegriffen. Elena jedoch versucht ihm auf verständliche Weise zu erklären, dass auch er die Frauen beleidigt habe und zeigt ihm den Auszug aus dem Grundgesetz zur Religionsfreiheit.

Hauptsächlich geht es bei der heutigen Veranstaltung darum, die Sprachkenntnisse aufzubessern, ohne Hemmungen einfach Deutsch zu reden. Man isst Kuchen, trinkt Kaffee und Tee, spielt Uno. Mori erzählt mit Freude Geschichten aus seiner Heimat in deutscher Sprache. Er lernt erst seit drei Monaten Deutsch, redet aber ohne Hemmungen und mit viel Humor. Macht er einen Fehler, so wird er berichtigt.

Die Grenzen des Erklärbaren

Oftmals fragen alle Teilnehmer sehr wissbegierig, ob das Gesagte richtig war und wie es richtig heißt. Das Interessante dabei ist: Man wird sich seiner eigenen Sprache bewusst. Es treten Fragen auf wie: Was bedeutet „segnen“? Warum heißt es „Weihnachten“? „Umgänglich“, wann benutzt man das? Es werden Schwierigkeiten der deutschen Grammatik angegangen: Artikel, Personalpronomen, Zeiten. Man stößt leicht an die Grenzen des Erklärbaren. Elena bemerkt oft, dass man zwar weiß, was die Wörter bedeuten, aber dass man selbst diese Bedeutung oftmals schwer erklären kann.

Nach nur zwei Stunden neigt sich das Treffen dem Ende zu. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Alle verabschieden sich mit einem Lächeln voneinander. Auch Elena ist froh, endlich nach Hause zu kommen. Es war ein langer Tag für sie. Allerdings, so sagt sie, würde sie diese Arbeit auch ehrenamtlich machen, falls nicht genug Geld zur Verfügung stünde. Es seien ja nur zwei Stunden in der Woche und es mache ihr einfach zu viel Spaß. Die Differenzen von letzter Woche konnte sie heute nicht lösen. Aber sie hofft, dass sie es dieses Jahr schaffen wird.

Autorin: Corinna Jedieß

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert